Heute hat Thomas Bellut seinen letzten Arbeitstag auf dem Lerchenberg – nach insgesamt 38 Jahren, die letzten zehn Jahre davon als Intendant des ZDF. Blickt man auf dieses letzte Jahrzehnt seines Wirkens zurück, dann war es im Ergebnis wohl das erfolgreichste in der Geschichte des Zweiten Deutschen Fernsehens, wenn man einen Sender nach dem Interesse des Publikums bewertet. 2012, also im ersten Amtsjahr Belluts, übernahm das ZDF nach 17 Jahren erstmals wieder die Marktführung im deutschen Fernsehen vor dem Ersten - und sollte sie seither nicht mehr abgeben, im Gegenteil: 2021 war der Vorsprung mit 2,6 Prozentpunkten vor dem Gemeinschaftsprogramm der ARD so groß wie noch nie.

Während bei allen anderen großen Sendern der Quotentrend seit Jahren fast nur den Weg nach unten kennt, war 2021 fürs ZDF das erfolgreichste Jahr seit 1995 – nur damals noch in gänzlich anderem Konkurrenzumfeld. Und da ist noch gar nicht eingerechnet, dass das ZDF längst kein Ein-Kanal-Haus mehr ist: Unter Belluts Vorgänger Markus Schächter wurde der Relaunch der verstaubten Digitalkanäle angeschoben, innerhalb der letzten Dekade entwickelten sie sich aus Quotensicht prächtig von zusammen 0,6 Prozent Marktanteil im Jahr 2011 auf 4,5 Prozent im Jahr 2021.

Ein weitgehend reibungsloses Tandem

Diesen Erfolg nun allein dem Intendanten zuzuschreiben würde einem Gemeinschafts-Werk wie einem TV-Sender generell nicht gerecht. Er war es aber, der sich das richtige Team dafür zusammenstellte – und insbesondere mit der Wahl von Norbert Himmler als seinem Nachfolger in der Position des Programmdirektors einen Glücksgriff landete. Gemeinsam bildeten sie in den letzten zehn Jahren an der Spitze des Senders ein erstaunlich reibungslos zusammenarbeitendes Tandem.

Meinungsverschiedenheiten, die es sicher gegeben haben mag, drangen - welch Gegensatz zur vielstimmigen ARD - fast nie nach außen, stattdessen sprach das ZDF in medienpolitischen Aspekten mit einer Stimme. Darüber hinaus schafften es Intendant Bellut und Programmdirektor Himmler, den lange als Rentneranstalt verschrienen Sender programmlich nachhaltig zu modernisieren. Ein Umstand, der sich auch nicht damit widerlegen lässt, dass es nach wie vor Sendestrecken gibt, die unverändert gemächlicher sind.

Hört man sich in der Produktionslandschaft, in der Medienpolitik oder auch in der ZDF-Belegschaft um, dann wird allenthalben gelobt, dass unter Belluts Ägide ein kollegialer Umgangston, ein zugänglicher Führungsstil einzog. Der Sender öffnete sich, den Kreativen gegenüber u.a. mit der Einführungs eines Produzententags. In öffentlichen Diskussionen der Medienpolitik war es Belluts ruhige, nicht von Emotionen geleitete Art, aber sein dennoch selbstbewusstes und bestimmtes Auftreten, das ihm weithin Respekt einbrachte. Dabei waren es auch nach innen nicht immer populäre Entscheidungen, die er zu fällen und durchzusetzen hatte.

Die KEF hatte ihm gleich zu Beginn seiner Amtszeit einen kräftigen Sparkurs diktiert – nachdem man zwischenzeitlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Durst eingestellt hatte. Doch der Abbau von mehr als 500 Arbeitsplätzen war auch für einen üppig ausgestatteten Sender wie das ZDF schmerzhaft. Nicht nur diverse Formate fielen dem Sparkurs zum Opfer, 2013 entschied Bellut, den erst zwei Jahre zuvor vom ZDFtheaterkanal zu ZDFkultur gerelaunchten Sender wieder einzustellen (auch wenn sich das durch die Kuriositäten der deutschen Medienpolitik dann erst 2016 endgültig vollziehen ließ).

Bellut fiel bei allen hochfliegenden Visionen der öffentlich-rechltichen Konkurrenz immer wieder die Rolle des Mahners und Pragmatikers zu, etwa wenn es um eine "Super-Mediathek" ging. Er wusste, was das ZDF mit seinen vergleichsweise kurzen Entscheidungswegen dem föderalen Wirrwarr der ARD voraus hatte und wehrte Vereinnahmungen durch die in vielen Bereich schlechter aufgestellte ARD immer wieder ab. Gleiches galt für den zwischenzeitlich eingebrachten Vorschlag für eine Fusion der Digitalkanäle von ARD und ZDF. Auch dem von der ARD vehement geforderten gemeinsamen Jugendkanal stand er lange skeptisch gegenüber, beharrte darauf, dass man das nicht einfach noch nebenbei stemmen könne. Letztlich wurde das rein digital aufgestellte funk trotzdem zu einem echten Erfolg.

"Neoriginals" und "Zweites Deutsches Internet"

Die wichtigste Weichenstellung in Belluts Jahren an der Spitze war aber die Stärkung der ZDF-Mediathek, lange bevor sich erst in jüngster Vergangenheit auch bei der ARD die Prioritäten verschoben haben. Bellut sagte schon 2015 in einem DWDL-Interview den Satz: "Die Priorisierung im Hause ZDF ist eindeutig: Hauptprogramm, Mediathek, ZDFneo, ZDFinfo". Dass der Quoten-Erfolg von ZDFneo hauptsächlich auf der Wiederholung alter ZDF-Krimis basiert, kann man daher zwar kritisieren, verkennt aber die große Bedeutung des Senders für den Erfolg der ZDF-Mediathek. Schon seit 2016 hieß es aus Mainz, dass man für ZDFneo-Serien keine ZDF-Budgets mehr scheue. Diese sogenannten "Neoriginals" waren auch da schon dafür gedacht, auch in der Mediathek ein Publikum zu finden, das das lineare Fernsehen ohnehin für Fiktionales häufig nicht mehr einschaltet.

Und so ist es auch maßgeblich dieser Entscheidung zu verdanken, dass das ZDF in den letzten Jahren im Fiction-Bereich diverse State-of-the-Art-Serien vorlegen konnte und viel mehr bietet als das Krimi-Einerlei, das man beim Blick aufs lineare ZDF-Hauptprogramm vielleicht zuerst vor Augen hat. Und das gilt nicht nur für die Ficiton, ohne das "Zweite Deutsche Internet" wäre beispielsweise auch der Erfolg des "Neo Magazin Royale" kaum denkbar gewesen - und letztlich auch Böhmermanns Umzug ins Hauptprogramm, wo die Sendung gemeinsam mit der "heute-show" nicht nur aus Quotensicht ein Highlight bildet und nebenbei beweist, dass die alte Theorie, "junge Inseln" in einem sonst vor allem von Älteren genutzten Programm würden nicht funktionieren, widerlegt.

Dass es diese Satire-Insel im ZDF-Programm gibt, ist dabei Bellut in besonderem Maße zu verdanken: Noch als Programmdirektor belebte er die Programmfarbe nach 27 Jahren Pause mit "Neues aus der Anstalt" wieder, unter ihm wurde auch die "heute-show" an den Start gebracht und trotz anfänglich mauer Quoten etabliert. Und bis zuletzt war er es, der Satirikern den Rücken frei hielt, auch wenn er mal nicht mit allen Inhalten einverstanden war. Dass sich daran etwas ändert, ist auch nach dem Führungswechsel in Mainz nicht zu erwarten - denn auch wenn mit Thomas Bellut nun einer vom Führungstandem absteigt, dürfte Norbert Himmler zunächst einmal in vielerlei Hinsicht Kontinuität garantieren. Bei Erfolg braucht es keine Revolution.

Spannend wird aber, wen er wiederum in sein Führungsteam beruft. Schnell zu besetzen sein wird naheliegenderweise sein bisheriger Posten des Programmdirektors - oder eben der Programmdirektorin. Sicher ist: Himmler wird die ZDF-Spitze ausgewogener und vielfältiger besetzen müssen. Bislang findet sich nur eine Frau in der Geschäftsleitung des Senders. Doch der künftige Intendant hat freie Hand für eine kurzfristige Neuaufstellung, denn auch der Vertrag von Chefredakteur Peter Frey, der im August 65 Jahre alt wird, läuft in diesem Jahr aus. Chefredaktion und Programmdirektion -  wichtige Posten, um gemeinsam ein schweres Erbe anzutreten. Auf Erfolg zu folgen ist nicht einfach.