Der letzte Tweet, den "Stern TV" veröffentlichte, lag bereits fast neun Monate zurück. Doch am Sonntagabend muss die Verärgerung bei der Kölner Produktionsfirma i&u TV so groß gewesen sein, dass man sich dazu gezwungen sah, eine Klarstellung zu veröffentlichen. Grund des Ärgers war eine RTL-Sendung unter der Marke, die i&u TV schon seit Jahrzehnten produziert – nur eben nicht an diesem Sonntagabend.

Für die Produktion des "Stern TV"-Specials am Sonntagabend zeichnete diesmal RTL selbst verantwortlich, wo man nach der Fusion mit Gruner+Jahr offensichtlich gewillt ist, die Marke auszubauen – auch um den Preis, sie gehörig zu verwässern. Denn was auf den ersten Blick wie "Stern TV" aussah, hatte letztlich wenig gemein mit dem, was man eigentlich von dem Magazin-Klassiker gewohnt ist. Und das hängt nicht nur damit zusammen, dass anstelle von Steffen Hallaschka diesmal RTL-Politikchef Nikolaus Blome und Society-Expertin Frauke Ludowig durch die Sendung führten.

"Die Sendung wird nicht wie sonst von i&u TV produziert", ließ i&u TV alsdann, noch während die Sendung lief, nicht nur via Twitter, sondern auch über Facebook verlauten. "Die inhaltliche Ausgestaltung sowie die Auswahl der Themen und Gäste verantwortet die Redaktion von RTL, die heute als Gast aus unserem Studio sendet." Was, kurios genug, nach außen so wirkt, als distanziere sich "Stern TV" von "Stern TV", ist in Wahrheit der etwas verzweifelte Versuch der Produktionsfirma, den drohenden Schaden von sich und der eigenen Sendung abzuwenden, indem der wahre Absender benannt wird.

Doch nicht nur "Stern TV" meldete sich noch am Abend zu Wort - auch einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie die Reporterin Sophia Maier stellen in den sozialen Netzwerken klar, dass die i&u-Redaktion mit der Sendung nichts zu tun haben. Der Ärger und der Wille, sich von der Sonntagsausgabe abzugrenzen, ist nachvollziehbar: So hat die Redaktion von i&u TV seit Monaten mit Reportagen und Studiogästen bei "Stern TV" eine klare Haltung gegen die sogenannten "Querdenker" eingenommen – und muss nun ansehen, wie einer der Anführer der Bewegung im "Stern TV"-Studio auf dem reaktivierten "heißen Stuhl" eher lauwarme Fragen gestellt bekommt.

Der heiße Stuhl bei Stern TV © Screenshot RTL "Querdenker" Marcus Fuchs stellt sich auf dem "heißen Stuhl" den Fragen von Nikolaus Blome.

Daneben sitzen "Let's Dance"-Juror Joachim Llambi und Schauspielerin Elena Uhlig an überdimensionierten Tischen, auf denen die drapierten "Stern"-Heftchen wie eine Miniaturausgabe wirken, und eine Studioband spielt eher schlecht als recht den für das Magazin prägenden Soundtrack. Angesprochen auf das Gesendete, will sich bei i&u TV niemand offiziell zu der von RTL News produzierten Sendung vom Sonntagabend äußern, zu groß scheint im Umfeld der Produktionsfirma die Ratlosigkeit darüber, wie arglos der Sender mit der sorgsam gepflegten Marke umgegangen ist.

Bei RTL hält man indes an den Plänen fest, künftig mehr denn je auf "Stern TV" setzen zu wollen. '"Stern TV' ist eine der erfolgreichsten und etabliertesten Magazin-Marken im deutschen Fernsehen. Gerade durch die Quoten der letzten Monate wurde dieses Ausnahmestellung nochmal besonders untermauert", erklärte eine RTL-Sprecherin gegenüber DWDL.de. "Auf Grund des Erfolges und der Neuaufstellung von RTL Deutschland arbeiten wir im Moment daran, das 'Stern TV'-Team auszubauen, um in Zukunft weitere Formate Hand in Hand mit den Kollegen von i&u zu realisieren."

Hand in Hand – davon kann zumindest mit Blick auf die jüngste Ausgabe eher nicht die Rede sein. Vielmehr herrscht bei i&u TV der Eindruck, als sei gerade "das eigene Wohnzimmer gekapert" worden, wie es aus dem Umfeld der Produktionsfirma heißt. Für deren öffentliche Reaktion hat man bei RTL aber Verständnis. "Die gestrige Ausgabe 'Stern TV' wurde nicht von i&u, sondern inhouse von RTL produziert. Dass die Kollegen von i&u bei Nachfragen bzw. für Lob und Kritik zur Sendung an RTL verweisen, ist daher nachvollziehbar", sagte eine RTL-Sprecherin.

Für die Zukunft könnte es womöglich schon helfen, die in unterschiedlicher Verantwortung produzierten "Stern TV"-Sendungen auch im Titel stärker voneinander abzugrenzen. Am geplanten Ausbau der Marke hält RTL jedenfalls fest und stellte auf DWDL.de-Nachfrage für die nächsten Wochen bereits "das ein oder andere spannende Spezial- bzw. Testformat in wechselnden Besetzungen" in Aussicht.