Als sich die ARD dazu entschied, Einsfestival in One umzubenennen, fristete der Kanal selbst für Spartensender-Verhältnisse ein tristeres Dasein als es die verspielte Ananas-Optik vermuten ließ. Monat für Monat lag der Marktanteil bis dato bei kaum mehr als einem halben Prozent, was auch deshalb etwas kläglich erschien, weil der öffentlich-rechtliche Mitbewerber namens ZDFneo schon damals regelmäßig über zwei Prozent erzielte. Auf den Tag genau fünf Jahre ist es jetzt her, dass der schon immer verkrustet anmutende Name Einsfestival von der Bildfläche verschwand, doch rückwirkend betrachtet war es wohl eine ziemlich kluge Entscheidung. Langsam, aber sicher ist es den Verantwortlichen beim WDR in Köln seither gelungen, die Quoten auszubauen. Aktuell bewegt sich One schon den fünften Monat in Folge über der Marke von einem Prozent - das gab es noch nie.

"Diese fünf Jahre sind eine kleine Erfolgsgeschichte, besonders im Non-Linearen", sagt Ingmar Cario, der seit Ende 2018 die WDR-Hauptabteilung Programmmanagement Fernsehen leitet und in dieser Funktion auch den kleinen Spartensender verantwortet. Tatsächlich ist One nicht nur im klassischen Fernsehen gewachsen. "Wir sind in einer unterstützenden Funktion und leisten unseren Beitrag für die wachsende Akzeptanz der ARD im Netz", so Cario im Gespräch mit DWDL.de. Dazu passt, dass die eigenständige One-Website schon vor geraumer Zeit abgeschaltet wurde. Wer online nach dem Sender sucht, landet direkt in der ARD-Mediathek, wo der One-Channel zu den stärksten gehört, wie Cario betont. Alleine in den vergangenen zwei Jahren haben sich die Abrufzahlen von One in der Mediathek verfünffacht. 

Der Erfolg mag auf den ersten Blick verwundern, immerhin setzt sich das Programm von One tagsüber zu weiten Teil aus Wiederholungen alter Filme und Serien zusammen; aktuell gibt es eine etwas krude Mischung aus "Sturm der Liebe", "Weissensee" und der über 50 Jahre alten Krimireihe "Polizeifunk ruft" zu sehen. Abends verändert sich jedoch die Ausrichtung. Da laufen dann plötzlich "Doctor Who", "extra 3" oder die junge Talkshow "deep und deutlich" zur besten Sendezeit. Vor allem Serien haben es Ingmar Cario angetan. One, einst ein als Fernsehsender verkleideter Gemischtwarenladen, sei "eine kleine Fiction-Zentrale" geworden, die vor allem durch Lizenzankäufe deutlich mehr Content für die Mediathek generieren könne als andere ARD-Partner.

Ingmar Cario © WDR/Linda Meiers Ingmar Cario
Dass die Zuschauerzahlen internationaler Serien in der Regel überschaubar sind, stört den TV-Manager wenig. "Mit den Serien, die wir ankaufen, erzielen wir im normalen TV-Programm meist keine Spitzen-Quoten", räumt Ingmar Cario ein. "Wenn wir ausschließlich auf den linearen Mega-Erfolg programmieren würden, dann müssten wir so viele Krimis wie möglich heranschaffen. Andere machen das, aber unser Anspruch ist das nicht." Es ist ein kleiner Seitenhieb gegen ZDFneo, das mit Wiederholungen von Krimis aus dem Hauptprogramm nicht selten so manch großen Sender hinter sich lässt.

"Wir haben uns bewusst entschieden, auf eine Mischkalkulation zu setzen", erklärt Cario die One-Strategie. "Wir versuchen, ein profiliertes lineares Programm zu machen, in dem nicht nur Krimis laufen, sondern auch Serien, die Sie sonst nicht sehen können. Das geschieht aber um den Preis, dass sie linear nicht an der Spitze der Quotencharts stehen - was aber okay ist, weil sie dafür in aller Regel in der Mediathek ihr Publikum finden." Geld nur dafür auszugeben, um das lineare Programm zu stärken? "Das mache ich nicht."

Auf diese Weise schaffte es vor einigen Monaten etwa die dänische Serie "Sex" ins Programm von One. Dort war sie zwar kein Hit, doch dafür performte sie in der Mediathek mit mehr als zwei Millionen Abrufen umso besser. Das ist ein schöner Erfolg, gemessen daran, dass das jährliche One-Budget einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag beträgt. Große Sprünge sind damit nicht drin. "Der finanzielle Rahmen, den wir haben, ist endlich", weiß Ingmar Cario. "Dennoch versuchen wir viele Dinge anzuschieben, etwa in Form von Koproduktionen." So wie bei der humorvollen Politserie "Parlament", für die One in diesem Jahr prompt seinen ersten Grimme-Preis erhielt. Eine zweite Staffel ist schon in Planung und generell will sich der Sender in diesem Bereich künftig noch stärker engagieren.

"Browser Ballett" und weibliche Comedy

Dass Ingmar Cario ein Herz für Serien hat, bewies bereits die ambitionierte Talkshow "Seriös", auch wenn damit schon wieder Schluss ist. "Die Leute wollen Serien gucken, aber nicht zwangsläufig sehen, wie andere Leute über Serien sprechen", so das Fazit des One-Chefs, der aber auch weiterhin in Eigenproduktionen investieren möchte. Neben der etablierten Talkshow mit Katrin Bauerfeind arbeitet der Spartensender aktuell etwa daran, den Bereich Female Comedy zu stärken. Gerade erst hat One einen Pitch veranstaltet, der in einen Workshop mit mehreren Comedy-Autorinnen mündete. Fünf von ihnen entwickeln nun gemeinsam eine Pilotfolge für ein neues Format.

Daneben hat sich der kleine Sender finanziell auch an der neuen "Browser Ballett"-Staffel beteiligt, was dazu führt, dass die nächsten Folgen des Satire-Formats ab Ende Oktober zunächst donnerstags um 20:15 Uhr bei One parallel zur Mediathek ihre Premiere feiern werden - zwei Tage vor der Ausstrahlung im Ersten. "Wenn man weiß, wo wir herkommen, ist das eine kleine Revolution", findet Ingmar Cario, der sich über die Offenheit der neuen ARD-Programmdirektion freut, "die viel stärker in der ARD-Flotte denkt". Entsprechend eng ist der Austausch mit dem Channel Manager Florian Hager. "Er weiß, was er an uns hat", ist Cario überzeugt.

 

Wenn man unter den jetzigen Bedingungen die lineare Ausstrahlung von One beenden würde, dann bliebe also auch nichts für das Non-Lineare übrig.
Ingmar Cario

 

Und dennoch schwebt über One das Damoklesschwert - erst recht, seit WDR-Intendant Tom Buhrow den linearen Sender vor einiger Zeit mehr oder weniger deutlich für verzichtbar erklärte. Die ARD müsse sich der Frage stellen, wie hoch der Wert eines Marktanteils von etwas einem Prozent sei, mahnt Ingmar Cario. Doch selbst der One-Chef kann sich vorstellen, dass es seinen Sender irgendwann nicht mehr geben wird. "Wir müssen uns der Diskussion stellen - und man kann sie auch gut führen", sagt er im Gespräch mit DWDL.de. "Unsere Zukunft liegt langfristig definitiv im Non-Linearen. Nicht mehr nur die jungen Menschen, sondern auch die Menschen mittleren Alters schauen mehrheitlich zeitversetzt. Dieser Realität müssen wir uns auch bei One stellen."

Es sei jedenfalls "kein Selbstzweck, dass es die Marke und den Sender gibt", fügt er dazu. "Und wenn man zu dem Schluss kommt, dass es Sinn ergibt, One nur noch non-linear zu verbreiten und es den Rahmen dafür gibt, dann müsste man das sportlich sehen." Besagten Rahmen aber gibt die Politik vor - und dieser sieht momentan vor, dass zugekaufte fiktionale Ware aus Europa nur dann in die Mediathek gestellt werden darf, wenn sie zuvor linear ausgestrahlt wurde, was eine ziemlich althergebrachte Denke offenbart. "Wenn man unter den jetzigen Bedingungen die lineare Ausstrahlung von One beenden würde, dann bliebe also auch nichts für das Non-Lineare übrig", sagt Ingmar Cario. 

Dabei würden die One-Inhalte, so ist Cario überzeugt, "ganz dringend auch im Non-Linearen" gebraucht. Um die Marke One mache er sich daher keine Sorgen. "One hat in jedem Fall eine Zukunft." Bis Ende des Jahres soll aber erst mal eine neue Senderoptik eingeführt werden. Ein "klassisch-modernes Design, das dem Anspruch an hochwertige Fiction und Unterhaltung stärker gerecht wird", soll es werden, kündigt Cario an und verspricht: "Die Ananas hat ausgedient."