Eifersucht, Liebe, Streit, Partys und viele Tränen. Wer auch nur einige der inzwischen mehr als 2600 Episoden von "Berlin - Tag & Nacht" gesehen hat, weiß, welch hohes Tempo in der Serie angeschlagen wird. Zehn Jahre ist es nun her, dass die erste Folge bei RTLzwei über den Sender ging, und nur wenige dürften damals daran geglaubt haben, dass die Serie jemals dieses runde Jubiläum feiern würde. Zu hektisch, zu wenig glamourös und vor allem: keine echten Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern Laien vor der Kamera.

Alles begann mit einer WG in der Schlesischen Straße, also mittendrin im Berliner Leben. Hier hatte Filmpool Entertainment eine Location gemietet, in der die Darstellerinnen und Darsteller anfangs sogar noch übernachteten. Und dann ging es auch schon los. "Wir haben einfach nur die Kamera draufgehalten", erinnert sich Vittorio Valente, Geschäftsführer der Produktionsfirma, im Gespräch mit DWDL.de. "Der Realisator hatte nur die Aufgabe, die Leute zu briefen. Die Kamera durfte keine erwartende Kamera sein, sondern nur der Handlung folgen. Dadurch waren die Takes manchmal irre lang, was es in der Postproduction nicht einfach machte."

Vittorio Valente © Filmpool Produzent Vittorio Valente
Das kann doch nicht gutgehen, befanden zunächst nicht wenige Skeptiker. Und tatsächlich sprach in den ersten Tagen und Wochen einiges dafür, dass sie recht behalten würden. "Das Format hat nicht sofort gezündet. Im Gegenteil, die Quoten waren katastrophal", so Valente. Und doch gab es die berechtigte Hoffnung, dass sich der Erfolg doch noch einstellen würde. Grund war die Facebook-Seite, auf der trotz der zunächst überschaubaren TV-Reichweiten "die Post abging", wie Valente sagt. "Wir konnten minütlich die Seite neu laden und erhielten tausende neue Likes."

Auf diese Weise entwickelte sich dann auch die lineare Ausstrahlung bei RTLzwei mit der Zeit zum Erfolg - mit Marktanteilen von 30 Prozent und mehr beim ganz jungen Publikum. Dass sich "Berlin - Tag & Nacht" bis heute am Markt gehalten hat, hängt also auch mit dem berühmten langen Atem zusammen. "RTLzwei hat direkt 100 Folgen bestellt, ohne Marktforschung - und dann ging es direkt los", sagt Produzent Vittorio Valente, der sich sicher ist: "Wären nur 20 Folgen in Auftrag gegeben worden, würde es das Format heute mit Sicherheit nicht mehr geben. Mittlerweile sitzt das Geld bei allen Sendern nicht mehr so locker, und ein bisschen Glück gehört bekanntlich auch dazu."

Berlin - Tag & Nacht © RTLzwei Szene aus der XXL-Jubiläumsfolge: Ausgerechnet am Hochzeitstag kommt es für Joe zu einer überraschenden Begegnung. Panisch türmt er mit dem Bräutigamswagen und lässt Paula einfach stehen. Nach einer Aussprache will er schnellstens zurück - doch das Auto springt nicht an.

Den richtigen Riecher hatte zunächst allerdings gar nicht Filmpool, sondern Holger Andersen, der zum damaligen Zeitpunkt als Programmdirektor bei RTLzwei tätig war und mit dem Gedanken liebäugelte, eine Dailysoap in der Hauptstadt zu machen - ausgerechnet in Konkurrenz zu etablierten Formaten wie "Alles was zählt" und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Bis dato hatte Filmpool für den Sender die "X Diaries" produziert und darin Woche für Woche abgeschlossene Geschichten erzählt. "Dennoch fehlte es uns bei Filmpool zunächst an Dailysoap-Expertise", so Valente. "Dementsprechend fühlte sich der Pilot an wie eine Reality - was nicht ganz zufällig war, weil es die Hoffnung gab, ein Nachfolgeformat für 'Big Brother' entwickeln."

Dass sich "Berlin - Tag & Nacht" optisch deutlich von klasisschen Soaps unterschied, trug letztlich wohl auch zum dauerhaften Erfolg bei. "Sicherlich war der Look auch dem geringeren Budget geschuldet", sagt der Filmpool-Chef, "aber das führte dazu, dass man sich mehr mit den Charakteren verbunden fühlte als das bei anderen Soaps der Fall ist, in denen deutlich mehr Glow auf der Kamera liegt." Je echter sich die Storylines anfühlen, so die damalige Annahme, desto erfolgreicher könnte es werden. 

Und genau so sollte es dann auch kommen, was sich dann auch auf der Straße bemerkbar machte. "Als wir mit den ersten 'BTN'-Darstellern durch Berlin gelaufen sind, war das ein unfassbares Erlebnis, weil uns die Fans in Scharen hinterhergelaufen sind", erinnert sich Vittorio Valente. "Plötzlich versammelten sich hunderte Leute vor der WG oder am Hausboot und sprachen die Darstellerinnen und Darsteller mit Rollennamen an, weil sie davon ausgingen, sie spielten sich selbst." Das habe sich im Programm bis heute allerdings deutlich verändert. "Heute weiß jeder, dass 'Berlin - Tag & Nacht' nicht echt ist", sagt der Produzent im Gespräch mit DWDL.de und schiebt lachend hinterher: "Ich hoffe es zumindest."

 

"Es gibt Leute, die kennen das Programm nicht aus dem linearen Fernsehen."
Vittorio Valente, Geschäftsführer von Filmpool Entertainment


Dass die klassischen TV-Quoten von "Berlin - Tag & Nacht" und dem wenig später gestarteten Ableger "Köln 50667" inzwischen deutlich rückläufig sind, ist ihm und den Verantwortlichen von RTLzwei wohl bekannt. Doch die Soaps finden ihr Publikum längst auch auf anderen Plattformen wie Snapchat oder TikTok, wo "BTN" gar in den Top 10 angekommen ist. Im Juli hätten es beide Serien auf 100 Millionen Kontakte gebracht, freut man sich in Hürth, wo Filmpool seinen Sitz hat. "Es gibt Leute, die kennen das Programm nicht aus dem linearen Fernsehen", sagt Valente.

Kein Wunder also, dass seine Firma die Manpower, die all die Kanäle bestückt, über die Jahre hinweg verdoppelt hat. "Aus einer Piratenshow hat sich ein gigantisches Organigramm entwickelt", sagt Valente. "Wenn ich mir das anschaue, wird mir manchmal ein bisschen schwindelig." Als größte Herausforderung bezeichnet er es, das Stammpublikum zu halten und gleichzeitig neue Fans zu gewinnen. "Wir werden versuchen, das lineare Programm ein wenig älter zu gestalten, um die mitgewachsene Zielgruppe weiter abzuholen. Auf der anderen Seite wollen wir junge Themen anbieten, die auf den anderen Kanälen funktionieren. Das Ziel ist es, die Serie auch in der Zukunft auf allen Plattformen maximal zu kapitalisieren."

Keine Hilfe war die Corona-Zeit, die "sehr wehgetan" habe, wie Vittorio Valente einräumt, "weil es plötzlich schwer war, den Alltag der jungen Menschen abzubilden". Laute Partys, Küsse, Körpernähe - all das, was die Geschichten von "BTN" auszeichnet, war plötzlich kaum mehr möglich. "Die Hygienekonzepte haben dazu geführt, dass die wilden Szenen, von denen 'Berlin - Tag & Nacht' lebt, über einen langen Zeitraum nicht stattgefunden haben. Das hat man auch gemerkt. Dennoch war die Zielgruppe so treu, dass sie es ein Stück weit verschmerzt hat."

Relaunch bei "Köln 50667"

Doch Filmpool hat die Zeit genutzt, um an seinen beiden Dailysoaps zu arbeiten. So wurde bei "Köln 50667" die Kamera umgestellt, um die Serie "etwas wertiger zu gestalten und den Sehgewohnheiten junger Menschen dadurch mehr zu entsprechen", erklärt Vittorio Valente. "Inzwischen lösen wir die Szenen auch ein Stück weit auf, um an den Emotionen näher dran zu sein." Früher wäre das noch undenkbar gewesen. Für die nächsten Wochen kündigt er gegenüber DWDL.de zudem einen Relaunch der Serie an, für den Filmpool eigens ein echtes Hostel in Köln angemietet hat, um eine große Studentenwelt zu öffnen.

"Auch bei 'Berlin - Tag & Nacht' sind wir sicher noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt", glaubt der Produzent, den das runde Jubiläums mit Stolz erfüllt. "Wer hätte damals gedacht, dass man mit Laiendarstellerinnen und -darstellern 255 Stunden pro Jahr produzieren kann, also die doppelte Sendelänge von 'GZSZ'?", fragt er und freut sich gleichzeitig darüber, dass noch immer viele Charaktere aus der Anfangszeit mit dabei sind. Valente scherzt: "Da hat man manchmal ein wenig das Gefühl, 'Lindenstraße' zu schauen."

Um die Entwicklung von "Berlin - Tag & Nacht" in der zurückliegenden Dekade nachvollziehen zu können, genügt bereits ein kurzer Trip in die Hauptstadt. Kürzlich sei er durch Friedrichshain gefahren und förmlich geflasht gewesen, weil dort vor zehn Jahren noch nicht viel stand, erzählt Vittorio Valente. "Das war seinerzeit das hippste Viertel der Stadt. Mitten im tiefsten Osten haben wir ein großes Abenteuer gestartet. Wenn man sich überlegt, dass sich dort inzwischen Mercedes und andere große Firmen angesiedelt haben, dann kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Heute ist das totales Establishment - vielleicht eine Parallele zu 'BTN'."

RTLzwei feiert das Jubiläum von "Berlin - Tag & Nacht" am Montag ab 19:05 Uhr mit einer dreistündigen Jubiläums-Folge, um 23:20 Uhr folgt "10 Jahre 'Berlin - Tag & Nacht' - Das große Wiedersehen"