Die Zeiten, in denen ein Fußballspiel bloß ein Fußballspiel war, sind lange vorbei. Keine Woche vergeht, ohne dass ein eine Begegnung zum Kracher oder Topspiel aufgeblasen wird, auch wenn sich die Partie am Ende doch bloß als lauer Sommerkick entpuppt. Parallel zu den Superlativen sind in den vergangenen Jahren die Einnahmen gestiegen, die Ligen und Verbände mit dem Fußball erwirtschaften. Innerhalb kürzester Zeit ist es etwa der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gelungen, ihre Medienerlöse von rund 400 Millionen auf 1,4 Milliarden Euro pro Jahr zu steigern.

Parallel dazu wuchs auch der Aufwand, der bei der Produktion der TV-Übertragungen betrieben wird. Zu beobachten war das vor einer Woche, als in Dortmund der sportlich eher unwichtige Supercup ausgerichtet wurde. Gleich 37 Kameras kamen an jenem Abend zum Einsatz. Zusätzlich zu den 26 Kameras, die die DFL-Tochter Sportcast ab dieser Saison bei 67 Bundesliga-Spielen verwendet, wurden im Stadion neun weitere aufgebaut, um den Supercup im Bildformat 9:16 zu produzieren, das Sat.1 über den TikTok-Kanal von seiner Sportmarke "ran" verbreitete.

Andreas Heyden © DFL/Getty Images/Boris Streubel Andreas Heyden
Erste Experimente im Hochkant-Format hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben, doch der Supercup war der weltweit erste Live-Test dieser Art - mitsamt eigener Regie. Das Ergebnis war ungewohnt, funkionierte auf Smartphones aber erstaunlich gut, wenngleich unklar ist, ob sich 9:16-Übertragungen perspektivisch wirklich durchsetzen werden. "Das ist eine Wette auf die Zukunft", erklärt Andreas Heyden, Executive Vice President Digital Innovations bei der DFL Group, die derartige Wetten dann auch selbst finanziert. Ziel sei es, mehr herauszufinden über die sich verändernden Sehgewohnheiten der nachwachsenden Generation.

Dazu gehört allerdings längst nicht nur die Idee, ein Fußballspiel im Hochkant-Format zu produzieren. Neu war an besagtem Abend auch die sogenannte "Star-Cam", die mithilfe von Live-Trackingdaten vollautomatisch wahlweise Robert Lewandowski und Erling Haaland folgte. Diese Kamera ist die Reaktion auf den zunehmenden Wunsch der sogenannten "Generation Z" nach mehr Personalisierung, soll aber auch bei der Auslandsvermarktung helfen. Die simple Hoffnung: Wenn beispielsweise ein japanischer Spieler von der "Star-Cam" begleitet wird, könnten diese Bilder für das japanische Fernsehen von besonderem Interesse sein. Dass bald sämtliche Kameras vollautomatisch laufen werden, glaubt Andreas Heyden jedoch nicht: "Wir wollen nicht die Menschen abschaffen", versichert der DFL-Manager.

Bei den technischen Innovativen blicken die deutschen Fußball-Verantwortlichen vor allem auf die amerikanischen Ligen. "Das mss unsere Benchmark sein", sagt DFL-Direktor Steffen Merkel und verweist etwa auf die neue Railcam, wie sie in der Vergangenheit schon bei der Baseball-Liga MLB verwendet wurde. Auf einer 30 Meter langen Schiene soll die Railcam ab sofort auch in der Bundesliga für dynamische Kamerafahrten bis zur Eckfahne sorgen. Ebenfalls neu ist eine 8K-"Cinecam", die mit Tiefenschärfe einen Kinolook herstellen soll, so wie das auch beim diesjährigen SuperBowl der Fall war.

Wer erinnert sich noch an 3D?

Alexander Günther © DFL/Getty Images/Boris Streubel Alexander Günther
Serienmäßig kommt bei den jährlich knapp 70 im sogenannten "Topspiel+"-Produktionsstandard übertragenen Bundesliga-Partien neuerdings auch eine Spidercam Verwendung. Eckfahnenkamera sowie eine Kamera im Innenraum wurden ebenfalls im Vergleich zur Vorsaison neu eingeführt. Welch großer Aufwand bei der Produktion inzwischen betrieben wird, zeigt der Blick ins Dispositionsbuch des Supercups, das satte 34 Seiten umfasste. "Das fühlt sich ein wenig an wie ein Innovationsspiel", sagte Sportcast-Geschäftsführer Alexander Günther, der die gesamt Medienproduktion der Bundesliga verantwortet, im Vorfeld beim Gang durch das Dortmunder Stadion.

Dass sich nicht jeder Test bewährt, weiß man derweil auch bei der DFL nur allzu gut. So ist die anfängliche 3D-Euphorie schnell verflogen - die letzte dreidimensionale Bundesliga-Übertragung liegt bereits fünf Jahre zurück. "Technik ist kein Selbstzweck", erklärt Günther. Dementsprechend ist auch völlig unklar, ob die jüngst ausprobierte 9:16-Übertragung jemals zum Standard von Bundesliga-Produktionen gehören wird. Für sogenannte Augmented-Reality-Übertragungen, die die DFL ebenfalls im Umfeld des Super Cups testete, gilt das wohl erst recht. Sich mittels einer kleinen Brille zusätzliche Informationen während des Spiels zu holen, wirkt zwar innovativ - aber eben auch ziemlich ungewohnt. 

Im krassen Gegensatz zu all den Spielereien mit Kameras und neumodischen Brillen steht übrigens das sogenannte "Tactical Feed", das schon seit einigen Jahren bei den Sky-Topspielen zum Einsatz kommt und 90 Minuten lang ohne einen einzigen Schnitt auskommt, weil stets das gesamte Spielfeld ins Visier genommen wird. Bis zu 250.000 Fans wollen das sehen - und geben dieser Einstellung den Vorzug vor der aufwändigen Übertragung mit ihren mehr als 20 Kameras. Manchmal, so scheint es, ist weniger also tatsächlich mehr. Das weiß auch Alexander Günther. Am Ende, sagt der Sportcast-Chef, müsse man sich bei der Einführung von Innovationen stets aus Sicht des Fans fragen: "Ist das was?"