Nach einem Jahr Pause, in dem sich einzelne Marktteilnehmer mit eigenen Online-Lösungen beholfen haben, sind die Screenforce Days als zentraler Event der Bewegtbild-Branche zurück - allerdings Pandemie-bedingt nur online. Einmal mehr also verbrachte man die Zeit im Home Office vor dem Notebook oder im Büro vor dem Computer. Einmal mehr versuchte ein Veranstalter, diesen Umstand so kurzweilig wie möglich zu gestalten.

Immerhin präsentiert sich hier die Bewegtbildbranche. Würde es genau dieser Branche nicht gelingen, via Bildschirm zu kommunizieren, wäre es bitter. Während das Rahmenprogramm sich noch bis einschließlich Donnerstag streckt, wo es u.a. um 13 Uhr noch ums Thema "B-VoD, quo vadis?" geht, so waren die eigentlichen Screenings der Gesellschafter am Montag und Dienstag gebündelt.

Vor zwei Jahren war das Trendthema noch die stolz vorgetragene Höhe der Content-Investitionen mit denen alle deutschen Marktteilnehmer den damaligen Schlagzeilen über die spektakulären Auftragsvolumen von Netflix und Co. begegneten. In diesem Jahr war es die gesellschaftliche Verantwortung und Relevanz des eigenen Angebots, die über die Maßen strapaziert wurde. Sich innerhalb von Screenings auffallend oft wiederholende Formulierungen lassen erahnen, wie diese Aussagen am gedanklichen Whiteboard fett unterstrichen wurden.

Bernd Reichart © Screenshot Screenforce Days Bernd Reichart
Die Mediengruppe RTL Deutschland sorgte erneut für den größten Aufschlag: War es 2019 eine neue Tonalität der betonten Lässigkeit, ist es diesmal der neue Markenauftritt, der von CEO Bernd Reichart ähnlich lässig vorgetragen als zentrale Botschaft hängen bleibt. Dass Sascha Schwingel neben einem übergroßen RTL-Logo übers Vox-Programm redete und alle Herren ihre Hosen drei Nummern zu lang wählten, sind mehr oder weniger wichtige Randnotizen eines Screenings mit tatsächlich vielen Neuigkeiten. Abgesehen von einem kurzen Einspieler zu Super RTL bzw. Toggo fehlte allerdings ein bisschen Witz, um über 75 Minuten "We make the world a better place" zu tragen.

Seven.One spielt "Wer bucht mir die Show?"

Immerhin aber hielt sich die Mediengruppe RTL Deutschland bei ihrer Präsentation an das vor Monaten kommunizierte Konzept der weißen Räume der gewählten Event-Location, aus dem die Veranstaltung in einer Hybrid-Form aus vorproduzierten Stücken und Entscheidern vor Ort bei Moderator Wolfram Kons, übertragen wurde. Das zweite große Screening scherte sich wenig um das Veranstaltungskonzept. Stattdessen gab es eine vorproduzierte Sonderausgabe von "Wer stiehlt mir die Show?", passend adaptiert als: "Wer bucht mir die Show?".

Wolfgang Link © ProSiebenSat.1 Wolfgang Link
Durch die Sendung, in der sich die im vergangenen Jahr neugeformte Seven.One Entertainment Group auch erstmals als solche präsentierte, führte Wolfgang Link - seines Zeichens verhinderter Schauspieler und Moderator, der ersatzweise als Geschäftsführer der Seven.One Entertainment Group fungiert. Zusammen mit den Seniorchefs und später den Vermarktern der neuen Gruppe zockte er im Set der ProSieben-Show - und die Neuigkeiten wurden eingebaut. Das war von einer etwas langen Andacht am Anfang abgesehen sehr launig - nutzte es doch erprobtes TV-Entertainment.

Licht und Schatten bei den kleinen Vermarktern

Visoon © Visoon
Bei den halbstündigen Screenings der kleineren Vermarkter gab es Licht und Schatten: Einmal mehr überzeugen konnten Visoon, diesmal nicht nur dank eines wieder humorvollen Auftritts, sondern auch nennenswerten Neuigkeiten von Welt und ersten Eindrücken vom neuen Bild TV im Gepäck. Jene Neuigkeiten waren es, die den Screenings von ARD Werbung Sales & Services sowie Disney Media Sales & Partnerships fehlten. Das Luxusproblem der ARD: Es brummt, da braucht man nicht viel ändern. Und doch hätte man mit der neuen "Sportschau"-Moderatorin Esther Sedlaczek eine Neuerung im vermarktbaren Programm besser nutzen können als nur in einer sehr kurzen Schalte. Stattdessen spielte Matze Knop ein bisschen Quiz mit Kai Pflaume, wie man es auch vor zwei Jahren hätte machen können.

Auch Disney blieb beim schon bekannten Mix aus ein bisschen Säbelrasseln mit der großen internationalen Strahlkraft der Marken von Disney und natürlich schicken Trailern aus Hollywood, dazu dann ein Talk zum weniger glamourösen deutschen Programm. Merkwürdig: Man hat für Disney+ zwei deutsche Serienproduktionen beauftragt, was gänzlich neu ist für Disney. Aber das wurde unter Wert verkauft bei der Präsentation. Klar, diese Serien können Werbekunden nicht buchen. Aber das können sie bei den großen Hollywood-Blockbuster von Disney auch nicht - und man gab trotzdem mit ihnen an.

Discovery macht Show - nur leider gibt's kein Publikum

Discovery setzte nach der Übernahme von Tele 5 im vergangenen Jahr diesmal ganz auf den Humor von Oliver Kalkofe. Eine einerseits charmante Idee, die andererseits aber leider einen Aspekt außer acht ließ: Es gab kein Publikum vor Ort. Ein Screening, aufgebaut wie eine klassische TV-Show mit einem Moderator, der versucht Gags rauszuhauen, ist ohne Reaktion des nicht vorhandenen Publikum schwierig. Ob das Schräge von Tele 5 zum sonst auch gerne anglo-amerikanisch selbstbewusst auftretenden Discovery als Weltkonzern für Factual Entertainment zusammenpasst, ist eine weitere offene Frage nach dem Screening. Dass Kalkofe sich in seiner "Mattscheibe" seit Jahrzehnten über Fernsehmacher lustig macht, gab der von ihm vorgetragenen Begeisterung über die Programm-News der Discovery-Sender einen Beigeschmack.

Ähnlich wie Visoon setzte auch RTLzwei bzw. El Cartel Media in einem vorproduzierten Einspieler wieder auf Humor und spielte die Reality-Karte. Neuigkeiten spielten keine Rolle, es war die Marke und ihr Versprechen, was transportiert werden sollte. Aus der Not eine Tugend gemacht. Die Partystimmung früherer Screenings sparte man sich in dem Online-Event - es wäre vermutlich schwer vermittelbar gewesen. Erwartbares gab es bei ServusTV, das vor allem seine jüngst erworbenen Sportrechte in den Mittelpunkt stellte - präsentiert natürlich von MotoGP-Moderatorin Eve Scheer. Im anschließenden Talk beschworen Sportrechte-Chef David Morgenbesser und Joanna Jarosz-Bahr, Bereichsleiterin Vermarktung, die Qualität des Programms und versprachen weitere Investitionen. 

Letztlich haben sich die Screenforce Days dank der vielen Bewegtbild-Experten und Entertainment-erprobten Häuser positiv abgehoben von der Vielzahl weitaus ernüchternder Online-Events der vergangenen Wochen und Monate. Aber bei aller Euphorie über technische Möglichkeiten und die Akzeptanz solcher zweifelsohne effizienteren Online-Events, wird nach diesen Tagen nochmal deutlich: Den Eskapismus eines physischen Events mit dem Ausbrechen aus dem Arbeitsalltag, der ungestörten Fokussierung, den persönlichen Gesprächen und auflockerndem Rahmenprogramm, können die seit der Pandemie etablierte Online-Veranstaltungsformen nicht bieten. 

Comeback von Kongressen und Events kommt

Es gehörte zum Zeitgeist der frühen Phase der Pandemie, von einer für immer veränderten Arbeitswelt zu reden. Insbesondere Silicon Valley-Unternehmen setzten sich sehr PR-wirksam als Revolutionäre in Szene, aber auch in der breiten Masse der Unternehmen mit Bürotätigkeit wurde - oft erstmals - die Erkenntnis gewonnen, dass Home Office eine echte Alternative ist und Video-Calls manches unnötige Treffen inklusive möglicherweise umweltunfreundlicher Anreise ersetzen können. 

Gerade weil im Arbeitsalltag ein Mehr an digitaler und standortungebundener Kommunikation bleiben wird, werden relevante Kongresse, Messen oder Events wie etwa die Screenforce Days oder die ANGA COM als tatsächlicher Treffpunkt, die eine Anreise rechtfertigen, in den kommenden Monaten bzw. Jahren eine Renaissance erleben, die heftiger ausfallen dürfte als von manchem gedacht. Die Sehnsucht ist da, weil Bewegtbild zwar viel kann, aber eben nicht alles.