Wenn bisher von Radiospartenprogrammen die Rede war, dann zumeist von Sendern, die sich auf eine spezielle Musikrichtung fokussiert haben. Bei Radio Bob! oder der Rock Antenne kracht’s ordentlich, wenn Rockröhren ihre Songs schmettern. 80s80s etwa konzentriert sich voll und ganz auf den Sound eines beeindruckenden Musikjahrzehnts. Einen etwas anderen Weg will ab Mitte Mai nun die herFunk GmbH gehen. Zur Leipziger Teutocast GmbH gehörend, will diese ab dann ein aktuell noch namenloses Audio-Angebot nur für Frauen an den Start bringen, empfangbar über DAB+ sowie im Stream. "Konsequent und relevant" solle das Programm für Frauen klingen, sagt Ina Tenz zu DWDL.de. Sie soll das Konzept für die neue Content-Plattform der Teutocast verantworten.

Tenz gilt in der Radiobranche als bestens vernetzt und bringt langjährige Audioerfahrung mit. Als Programmdirektorin verantwortete sie fast 15 Jahre lang die Marktführerschaft des niedersächsischen Privatsenders radio ffn, ehe sie 2017 in den Süden zu Antenne Bayern wechselte. 2019 trennten sich die Wege - nach Unternehmensangaben wegen unterschiedlicher Auffassungen mit der damals neuen Geschäftsführung. Seitdem arbeitet sie als Geschäftsleiterin der Münchner Kommunikationsagentur ABC Communication und ist dort für diverse Audio-Projekte, zum Beispiel den Podcast "Die Agenda" mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder, zuständig.

Jetzt also hat sie obendrein die Frauen im Blick. Für ihren neuen Sender hat sich Tenz klare Ziele gesetzt: "Die Musikauswahl wird treffsicher auf Frauen abgestimmt, unsere Moderatorinnen müssen mehr können, als nur den nächsten Titel ansagen: sie brauchen Haltung, Lebenserfahrung und eine gute Beobachtungsgabe", so Tenz. "Der Content soll mutig, hilfreich und unterhaltsam sein und das Ganze muss zusätzlich klingen wie ein guter Radiosender mit viel Fluss, Leichtigkeit und Spaß", sagt die Audiomanagerin. Zu hören sein soll im Programm dann alles, "was weiblich, gut und relevant" ist – man bediene sich also der Themenfelder Familie, Gesundheit, Partnerschaft & Liebe, Job & Karriere oder dem Bereich Fitness und Wellbeing.

Radio hat sich sehr gewandelt

Das Investment in den nächsten deutschlandweiten Sender fällt in eine Zeit, in der große Stationen unter corona-bedingt weggebrochenen Werbeeinnahmen ächzen, Innovationen wie Clubhouse aber zeigen, dass Audio-Content bei weitem nicht tot ist. "Radio wird immer leben, weil sich das Medium in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt hat. Nur werden sich die Reichweiten verändern und auch die Bedeutung des Mediums im Leben der Nutzer", ist Ina Tenz überzeugt. Heute gäbe es wesentlich mehr Konkurrenz für das klassische Radioprogramm, sagt sie und meint damit YouTube, Online-Audio, Clubhouse, Streaming oder Dienste wie Spotify. "Alle sitzen mit am Futtertrog." Entsprechend sei es verständlich, dass "sich die Radio-Verantwortlichen Sorgen machen um die schwindende Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, deren Vermarktung essentiell ist für ihr Geschäftsmodell."

Genau der Kampf um jene Altersklasse wird seit Jahren erbittert geführt – und die Coronapandemie samt der über Monate rückläufigen Werbespendings tut ihr übriges. "Fest steht, dass immer mehr Werbekunden auf der Suche sind nach Möglichkeiten, ihre Zielgruppen mit möglichst wenig Streuverlusten zu erreichen. Wir reden noch über vergleichsweise kleine Budgets, aber zum Beispiel im Podcastbereich entstehen spannende Kooperationen, bei denen der Content im Vordergrund steht und Werbung auch abseits von marktschreierischen Spots nicht störend eingebunden werden kann - und trotzdem ein hoher Werbenutzen entsteht", sagt Tenz. Fest stehe ihrer Meinung nach auch, dass ein Radioprogramm, das mit den Frauen eine "spannende Zielgruppe" national erreiche, zum genau richtigen Zeitpunkt komme.

"Uns ist bewusst, dass wir bei null Hörern starten – wir können also nur dazugewinnen und die Voraussetzungen dafür sind optimal." Ina Tenz

Der grundsätzliche Ansatz des kommenden Frauen-Senders sei ein etwas anderer als der klassischer Radios, wie Tenz erklärt. Man denke das Konzept von Anfang an als "Smart Audio" mit crossmedial nutzbaren Inhalten und einem spannenden Vermarktungskonzept. "Uns ist bewusst, dass wir bei null Hörern starten – wir können also nur dazugewinnen und die Voraussetzungen dafür sind optimal: eine immer stärkere Durchdringung des Marktes mit DAB-Radios und ein immer schnelleres, günstigeres Internet", gibt sich die Audio-Managerin hoffungsvoll.

Der Denkansatz des kommenden Senders ist einerseits neu – andererseits sind Frauen als Zielgruppe nicht ungewöhnlich. Schließlich wären es auch etablierte große Sender, die sich auf eine weibliche Zielgruppe fokussieren, weiß Tenz. Der Haken an der Sache für diese Stationen: Sie könnten dies nicht konsequent tun, da immer auch die Frage mitschwinge: "Kommt das auch bei Männern an?" Das wird’s beim neuen Frauensender nicht geben. Tenz: "Unsere Inhalte dürfen auch eindeutig und einseitig sein, ohne auszugrenzen." Konsequent und neu ist ebenfalls, dass man sich bei der Programmausrichtung nicht auf Altersgruppen, sondern auf die Lebensphasen der Hörerinnen konzentriere, erzählt Ina Tenz.

In diesem Segment dürfte das kommende Programm weitestgehend konkurrenzlos sein; einzig die Programmmarke Barbararadio von und mit Barbara Schöneberger schielt vermutlich auf ein ähnliches Hörerinnensegment. Tenz jedoch wiegelt darauf angesprochen ab, spricht bezogen auf Barbararadio von einer klassischen Personality-Show im Audioformat, die überall laufen könne: bei UKW-Sendern, als Podcast und im Web und die vor allem auf die Marke "Barbara Schöneberger" einzahle.

"Was die klassischen Radiosender betrifft, sind sie ein wenig in ihren Strukturen gefangen." Ina Tenz 

Dass Ina Tenz nun wieder Radio macht, knapp zwei Jahre nach dem Abschied von Antenne Bayern, mag sicherlich an ihrer großen Leidenschaft für das Medium an sich liegen, ganz bestimmt aber auch an der Wertschätzung den Menschen gegenüber, die dort arbeiten. "In der Radiobranche sind mir die kreativsten, talentiertesten Menschen meiner Karriere begegnet, viele von ihnen sitzen noch heute in den Funkhäusern und leisten gute Arbeit", berichtet sie. Doch wie verkrustet sind Strukturen in den oft über Jahrzehnte eingespielten Redaktionen, wie dringend ist frischer Wind nötig? "Was die klassischen Radiosender betrifft, sind sie ein wenig in ihren Strukturen gefangen. Ein möglichst großer, gemeinsamer Nenner mit viel Musik ist Voraussetzung für eine hohe Reichweite", weiß Tenz und sieht "in der neuen Audio-Welt" eine Ergänzung. Mitarbeitenden, denen jene Strukturen als zu verkrustet erscheinen, böten sich heutzutage unzählige Möglichkeiten, sich auszutoben. "Kreative mit Audio-Erfahrung werden händeringend gesucht", meint Tenz.

Es sind die neuen Audio-Welten, von denen letztlich auch das Radio lernen kann. Zeigt Clubhouse etwa, dass der Hörer doch (deutlich) mehr Wort ertragen kann als zwei Minuten am Stück? "In homöopathischen Dosen, ja", sagt Ina Tenz und führt aus: "Radio sollte immer ein begleitendes, inspirierendes und auch mutiges Medium sein. Und doch gibt es bestimmte Kriterien, nach denen Radio funktioniert und die von Hörern erwartet werden: viel Musik, Infos, News, Themenvielfalt und eine Begleitung durch den Tag. Wenn bei unserem Sender ein Thema mehr Zeit braucht, wird das möglich sein - vor allem auch am Abend, wenn die Hörsituation eine andere ist." Die Audio-App Clubhouse, die sie übrigens mit Verweis auf ähnliche Modelle bei Social-Media-Plattformen für mehr als nur einen kurzlebigen Trend hält, sei letztlich eine Mischung aus Radio, Zoom und Live-Podcast. Und mehr als ein kurzlebiger Trend, das soll auch das neue Frauenradio werden. Die Wette darauf startet Mitte Mai.