Mit dem neuen Sendungsbewusstsein der Sender hat sich der TV-Gipfel bei den Medientagen in München befasst – bei dem von DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges moderierten Panel wurde einmal mehr deutlich, welche Relevanz lineares Fernsehen für die Konzerne auch heute noch hat. So machte etwa der für Bild Live zuständige Claus Strunz keinen Hehl daraus, scharf zu sein auf den "immer noch ansehnlichen" Werbetopf, aus dem sich Fernsehsender speisen. "Früher hieß es mal, Bild gibt es an jeder Ecke. Genau das steckt auch in der Idee drin, einen linearen Fernsehkanal in den Blick zu nehmen." Der Axel Springer Verlag würde derzeit freilich eine gewisse Priorität auf den neuen Sender legen. Grundstein des Senders sei, so beschreibt es Strunz, dass die Redaktion eben viel wisse und Vieles zuerst erfahre. Am Beispiel der Meldung rund um Helene Fischers Schwangerschaft machte Strunz deutlich, dass die News eben zuerst bei Bild Live, dann online und letztlich in der Print-Zeitung gespielt wurde.

Ein allgemeines Gebot "TV first" wollte Strunz jedoch nicht ableiten, denn: "Print finanziert die Gegenwart. Online und TV sollen die Zukunft finanzieren." Damit sprach er im Einklang mit den anderen Teilnehmern auf dem Panel, die nicht müde wurden zu betonen, dass lineares Fernsehen auch in Zeiten von wachsenden Streamingdiensten noch wichtig sei. Eun-Kyung Park, SVP & General Manager Media (GSA) bei Disney, erinnerte zwar daran, dass ihr Unternehmen den Fokus ganz verstärkt auf den Streaming-Sektor und somit das direct-to-consumer-Geschäft legen wolle, lobte aber zugleich auch den Disney Channel im Free-TV mit Formaten wie "Die Beni-Challenge".

Henning Tewes, Chef von RTL und TVNow, das ab kommender Woche RTL+ heißen wird, machte deutlich, dass es wichtig war, die Organisation umgebaut zu haben, damit Streaming und TV nun aus einer Hand kommen könnten. Den Aufschwung von TVNow erklärt sich der RTL-Boss derweil gar nicht mal so sehr mit dort exklusiv vorhandenen Inhalten, sondern auch über "Reichhaltigkeit und Bequemlichkeit." Alle Inhalte bequem und flexibel an einem Ort zu finden, das fördere die Zahlungsbereitschaft des Publikums.

Henrik Pabst, der Chief Content Officer der Seven.One Entertainment Group, wurde derweil nicht müde, mehrfach seine Liebe für die mit Discovery gemeinschaftlich betriebene Plattform Joyn zu betonen. "Auch wenn man etwas nicht vollständig besitzt, kann man es zu 100 Prozent lieben", erklärte er. Dass Joyn die Zentrale Plattform für sein Unternehmen bleibe, wenn es um Streaming geht, "daran wird sich nichts ändern." Offen blieb derweil die Frage, ob Seven.One Joyn irgendwann eventuell komplett übernimmt, weil Discovery an der eigenen Marke Discovery+ werkelt.

So herrschte zwischen den Panel-Teilnehmenden in den wesentlichen Teilen nicht nur große Einigkeit, sondern auch eine gewisse Freundlichkeit. Dass er gerne die ARD-Mediathek nutze, berichtete etwa Pabst in Richtung des stellvertretenden Programmdirektors der ARD, Oliver Köhr, worauf dieser ein "Herzlich Willkommen" erwiderte. Elke Walthelm, Executive Vice President Content Sky Deutschland erklärte zudem nochmals die Aggregator-Strategie von Sky und reichte somit immer wieder auch Eun-Kyung Park die Hand. Da passte es, dass auch Oliver Köhr zu berichten wusste, innerhalb seiner ARD "viele Wogen geglättet" zu haben. Gefragt nach zwischenzeitlichem Unmut der Magazin-Redaktionen, die künftig mit unter auch filmisch unterwegs sein sollen, erklärte er, dass dort letztlich die Kompetenz liege. Es sei inzwischen klar geworden, dass im Bereich der Information nicht gekürzt, sondern sogar ausgebaut werde. Immerhin gab Köhr aber zu, dass klassische Magazine on demand eben nicht so gut funktionieren würden. Daher wolle die ARD in der Mediathek nun hochwertige Dokus nachlegen.

Und auch wenn er bei der ARD keine unterschiedlichen Prio-Stufen zwischen linear und on demand sehe ("beide Ausspielwege haben wir lieb"), müsse man bei der finanziellen Ausstattung der Mediathek ein bisschen nachsteuern, da die linearen Sender "deutlich besser" ausgestattet seien. Digitaler Ausbau heiße also Umschichten. Bei so viel Verständnis und so viel Liebe für alle Ausspielwege durfte letztlich aber auch ein bisschen Häme nicht fehlen. Jene Häme meinte zumindest Claus Strunz erkannt zu haben, als er von Torsten Zarges gefragt wurde, wie sehr der gefeuerte Bild-Chefredakteur dem Sender Bild Live, wo er teils mehrmals am Tag zu sehen war, nun fehlen würde.

Reichelt als senderprägendes Gesicht

So stellte Strunz die These auf, dass es den Sender ohne der "journalistischen Leidenschaft" von Reichelt "vielleicht so gar nicht geben würde." Entsprechend sei der ehemalige Bild-Chefredakteur ein "senderprägendes Gesicht" gewesen. Positives wusste Strunz zudem über die Zuschauerzahlen zu berichten. Freilich stünden da auch mal nur 0,0 Prozent Tagesmarktanteil, besonders in der fünfstündigen Live-Strecke ab neun Uhr aber wären immer wieder 0,5 oder gar ein Prozent Marktanteil möglich. Und – nicht ohne Augenzwinkern – berichtete Strunz zudem von 11,8 Prozent bei den 14- bis 49-jährigen Männern vor Kurzem in einer 11-Uhr-Stunde. Damals hätte man über eine Räumung in Berlin berichtet und jene Action habe den Männern gefallen.

Dass Menschen mittlerweile ein "hohes Bedürfnis" nach Einordnung aktueller Themen hätten, unterstrich auch Tewes nochmals. Mit dem neuen und von Pinar Atalay und Jan Hofer im Wechsel moderierten Journal "RTL Direkt" sei er nach schwierigem Start inzwischen "wahnsinnig happy". Es habe sich stark entwickelt und würde "richtig gute Marktanteile" einfahren. In der Tat erreichte die Sendung zuletzt nach dem "Sommerhaus der Stars" regelmäßig zweistellige Werte und sogar 15 Prozent vergangenen Mittwoch, aber eben auch wieder weniger als sieben Prozent zum Start in dieser Woche. Mit dem neuen Sendungsbewusstsein waren die Sendervertreterinnen und -vertreter auf den Medientagen jedenfalls mächtig zufrieden.

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