Netflix, Prime Video, Disney+ und alle anderen Streamingplattformen haben in den vergangenen Monaten durch die Coronakrise profitiert und viele neue Nutzer gewonnen. Alle Plattformen? Nein. Bei einem kleinen Streaminganbieter aus Deutschland will einfach kein Aufwärtstrend einsetzen. Die Rede ist von Pantaflix. Also der Plattform, hinter der unter anderem Matthias Schweighöfer als Gründungsgesellschafter steht. Dabei waren die Ziele vor ein paar Jahren noch sehr hochtrabend. "Systemrelevant" wollte man mit der Plattform werden, ließ Dan Maag, ebenfalls Gründungsgesellschafter, in einem "Welt"-Interview wissen. Man könne zu einem "Milliardenunternehmen" und zu einer aus Konsumentensicht "Top-Anlaufstelle für Filme weltweit" werden. 

Heute ist Pantaflix vielleicht so einiges, nur eben kein systemrelevantes Milliardenunternehmen oder eine Top-Anlaufstelle für Filme. Das Geschäftsmodell, mit dem man damals gestartet war, hat man ohnehin längst über Bord geworfen. Geplant war eigentlich mal, sich an sogenannte Expats auf der ganzen Welt zu richten. Das sind Menschen, die im Ausland leben. Diesen wollte man Inhalte in ihrer eigenen Sprache anbieten. In der Theorie ist das ein riesiger Markt, auf die Straße bringen konnte man das Geschäftsmodell trotzdem nie. Wie auch? Konkurrierende Streamingportale sind inzwischen ebenso weltweit verfügbar und mit ihnen meist auch ein großes Portfolio. 

2019 erfolgte dann eine strategische Neuausrichtung. Neben dem Angebot, für einzelne Titel zu zahlen (TVoD) kündigte Pantaflix die Einführung von SVoD- und AVoD-Modellen an. Mit einem hybriden Modell aus diesen Modellen habe man "eine realistische Erfolgschance", erklärte Nicolas Paalzow, Vorstandsvorsitzender der Pantaflix AG, damals im Gespräch mit DWDL.de. Angekündigt wurden damals auch Investitionen in eigene Serien, allen voran mit bekannten Youtubern und anderen Influencern. 

Nicolas Paalzow © Pantaflix/Bene Mueller Pantaflix-Chef Nicolas Paalzow
Rund eineinhalb Jahre nach diesen Ankündigungen fällt das Fazit sehr ernüchternd aus. Tatsächlich hat man ein AVoD-Modell eingeführt, einige Titel des Pantaflix-Katalogs lassen sich ohne eine Zahlung ansehen - im DWDL.de-Test fehlte bei den meisten Filmen aber die Werbung. Das SVoD-Modell sollte im zweiten Quartal 2020 starten, das wurde coronabedingt jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben - und CEO Paalzow glaubt, ähnlich wie ProSiebenSat.1-Boss Rainer Beaujean, inzwischen gar nicht mehr an dieses Modell. "Perspektivisch ist es für mich am spannendsten, unsere eigenen Produktionen über AVoD auszuwerten. Ich glaube weniger an ein SVoD-Modell", sagt er im Gespräch mit DWDL.de. 

Investitionen in eigene Formate gestoppt

Da liegt aber schon das nächste Problem: die eigenen Produktionen. Die gibt es defacto derzeit nämlich gar nicht. Wegen der Corona-Pandemie hat Pantaflix sämtliche Investitionen in diesem Bereich eingefroren. Von den eigentlich mal angekündigten Originals "Street Legends" und "Leoo hilft" fehlt nach wie vor jede Spur. "So lange wir uns in einer Pandemie befinden, müssen wir auf der Kostenseite sehr gewissenhaft arbeiten", sagt Paalzow, der aber nach wie vor an die eingeschlagene Strategie glaubt. "In der Zeit, in der sich ‘Krass Klassenfahrt’ auf der Plattform befand, ist der Traffic rasant gestiegen." Das wissen inzwischen aber auch andere Anbieter. Die Macher von "Krass Klassenfahrt" sind jedenfalls längst zu Joyn gewechselt und setzen ihre Projekte dort um. 

Mit dem Tochterunternehmen Pantaflix Studios ist man inzwischen dazu übergegangen, auch für andere Sender und Plattformen zu produzieren. Für Joyn etwa setzt man die Influencer-Serie "Das Internat" um. "Das war der richtige Weg", sagt Paalzow zum Strategieschwenk. Man sei hier auch in "einigen sehr interessanten Gesprächen für weitere Formate dieser Art". Auf der eigenen Plattform soll es wieder dann eigene Inhalte geben, wenn Corona es zulässt. Da seien künftig auch Koproduktionen und Mischformen in der Auswertung denkbar. "Es muss nach Corona nicht mehr diese völlige Ausschließlichkeit sein, die wir 2019 mal angepeilt hatten", so Paalzow. Prognosen sind hier schwer zu treffen, doch der Pantaflix-Chef rechnet fest damit, dass man irgendwann auch wieder eigenproduzierte Inhalte haben wird. Denn: "Mit nicht-exklusiven Inhalten allein werden wir die Plattform nicht gut positionieren können." 

Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Derzeit ist Pantaflix nicht gut positioniert. Und tatsächlich reicht ein kurzer Blick ins Portfolio um festzustellen, dass hier der USP fehlt. Pantaflix bietet zwar viele Filme und Serien an, einige sogar recht neue Blockbuster können gegen Bezahlung gesehen werden. Nur gibt es diese Titel auch auf vielen anderen Plattformen - und dort dann teilweise auch noch für weniger Geld. Und auch wenn Pantaflix im Vergleich zu deutschen Streamingplattformen eine gute User Experience bietet - das allein reicht eben nicht aus, wenn man nicht auch die entsprechenden Inhalte zur Verfügung stellt. 

"Ich glaube weniger an ein SVoD-Modell."
Pantaflix-Chef Nicolas Paalzow

Die meiste Phantasie sieht man derzeit im B2B-Bereich. Zuletzt hat Pantaflix eine ganze Reihe von Kooperationen angekündigt, beispielsweise mit der "SZ", Weltbild, Airbus oder auch dem DOK.fest München, die allesamt in irgendeiner Weise auf Technologie und Inhalte von Pantaflix zurückgreifen. Für Kooperationen dieser Art sind die Filme und Serien, die man im Portfolio hat, dann eben doch wichtig. Leser der "SZ" interessieren sich wohl kaum für Serien mit irgendwelchen Youtube-Sternchen. Der TVoD-Bereich ist durch solche Kooperationen am ehesten anzukurbeln - die eigene Plattform erscheint dafür nach wie vor zu schwach.

Nutzerzahlen nicht messbar

Wie andere Streaminganbieter auch, veröffentlicht Pantaflix keine Nutzerzahlen seiner Plattform. Dass es aber nicht so viele sein können, zeigt ein Blick auf von Goldmedia erhobene Zahlen. Die Forschungsgruppe veröffentlicht schon seit einiger Zeit sogenannte VoD-Charts. Diese beruhen auf Befragungen, zeigen also keine genauen Zugriffszahlen. Aber die Auswertungen geben einen groben Einblick darüber, was auf den verschiedenen Plattformen sehr gut funktioniert - und was nicht. "Pantaflix bewegt sich in unserer Erhebung unterhalb der Schwelle zur Messbarkeit", sagt Florian Kerkau, Geschäftsführer und Partner des Berliner Goldmedia-Büros. "TVoD ausschließlich in Kombination mit AVoD funktioniert einfach nicht", so Kerkau weiter. Grundsätzlich würde beide Bereiche wachsen, "aber im Gegensatz zu SVoD viel langsamer und ihre Bedeutung ist deutlich geringer." Kann der nun eingeschlagene Weg von Pantaflix also funktionieren?

"Wir haben damals mit sehr viel Enthusiasmus die Plattform gestartet. Inzwischen haben wir aber gemerkt, dass die Monetarisierung nicht so einfach ist, wie wir uns das anfangs gedacht hatten", sagt Nicolas Paalzow gegenüber DWDL.de und schiebt hinterher: "Dennoch bin ich optimistisch, denn das technische Produkt ist gut." Dass Pantaflix eine schwere Zeit durchmacht, wird auch beim Blick auf die Geschäftszahlen schnell deutlich. Nachdem man sich bis 2018 auf immerhin 35,1 Millionen Umsatz gesteigert hatte, ging es 2019 schon auf 28,7 Millionen zurück. Im ersten Halbjahr 2020 erwirtschaftete man einen Umsatz in Höhe von nur 4,89 Millionen Euro. Das alles sind Werte, die im derzeit so boomenden Streaming-Bereich wenig Anlass für Hoffnungen geben. Zumal Pantaflix auch kontinuierlich einen Verlust einfährt, den man vor sich herschiebt. Dieser Konzernbilanzverlust ist inzwischen auf mehr als 20 Millionen Euro angewachsen.

"So lange wir uns in einer Pandemie befinden, müssen wir auf der Kostenseite sehr gewissenhaft arbeiten."
Pantaflix-Chef Nicolas Paalzow

Dass es schwierig sei, im Streaming-Bereich profitabel zu sein, sei keine Überraschung, sagt Nicolas Paalzow. Das würden auch andere Marktteilnehmer erleben. "Es muss – gerade bei auf Wachstum ausgerichteten Unternehmen – nicht grundsätzlich schlecht sein, wenn eine Gesellschaft über einen gewissen Zeitraum Verluste produziert und diese bilanziell vorträgt", sagt Jürgen Kurz, Pressesprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., im Gespräch mit DWDL.de. Entscheidend sei, wie und wo die Verluste entstehen würden - und dass immer genügend Cash vorhanden sei, um laufende Verbindlichkeiten zu erfüllen. "Vereinfacht ausgedrückt: Wenn den Fehlbeträgen steigende Umsätze sowie wachsende Marktanteile gegenüberstehen und genug Cash für den Geschäftsbetrieb reinkommt, ist das für Wachstumsunternehmen zunächst einmal nicht ungewöhnlich." Nur: Bei Pantaflix wachsen weder Umsatz noch Marktanteile. 

Zur Pantaflix AG gehören mit der Creative Cosmos 15 und der Pantaleon Films auch noch eine Agentur sowie eine klassische Produktionsfirma. Weil der Konzern seine Umsätze nicht nach Segmenten aufschlüsselt, ist nicht klar, wie viel die verschiedenen Bereiche zum Ergebnis beitragen. Der mit Abstand wichtigste Bereich dürfte aber wohl sehr sicher die Pantaleon Films sein. Die Produktionsfirma zeichnete zuletzt verantwortlich für "Das letzte Wort" (Netflix), saß bei "MaPa" zusammen mit Readymade Films in einem Boot und produziert nach wie vor viele Kinofilme mit Matthias Schweighöfer. "Ich bin sehr froh, dass wir Matthias haben und dass wir so gut zusammenarbeiten", sagt Paalzow zu einem seiner wichtigen Zugpferde: Schweighöfer lockt noch immer viele Menschen in Kinos, wenn diese offen haben würden. Auch hier leidet man unter der Corona-Pandemie. Inzwischen gibt es einen regelrechten Filmstau. Viele Filme liegen fertig in der Schublade, werden wegen der Pandemie aber nicht veröffentlicht. "Für ein Unternehmen wie uns, das gerne Kinofilme macht, ist das etwas, das wir mit Sorge betrachten", so Paalzow. 

Die Fantasie war da - ist inzwischen aber verflogen 

Weitere Projekte der Pantaleon Films sind ein Prequel von "Army of the Dead", das, natürlich, von Matthias Schweighöfer für Netflix umgesetzt wird. Für Joyn produziert man außerdem die Serie "Spaceboys". Erzählt wird die Geschichte zweier Freunde aus der Provinz, die dort als DJs arbeiten und unerwartet einen viralen Hit landen, der sie ins Musikbusiness von Berlin katapultiert.

Dass die Aktionäre anfangs durchaus angetan waren von der Idee, die Pantaflix ihnen servierte, zeigt ein Blick auf den Aktienkurs. Ende 2017 lag dieser bei fast 19 Euro, binnen Jahresfrist konnte Pantaflix seinen Kurs damals mehr als verdoppeln. Es gab also durchaus die Fantasie, dass ein deutsches Unternehmen im internationalen Streamingmarkt groß mitmischen könnte. Danach ging es aber auch schnell wieder bergab, seit Anfang 2019 liegt man bei kontinuierlich weniger als 3 Euro, zuletzt waren es sogar weniger als 1,50 Euro. Inzwischen formuliert man die eigenen Ansprüche und Ziele auch zurückhaltender - und realistischer. "Wir wollen in allen Geschäftsbereichen profitabel sein", sagt CEO Nicolas Paalzow und verweist darauf, guter Dinge für alle Bereiche zu sein. "Mein Ziel ist es, das Unternehmen jedes Jahr ein Stück profitabler zu machen. Das wird uns 2020 im Vergleich zu 2019 gelingen." Von einem "Milliardenunternehmen" spricht bei Pantaflix heute niemand mehr.