Keine zwei Jahre waren vergangen, seit Discovery den Sportsender Eurosport übernahm, da überraschte der US-Konzern mit einem gewaltigen Deal: Für rund 1,3 Milliarden Euro sicherte sich Discovery die paneuropäischen Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele zwischen 2018 und 2024 - und ARD und ZDF schauten bedröppelt in die Röhre. Neben den Fußball-Welt- und Europameisterschaften war Olympia über Jahrzehnte hinweg ein fester Bestand des öffentlich-rechtlichen Programms; ein echter Quoten-Garant bei Jung und Alt. Und auch wenn Discovery Gesprächsbereitschaft zeigte, deutete lange Zeit einiges darauf hin, dass diese Ära ein jähes Ende finden würde. Nicht um jeden Preis, so machten die Verhandlungsführer von ARD und ZDF klar, werde man sich auf einen Deal einlassen.

Fast schon schien es, als hätten sich die Öffentlich-Rechtlichen mit dem Rechteverlust abgefunden, erfolgte wenige Monate vor den Winterspielen 2018 doch noch eine Einigung zwischen Discovery und ARD und ZDF - "im Sinne des Zuschauers", wie Deutschland-Chefin Susanne Aigner damals betonte. Und so teilen sich die Öffentlich-Rechtlichen seither hierzulande die Olympia-Übertragungen mit Discovery, was dem US-Riesen ein paar Millionen Euro einbrachte und ARD und ZDF ein paar Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Auf Kosten von Eurosport. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Ein großer Quoten-Erfolg ist Olympia für den von Discovery betriebenen Spartenkanal in Deutschland nicht. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass schon seit Jahren versucht wird, Eurosport als "Home of the Olympics" zu positionieren.

Bereits bei den Winterspielen vor drei Jahren hatte Eurosport im Olympia-Monat Februar weniger als einen Prozent Marktanteil erzielt. Die parallelen Übertragungen bei TLC fanden zudem fast gar kein Publikum, sodass Discovery den Frauensender bei den diesjährigen Sommerspielen logischerweise nicht noch einmal zum Sportkanal umfunktionierte. Und auch diesmal fällt die Zwischenbilanz nach etwas mehr als einer Woche eher ernüchternd aus: Während ARD und ZDF mit ihren umfangreichen Übertragungen ein Millionenpublikum und Marktanteile von mehr als 30 Prozent in der Spitze erreichen, schalten bei Eurosport tagsüber im Schnitt kaum mehr als 100.000 Menschen ein. Das olympische Motto "Dabeisein ist alles", es könnte also auch für Eurosport gelten.

"Bewusst anders sein"

Gernot Bauer © Discovery Gernot Bauer
Gernot Bauer, Head of Sports bei Eurosport in Deutschland, übt sich dennoch in Optimismus. "Unser Zwischenfazit ist sehr positiv - gerade auch unter dem Aspekt, dass die Produktionsbedingungen für alle, die Olympia unter Covid-Bedingungen produzieren, schwieriger sind als wir alle es uns vorgestellt hatten", sagt er gegenüber DWDL.de. "Inhaltlich bin ich sehr zufrieden: Wir wollen bewusst anders sein und deshalb ist unser Konzept dynamischer und schneller als bislang gewohnte Olympia-Übertragungen." 

Richtig ist aber eben auch, dass ARD und ZDF trotz der Pandemie bisweilen näher dran sind am Geschehen: Während Eurosport in seinem Münchner Greenscreen-Studio eine künstliche Tokio-Atmosphäre herstellt, sitzen Jessy Wellmer oder Rudi Cerne tatsächlich in der japanischen Hauptstadt - im gläsernen Studio mit Blick auf die echte Skyline. "Vor Ort in München sind wir mit viel Leidenschaft, Engagement und Spaß zu einer richtigen 'Olympia-Familie' geworden", sagt Gernot Bauer dagegen und verweist auf die "Big in Japan"-Show Fabian Hambüchen und Gerhard Leinauer, die für ihn "ein echter Hingucker" ist. "Dazu kommen die speziellen Momente, die der Fan so nur bei Eurosport bekommt - wie den Olympiasieg von Alexander Zverev kommentiert von Bruder Mischa als Experte inklusive Reunion im Eurosport Cube." Allein, es bekommt fast keiner mit.

Olympia 2021 bei Eurosport © Screenshot Eurosport Die Technik macht's möglich: Eurosport "beamt" Olympiasieger Alexander Zverev ins Münchner Studio

Dass der Olympia-Einstieg von Discovery ein guter Deal war, darf mittlerweile bezweifelt werden. Verglichen mit den zwölf Milliarden US-Dollar, die NBC für die US-Übertragungsrechte von zehn Olympischen Spielen bezahlt hat, wirken die 1,3 Milliarden Euro für die exklusiven Rechte in 50 europäischen Ländern geradezu wie Peanuts. Gleichzeitig bekommen das Internationale Olympische Kommitee (IOC) und auch das Publikum die Auswirkungen mehr und mehr zu spüren - weniger in Deutschland, wo ARD und ZDF durch das lange Zögern im Poker mit Discovery gute Konditionen für das lineare Fernsehen, aber auch die Online-Livestreams für sich herausgeschlagen haben. Vielmehr herrscht mittlerweile in vielen anderen Ländern, in denen sich Discovery ebenfalls mit lokalen Sendern geeinigt hat, vermehrt Unmut. 

Europäischer TV-Flickenteppich

Während das IOC im Rahmen seines Abkommens mit Discovery 200 Stunden frei empfangbare Berichterstattung über alle Sommerspiele garantierte, ist die Schlüsselfrage für das europäische Publikum, wie viele olympische Veranstaltungen wann live zu sehen sind. In Italien etwa besitzt Rai keinerlei Streaming-Rechte und muss die Übertragungen schon mal knallhart unterbrechen, wenn es anderswo spannend wird - beim Wasserball-Match zwischen Italien und Griechenland sahen die Zuschauerinnen und Zuschauer plötzlich in die Röhre, weil plötzlich der Kanuslalom, bei dem Italien ebenfalls vertreten war, Vorrang hatte. Anders als ARD und ZDF konnte Rai jedoch nicht auf die Mediathek verweisen. Die Folge war ein gehöriger Shitstorm, dem sich der italienische Sender ausgesetzt sah.

Ernüchterung herrscht längst auch in Großbritannien, wo die BBC nach ihrer Einigung mit Discovery auf nur noch zwei Live-Feeds beschränkt ist, nachdem das Publikum bei den Olympischen Spielen in London und Rio noch die Wahl aus einer Vielzahl an Streams hatte. Hier rächt sich nun, dass die BBC laut dem US-Branchendienst "Variety" bei den Verhandlungen vor fünf Jahren unter enormen Druck stand, weil Discovery damit gedroht haben soll, die Rechte an den privaten Konkurrenten zu lizenzieren. Für die BBC, die seit 60 Jahren die Olympischen Spiele überträgt, wäre der Verlust einer katastrophalen Niederlage gleichgekommen, heißt es. 

Das Dilemma: Durch all die einzelnen Deals, die Discovery mit den verschiedenen Sendeanstalten schloss, ist ein olympischer TV-Flickenteppich in ganz Europa entstanden. Das ist wohl nicht im Sinne des IOC, das nun wiederum den Sponsoren erklären muss, warum das europäische Publikum weniger in Kontakt mit den Spielen kommt als in der Vergangenheit. Zumal Eurosport abseits von Deutschland als reiner Pay-TV-Sender positoniert ist. Für Discovery dürfte sich die Investition zumindest finanziell gelohnt haben, wenngleich fraglich ist, ob Olympia auf die eigenen Marken einzahlt. So wie in Deutschland, wo der Quoten-Schub für Eurosport ausblieb und der Spartenkanal an keinem der bisherigen Wettkampf-Tage zu den 20 meistgesehenen TV-Sendern zählte. 

Kooperationen mit Tiktok und Snapchat

Dass es Eurosport in Deutschland nicht besser gelingt, ebenso wie ARD und ZDF als Olympia-Sender wahrgenommen zu werden, führt Gernot Bauer indes auch auf die Tradition zurück. "Gegen Jahrzehnte an Sehgewohnheiten kommt man nur mit neuen, innovativen und für manche vielleicht auch ungewohnten Ideen an, und auf diesem Weg sind wir ein großes Stück weitergekommen", findet der Eurosport-Sportchef und verweist gegenüber DWDL.de auf Veränderungen in der Positionierung des Spartensenders. "Wer bei uns vorbeischaut, findet ein anderes Eurosport vor als das, was er vielleicht im Kopf oder in Erinnerung hat. Wir sehen, dass wir unser Stammpublikum halten. Gleichzeitig ist es erfreulich, dass uns unsere großen Produktionen jüngere Seher bringen."

Ziel sei es, "die Marke Eurosport wieder stärker bei den Jüngeren zu verankern und daher sind Kooperationen wie mit Tiktok, Snapchat, Twitter für uns der richtige Weg", erklärt Gernot Bauer gegenüber DWDL.de. "Gerade hier erschließen wir eine neue Zielgruppe, die Olympia nicht linear verfolgt, sich vielleicht noch nie für die Spiele begeistert hat und jetzt das Sportereignis für sich entdeckt." 

Doch bei allem Engagement in der digitalen Welt, stellt sich mit Blick auf die lineare Verbreitung von Eurosport vor allem eine Frage: Wieso sollten Olympia-Fans die Spiele eigentlich bei Eurosport in grisseliger SD-Qualität sehen, während ARD und ZDF ein gutes HD-Bild ins Wohnzimmer liefern - erst recht, wenn Eurosport dieselben Wettbewerbe überträgt? "Es spielt in meinen Augen keine große Rolle, ob dasselbe Event läuft oder ein anderer Wettbewerb", meint Gernot Bauer. "Wer HD sehen will, wird Olympia in HD finden." Er verweist darauf, dass Eurosport via HD+ sogar in Ultra-HD und darüber hinaus auf vielen Plattformen in HD zu sehen ist, etwa im kostenpflichtigen Livestream beim hauseigenen Streamingdienst Joyn. Was er nicht sagt: Nur wenige Klicks weiter zeigt Joyn auch Olympia bei ARD und ZDF. In HD und ohne Aufpreis.