Mit seiner Forderung, Journalistinnen und Journalisten der "Tagesschau" einer Gesinnungsprüfung zu unterziehen, hat Hans-Georg Maaßen vor wenigen Tagen für Empörung gesorgt. Und auch wenn der ehemalige Verfassungsschutzpräsident, der sich selbst in seinem Twitter-Profil als "nüchternen Realisten" bezeichnet, seine Aussagen später etwas revidierte - die Aufregung dürfte dem CDU-Mann nicht ungelegen gekommen sein, hat er sich mit seinem Auftritt in einer TV-Talkshow bei seiner südthüringischen Anhängerschaft, die ihm im Herbst zu einem Platz im Bundestag verhelfen soll, doch einmal mehr als Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks inszeniert.

Wirklich bemerkenswert an der Geschichte ist, dass Maaßens Auftritt nicht etwa in einem auf Hochganz polierten Fernsehstudio erfolgte, sondern vor einer kostengünstig zusammengebastelten Hauptstadt-Kulisse des für gewöhnlich nicht sonderlich relevanten Lokalsenders TV.Berlin. Dass zwischenzeitlich im Hintergrund ein Telefon klingelte, passt ins Bild dieser halbstündigen Sendung, die wahrscheinlich besonders dann verstörend wirkt, wenn man sich zuvor noch nie mit ihr befasst hat.

Als Moderator von "TV.Berlin Spezial", so der Titel, fungiert Peter Brinkmann, ein ergrauter, häufig nuschelnder Mann mit Doktortitel, der Günther Schabowski auf der weltberühmten Pressekonferenz 1989 die Frage nach der Maueröffnung gestellt haben soll: "Wann tritt das in Kraft?". Der Rest ist Geschichte. Heute ist Brinkmann "mehr Stichwortgeber als kritischer Journalist", wie das Magazine "Vice" im Frühjahr schrieb. Was das bedeutet, lässt sich anhand des Gesprächs mit Hans-Georg Maaßen ganz gut erkennen. Dieser sei "ein Gast, der bei vielen in der Republik als Staatsfeind Nummer eins gilt", moderiert Brinkmann den CDU-Politiker strahlend an, um danach über die Größe seines Wahlkreises, Thüringer Würste und Kümmel zu sprechen. "Ich sehe schon", sagt Brinkmann schießlich zufrieden, "Sie sind da schon zuhause."

Danach darf Maaßen dann über Spritkosten, Zuwanderung und die Öffentlich-Rechtlichen sprechen. "Es gibt so viele Themen, die die Menschen bedrücken", sagt er und erzählt irgendwann, was er so gar nicht leiden kann. "Ich lasse mir nicht von anderen Leuten vorschreiben, wie ich zu leben habe. Erst recht nicht von Leuten ohne Qualifikation und die ich schlichtweg für dumm halte." Moderator Peter Brinkmann äußert dafür Verständnis: "Ja", sagt er, "einfache These."

Manfred Brinkmann © TV.Berlin Peter Brinkmann in seiner Talkshow bei TV.Berlin.

Als das Gespräch auf Maaßens Kritik an der Flüchtlingspolitik und seine Forderung nach einem Untersuchungsausschuss kommt, springt Brinkmann seinem Gast erneut zur Seite. Warum die Politiker denn nicht auf den Verfassungsschutzpräsidenten gehört hätten, "obwohl sie doch wussten, was da kommt", fragt er beinahe emöprt und sagt dann, gerichtet an Maaßen: "Sie hatten doch Einblick!" Kurz vor der Werbepause folgt dann noch eine mehr oder weniger plumpe Wahlempfehlung: "Das wäre schon einer der Gründe, Hans-Georg Maaßen zu wählen in Wahlkreis 196 in Thüringen Suhl", findet Brinkmann, "damit ein Untersuchungsausschuss endlich das untersucht, was 2015 da alles passiert ist."

Nur für einen kurzen Moment gibt Brinkmann in seinem Talk den kritischen Fragensteller. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass Sie ein bisschen dick auftragen, wenn es gegen Journalisten geht", findet der Moderator, als es um die Kritik an ARD und ZDF geht. Doch die Möglichkeit, Maaßens Forderung der "Gesinnungsprüfung" ernsthaft zu hinterfragen, lässt er verstreichen. Vielmehr wirkt es, als könne Brinkmann der Idee eines "NDR-Untersuchungsausschusses" durchaus etwas abgewinnen.

"Aserbaidschanischer Regierungssender"

Der Eindruck mag damit zusammenhängen, dass Peter Brinkmann eher kein Problem damit zu haben scheint, wenn es um Regierungen geht, die es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht sonderlich genau nehmen. Ausführlich hat "Vice" vor Monaten aufgedröselt, wie TV.Berlin und Brinkmann in die Aserbaidschan-Affäre verwickelt sein sollen; wie der Moderator in Interviews, darunter mit der inzwischen verstorbenen CDU-Politikerin Karin Strenz, jegliche Distanz und kritische Nachfragen vermissen ließ.

Schon Jahre zuvor, türkische Unternehmer hatten den Lokalsender nach dessen nunmehr dritten Insolvenz gerade übernommen, wunderte sich der Medienjournalist Stefan Niggemeier über freundliche Aserbaidschan-Reportagen, nach deren Ansicht man nicht den Eindruck gewinnen konnte, dass es um ein autoritär geführtes Land handelt. Niggemeiers damalige Überschrift: "Der aserbaidschanische Regierungssender TV.Berlin". Laut "Vice" sollen seither immer wieder Sendungen ausgestrahlt worden sein, die indirekt von der Regierung Aserbaidschans bezahlt worden sind. Ohnehin ist nicht allzu viel über die Verhältnisse bei TV.Berlin bekannt. Als Chefredakteur fungiert Dursun Yigit, dessen Frau Seyhan wiederum als Geschäftsführerin geführt wird und über das Unternehmen ERB Medien auch am Kleinstsender bw family tv beteiligt ist. 

Der Sender selbst äußerte sich nicht zu der Aserbaidschan-Connection und ließ nun auch eine DWDL.de-Anfrage zu der viel beachteten Maaßen-Sendung unbeantwortet. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident war derweil vor weniger als zwei Monaten auch der erste Gast in einer neuen Talkshow, mit der der Publizist Roland Tichy bei TV.Berlin recht nahtlos an sein nicht unumstrittenes Online-Portal anzuknüpfen versucht. Maaßen befand sich in guter Gesellschaft, denn neben ihm saß auch Uwe Steimle, der einmal ein gefragter Schauspieler war und in der Vergangenheit nicht nur Deutschland als "besetztes Land" bezeichnete, sondern mehrfach die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Frage stellte, bis sich der MDR schließlich von ihm trennte. 

Dass "Tichys Ausblick" direkt nach Brinkmanns Sendung läuft, dürfte TV.Berlin zu einem ganz ordentlichen Audience Flow verhelfen. "Wir wollen mit der neuen Sendung die grassierende Cancel-Kultur durchbrechen", sagte Tichy vor dem Start seiner Show und Chefredakteur Dursun Yigit sprach davon, "mit dem Format der Stimme der schweigenden Mehrheit ein Forum bieten" zu wollen. Man kann davon ausgehen, dass das bei TV.Berlin nicht nur für die Tichy-Show gilt. Einer, der Gesinnungsprüfungen für Journalistinnen und Journalisten fordert, kommt da als Gast wohl gerade recht.

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