Dass der Wind bei Visoon Video Impact etwas anders weht als bei den meisten TV-Vermarktern, zeigt sich dieser Tage auch im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Eigentlich ist vereinbart, über den jüngsten Mandanten, den in Kürze startenden TV-Sender der "Bild"-Zeitung, zu sprechen. Doch ehe es dazu kommt, sprechen die beiden Visoon-Bosse erstmal ausgiebig über sich selbst. Während die neue Marke im Portfolio gewiss zusätzliche Arbeit macht, haben CEO Franjo Martinovic und CMO Kai Ladwig offenbar noch genügend Zeit, um sich in gleich zwei neuen Geschäftsfeldern zu versuchen.

"Wir möchten mehr sein als nur ein klassischer Vermarkter", sagt Martinovic. "Wir verstehen uns als Unternehmer im Unternehmen. Bei uns ist mehr Geschwindigkeit möglich als in vielen Konzernen, wir genießen mehr Freiheiten." Und Ladwig ergänzt: "Wir wollen eine gewisse Sexyness ausstrahlen, die andere Vermarkter nicht unbedingt haben." Aufgeladen mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein, soll Visoon nun auch zur Produktionsfirma und zum Modelabel werden. Solange die Zahlen im Kerngeschäft stimmen, scheinen die flamboyanten Manager eine Art Freibrief von ihren Gesellschaftern Axel Springer (51 Prozent) und ViacomCBS (49 Prozent) zu haben.

Dass Martinovic und Ladwig, die sich selbst "Nerds" nennen, ihre Karrieren als Werbezeitenvermarkter im Umfeld der TV-Talentschmieden NBC Giga, Viva und MTV begannen, inspiriert sie erklärtermaßen dazu, nicht mehr nur Inhalte Dritter zu vermarkten, sondern auch eigene zu produzieren. Ihr "FKK PDC"-Podcast, in dem sie seit Mai 2020 mit Gästen über Gott und die Welt plaudern, war ein erster kleiner Schritt. Inzwischen ist im Düsseldorfer Visoon-Büro ein TV-Studio eingerichtet, in dem gerade ein Pilot für eine neue "MTV Top 100"-Show entsteht und in dem künftig auch Spots für Werbekunden gedreht werden sollen. "Mit Visoon Entertainment möchten wir Talente entdecken und eigenes Inventar schaffen", so Martinovic. "Wir gehen das jetzt erstmal innovativ und leidenschaftlich an – ohne harten Businessplan und Benchmarking, ganz visoonlike."

Visoon Fashion © Visoon Schwarz-weißer Minimalismus: Für sein Fashionlabel hat Visoon ein eigenes Logo entworfen
Ähnlich hemdsärmelig laufen die ersten Schritte von Visoon Fashion, das von der bisherigen Kernkompetenz noch weiter weg ist. Ganz nebenbei hat die Belegschaft des Vermarkters eine Modekollektion entworfen, die aus nachhaltig produzierten, minimalistisch gehaltenen, schwarz-weißen Kleidungsstücken besteht. "Dass eine Modemarke komplett von einer Medienmarke gestaltet wird, hat es so noch nicht gegeben", jubelt Ladwig. Wie man den Partner für die Fertigung der Textilien fand, fügt sich perfekt ins Storytelling: Eine Visoon-Mitarbeiterin rief abends die Zentralnummer von Trigema an und hatte direkt Wolfgang Grupp am Telefon. Der war schnell überzeugt und machte ein gutes Angebot für die Herstellung kompostierbarer Klamotten. Voraussichtlich ab August soll Visoon Fashion über einen eigenen E-Commerce-Shop erhältlich sein, der vor allem über Social Media und freie Restwerbeflächen der Visoon-Gesellschafter beworben werden soll. "Warum muss es immer Amazon sein?", fragt Ladwig rhetorisch. "Eine Partnerschaft wie die mit Trigema zeigt uns klar, dass man viel mehr hierzulande umsetzen kann, als man gemeinhin denkt, wenn sich die richtigen Unternehmer zusammentun."

Merklich weniger auskunftsfreudig werden Martinovic und Ladwig, als die Sprache dann doch noch auf Springers neuen TV-Sender Bild kommt. Offiziell vorgestellt wird der Boulevardblatt-Ableger den Werbekunden am Montagnachmittag bei den Screenforce Days; als Starttermin steht der 1. August im Lizenzantrag bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Visoon ist für die TV- und "Big Screen Video"-Vermarktung zuständig, Digital- und Printwerbung verkauft nach wie vor der Springer-Vermarkter Media Impact. Um den Kunden Crossmedia-Pakete aus einer Hand anbieten zu können, ist man über die letzten Monate organisatorisch enger zusammengerückt. Martinovic und Ladwig sitzen jetzt auch in der Geschäftsleitung der Axel Springer All Media (ASAM), die alle Vermarktungsaktivitäten des Verlags bündelt.

"Bild ist die größte Medienmarke Europas, hat aber im TV die Innovationsfreude eines Start-ups"
Kai Ladwig, Chief Marketing Officer, Visoon Video Impact

Als es um das TV-Mandat für die 24-Stunden-Verlängerung des bisherigen Online-Video-Angebots "Bild Live" ging, fiel Springers Wahl dem Vernehmen nach aus zwei Gründen auf Visoon: Einerseits, weil man mit der Vermarktung des Nachrichtensenders Welt zufrieden sein kann – laut Martinovic hat Welt "bei den Werbeerlösen gerade sein erfolgreichstes Halbjahr seit Senderbestehen". Aber offenbar auch, weil man der größte Karpfen im kleinen Teich sein möchte. Angesichts der ansonsten engen Kooperation mit Bertelsmanns Ad Alliance, die seit Jahresbeginn für Media Impact auch das komplette Print- und Digitalportfolio von "Bild" verkauft, wäre es durchaus denkbar gewesen, den TV-Part an den Kölner RTL-Vermarkter zu geben.

Die Visoon-Chefs sind sich der Sonderstellung des neuen Mandanten jedenfalls bewusst: "Bild ist die größte Medienmarke Europas, hat aber im TV die Innovationsfreude eines Start-ups", sagt Ladwig. Und Martinovic ergänzt: "Mit ihrem einzigartigen Live-Charakter, meinungsstark, nah am Zuschauer, innovativ und stets unterhaltsam, steht die Marke in meinem Kopf irgendwo zwischen dem State-of-the-Art-Nachrichtensender Welt und der agilen Frische eines MTV." Momentan verkaufen ASAM und Visoon spezielle Startangebote, bei denen die Werbekunden schon in die Ankündigungsphase des Senders eingebunden werden. Neben klassischen TV-Spots und Sponsorings sollen auch die "Bild"-Volksprodukte eine wesentliche Rolle in der Vermarktung spielen. "Bei Bild haben wir sicher die Chance, Kunden davon zu überzeugen, mutiger zu sein und mehr auszuprobieren", frohlockt Ladwig.

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