Es scheint sich auszuzahlen, dass Philipp Schall, der neue starke Mann an der Spitze der Tellux-Gruppe (DWDL.de berichtete), auf die beiden Kölner Producerinnen Carolin Engstfeld und Wiebke Mercier gesetzt hat. Noch bevor das erste Jahr seit Gründung ihres Labels Storytelle vorüber ist, können sie bei drei größeren Serienprojekten konkrete Fortschritte vermelden: Bavaria Media International übernimmt den Weltvertrieb von "German Legends", das Medienboard Berlin-Brandenburg fördert "Doitscha", und in Koproduktion mit Leonine Studios entsteht eine inernational ausgerichtete Miniserie.

Die Zwischenbilanz kann sich sehen lassen und spricht dafür, dass Engstfeld und Mercier mit ihrem Ansatz, "Geschichten aus der weiblichen Perspektive" erzählen zu wollen, einen Nerv in der Branche getroffen haben. Dass sie diese Mission freilich undogmatisch verfolgen, wird im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de deutlich: "Wir verstehen uns nicht als Produzentinnen für Frauenstoffe oder Frauenthemen", sagt Mercier. "Mal ganz davon abgesehen, dass solche Etiketten ohnehin wenig aussagen. Wir wollen breite, universelle Themen aus einer weiblichen Perspektive angehen und damit selbstverständlich auch Männer ansprechen. Entscheidend ist ein besonderer, vielschichtiger Blickwinkel, wie es ihn immer noch zu selten gibt."

Die beiden Mittdreißigerinnen arbeiten seit Sommer 2021 zusammen, sind aber schon seit elf Jahren eng befreundet. Damals teilten sie eine WG in der Berliner Torstraße, als Engstfeld Medienwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg studierte und Mercier ihren ersten Job als Junior Producerin bei einer Arthouse-Filmfirma antrat. Auch wenn sich die Wege trennten – Engstfeld wurde Referentin von Tele-5-Chef Kai Blasberg, später Entwicklungschefin von Splendid Studios, während Mercier die Drama Series Days der Berlinale aufbaute und zuletzt als Producerin bei Sony Pictures Serien wie "Heldt" oder "Lifelines" betreute – blieben sie weiter im Austausch und liebäugelten voriges Jahr gar mit einer gemeinsamen Firma. "Wir hatten auch überlegt, selbst zu gründen", so Engstfeld. "Als sich jedoch die Konstellation mit der Tellux-Gruppe anbot, war uns schnell klar: Es ist der schlagkräftigere Weg, unterm Dach eines großen Partners ein eigenständiges Label zu starten."

Wie das Schicksal es wollte, suchte Schall nach Köpfen, um für die Tellux-Gruppe – ein Konglomerat im Mehrheitsbesitz von zehn katholischen Bistümern – ein Fiction-Standbein in Köln aufzubauen. Mit Mercier hatte er bereits früher zusammengearbeitet und bei Berlin-Reisen gelegentlich Unterschlupf in der gemeinsamen WG gefunden. Das bestehende Vertrauensverhältnis sowie die Infrastruktur der Gruppe, die in sämtlichen Gattungen produziert, nennen die Fiction-Frauen denn auch als Grund, warum sie sich für Tellux entschieden. Vorerst ist Storytelle als Label bei deren Kölner Nonfiction-Tochter Alpha Entertainment angesiedelt. Spätestens mit Beginn der physischen Produktion, voraussichtlich 2023, dürfte daraus wohl eine eigene GmbH werden.

Zu den am weitesten fortgeschrittenen Projekten zählt die Mystery-Serie "German Legends", bei der nun Bavaria Media eingestiegen ist. Creator und Headautor ist Benjamin Gutsche, Macher von "Arthurs Gesetz" und "All You Need", der den Stoff bereits 2015 in einem Writers' Room bei der Tellux mit Schall als Produzent, Mercier als Producerin sowie den weiteren Autoren Burkhardt Wunderlich und Sebastian Bleyl entwickelt hat. Im Anthologie-Format soll jede Staffel einen Kriminalfall im Hier und Jetzt erzählen, der auf einer alten deutschen Legende – möglichst auch international geläufig – beruht. Zum Auftakt ist das die Blocksberg-Legende aus dem Harz, die auf die Hexenverbrennungen im 16. Jahrhundert zurückgeht. Vor sieben Jahren sei man damit einfach noch zu früh dran gewesen, glaubt Mercier: "Besonders das Mystery-Genre wurde mit wenigen Ausnahmen noch nicht wirklich angefasst. Uns war und ist es wichtig, an bestimmten Stellen auch sehr explizit, möglicherweise mit FSK 16, erzählen zu können. Zudem gibt es in der Geschichte durch die Hexen und eine starke weibliche Hauptfigur einen ganz besonderen Blickwinkel, der auch erst heute richtig angefasst wird und sehr gut zu Storytelle passt."

Für die Dramedy-Serie "Doitscha" wiederum steht der Writers' Room erst noch bevor. Nachdem das Medienboard Berlin-Brandenburg Ende Juli 50.000 Euro Entwicklungsförderung dafür freigegeben hat, soll es im Herbst losgehen – mit Ipek Zübert, Schöpferin von "The Mopes" und "Sultan City", als Headautorin. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Adriana Altaras über eine jüdische Mutter und ihre Familie in Berlin-Schöneberg inmitten von Pubertät, Menopause, Culture-Clash, Ehe- und Identitätskrise. Bereits im Januar hatte Storytelle in einem von der Film- und Medienstiftung NRW geförderten Writers' Room mit Headautorin Mahnas Sarwari die episodische Shortform-Serie "Sex auf Arabisch" entwickelt, eine Adaption der gleichnamigen "jetzt.de"-Kolumne von Alexander Gutsfeld. Dem Vernehmen nach steht sie kurz vorm Verkauf an eine Plattform.

Über die Co-Entwicklung mit Leonine lassen sich die Partner noch nicht mehr entlocken, als dass es sich um die Verfilmung eines von Storytelle optionierten "Spiegel"-Bestsellers mit internationalen Schauplätzen handeln soll. Man freue sich "außerordentlich auf die Entwicklung eines sehr spannenden und tiefgehenden Projekts", so Kevin Anweiler, Manager Co-Production & Development bei Leonine. Storytelle habe sich als "junges und dynamisches Label den Erzählungen aus weiblicher Perspektive für ein breites Publikum verpflichtet und genau daran wollen wir mit ihnen arbeiten".

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