Dank neuer Show-Hits war ProSieben in den vergangenen Jahren ein Stück weit der Entertainment-Trendsetter unter den großen Privatsendern. Doch der allgemeine Abwärtstrend konnte damit trotzdem nicht verhindert werden – und er setzte sich auch in der TV-Saison 2021/22 fort. Abgesehen vom November und Dezember, lag ProSieben in sämtlichen Monaten unter den Quoten des jeweiligen Vorjahresmonats.

Immerhin: Ganz so schlimm wie der Start in die Saison vermuten ließ, wurde es dann doch nicht. Doch der Quoten-Schock dürfte in Unterföhring einigermaßen tief gesessen haben, als im September im Schnitt gerade einmal 7,5 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe eingefahren wurden. Im November ging es schließlich auf starke 9,7 Prozent nach oben – und angesichts eines Rückstands von 0,3 Prozentpunkten sah es für einen kurzen Moment so aus, als könnte ProSieben den Dauer-Marktführer RTL schlagen. Doch zuletzt konnten die Kölner, trotz eines ebenfalls durchwachsenen Jahres, ihren Vorsprung wieder ausbauen.

Klar ist: Der Erfolg von ProSieben steht und fällt mit seinen erfolgreichen Shows. Und von denen hat der Sender einige vorzuweisen, allen voran "The Masked Singer", das inzwischen schon die sechste Staffel hinter sich hat, oder "Germany's next Topmodel", das auch nach 17 Staffeln in der Spitze immer noch für Marktanteile von mehr als 26 Prozent gut ist. Bemerkenswert ist jedoch, dass es ProSieben selbst in den Phasen, in denen diese beiden Formate parallel zu sehen sind, nicht mehr gelingt, zweistellige Monatsmarktanteile zu erzielen.

US-Fiction mit Problemen, "ZOL" gefloppt

Und das hat Gründe: Längst schon liefern die inzwischen auf den Montagabend verschobenen US-Serien keine berauschenden Quoten mehr. Das gilt für Comedyserien wie "Young Sheldon" und "Die Simpsons" ebenso wie für "Grey's Anatomy". Noch dazu sind neue Hits nicht in Sicht, wie etwa die ziemlich unspektakuläre Performance von "United States of A.I." zeigte. Weil es noch dazu an Hollywood-Nachschub mangelt, ist ProSieben selbst am Sonntagabend oft nur noch mäßig erfolgreich.

Das mit Abstand größte Quoten-Dilemma ist jedoch eine Eigenproduktion: Das wöchentliche Live-Magazin "Zervakis & Opdenhövel. Live" konnte von Beginn an nicht überzeugen und auch mit dem Rückenwind von "TV total" nicht gestärkt werden. Das ist auch deshalb aus Sicht des Senders bitter, weil die Neuauflage der einst von Stefan Raab geprägten Comedyshow der größte Coup des Senders in der zurückliegenden Saison war. Zwar sind die Reichweiten nach der anfänglichen Euphorie inzwischen kräftig gesunken, doch "TV total" hat sich als verlässlicher Quotenbringer am Mittwochabend etabliert.

Dass "TV total" und der – nur wenig erfolgreiche – "Masked Singer"-Ableger "The Masked Dancer" die beiden wichtigsten Show-Starts bei ProSieben waren, spricht indes nicht gerade dafür, dass in Unterföhring derzeit die größte Entwicklungsarbeit für ProSieben geleistet wird. Angesichts der völlig desolaten Performance von Sat.1 ist das jedoch verständlich. Doch eines ist auch erwiesen: Nur weil "Masked Singer" ein Hit ist, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass auch maskierte Tänzer punkten können. Auch die Rateshow "Wer ist das Phantom?" kann man bei ProSieben vor diesem Hintergrund allenfalls als netten Versuch abhaken.

Auch sonst hat ProSieben in den vergangenen Monaten kein sonderlich sonderlich glückliches Händchen mehr mit Show-Neustarts bewiesen: Während sich "Die Stapelshow" am Samstagabend noch recht beachtlich schlug, erlitt der Sender mit Formaten wie der "Surprise"-Show mit Bruce Darnell, "Lucky Stars", "How Fake Is Your Love?" oder "Die Job-Touristen" bittere Flops. Für Trost sorgen auf der anderen Seite die Hits der Vorjahre, neben "Masked Singer" und den "Topmodels" sind das allen voran "Wer stiehlt mir die Show?", "Joko und Klaas gegen ProSieben", "Schlag den Star" und – inzwischen mit Abstrichen – "The Voice".

An erfolgreichen Shows mangelt es also trotz einiger Rückschläge nicht. Doch das reicht bislang nicht, um die Schwächen der US-Fiction auszubügeln. Dazu kommt, dass ProSieben-Chef Daniel Rosemann noch eine lange Wegstrecke vor sich hat, will er "ZOL" wirklich zum Erfolg führen. "Jenke" oder auch die innovative "Bundestagswahl-Show" zeigten jedoch, dass das Publikum den Sender durchaus auch bei Info-Formaten auf dem Schirm hat. Und wer weiß: Gelingen auch hier vermehrt Erfolge, könnte es irgendwann doch noch klappen, RTL zu überholen.

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