Christof Schulte © UFA Show & Factual/Florian Reick Christof Schulte
Vielleicht ist es auch eine Reaktion auf die Situation während der Corona-Pandemie, als es monatelang angesagt war, sich zum Wohle aller abzuschotten und möglichst wenig gesellige Zeit persönlich miteinander zu verbringen: Beim Deutschen Fernsehpreis 2022 dominieren im Bereich der "Besten Unterhaltungsshow" nun drei Studioproduktionen, die Zuschauenden nicht nur in Gesellschaft am meisten Spaß machen dürfen, sondern die auch Jüngere wie Ältere in gleichem Maße ansprechen.

"Vor allem im Show-Bereich zeigt sich ein Trend zu Familien-Entertainment", bestätigt Christof Schulte, Executive Director Entertainment bei der UFA Show & Factual. Das Unternehmen ist für das mutige RTL-Format "Viva la Diva" in diesem Jahr nominiert. Entdeckt hat RTL das Thema Drag mit Sicherheit nicht, aber ihm erfolgreich und familientauglich die Primetime-Bühne gegeben.

 

Es sei, sagt Schulte, sicherlich einfacher, sich "generationsübergreifend auf eine Spielshow, ein Quiz oder ein Musik-Format an der Fernbedienung zu einigen, als auf zugespitzte (Dating-)Realitys oder thematisch spezifische Factual-Formate." Und noch etwas habe sich geändert, sagt der Fernsehmacher. Bei Shows werde inzwischen mehr und mehr von Beginn an darauf geachtet, jüngere Zusehende mitzudenken als stattdessen spezielle 'Kids'-Ableger eines Formates zu programmieren.

Alessandro Nasini © Bavaria Alessandro Nasini
Der zunehmende Wunsch nach großer Umarmung ist auch Alessandro Nasini, Geschäftsführer der Bavaria Entertainment GmbH nicht entgangen. "Wir müssen während der Entwicklung unserer Programme definieren, welches Ziel wir verfolgen. Wollen wir eine große Umarmung bzw. viele Zuschauerinnen und Zuschauer zum linearen Ausstrahlungsmoment, dann braucht es auch Inhalte, die breite Zuschauerschaften ansprechen. Am besten live", sagt der Fernsehmacher, der in diesem Punkt mit der "Giovanni Zarrella Show" vor rund einem Jahr ein Paradebeispiel gestartet hat. Sie liefere, ist er überzeugt, "große, exklusive Live-Momente". Mit ihr würden sich alle Stärken des linearen Fernsehens ausspielen lassen, sagt er über das ebenfalls für einen Fernsehpreis nominierte Showformat.

Emotionale Teilhabe

"Die Argumente für Live-Shows liegen im wachsenden Wettbewerb mit digitalen Formaten auf der Hand: emotionale Teilhabe an dem, was jetzt in diesem Moment irgendwo anders passiert. Nennen wir das doch einfach 'fern sehen'", sagt Nasini, der aber auch weiterhin an nischigere Sendungen glaubt. "Will man Nischenprogramme in den Markt bringen, müssen Zuschauerinnen und Zuschauer mit Hilfe einer smarten Platzierung  im Netz - und das gilt inhaltlich wie technisch - nach und nach eingesammelt werden." Dabei ergebe sich der Erfolg nicht im linearen Ausstrahlungsmoment, sondern in der Addition digitaler Abrufe. "Digital ist eine wunderbare Möglichkeit, um auch mit Nischenprogramm zielgruppengerecht erfolgreich zu sein", so der Bavaria-Entertainment-Chef.

Bianca Barth © UFA Show & Factual/Amanda Dahms Bianca Barth
Mitunter aber schaffen es Formate mit mutigen Ideen aber doch zur besten Sendezeit in die Wohnzimmer. Das von RTL probierte "Viva la Diva" ist ein solches Beispiel. "Die Mutigsten sind wir deutschen Fernsehmacher:innen nicht immer, was man auch daran festmachen kann, dass in Deutschland Formate lieber erst beauftragt werden, wenn sie sich woanders schon bewiesen haben. Aber ja, zur Entscheidung von RTL zu „Viva la Diva“ gehörte eine Portion Mut. Es war schließlich nicht klar, ob die Zuschauer:innen Drag in der Prime Time annehmen", erinnert sich Bianca Barth. Barth ist bei UFA Show & Factual für den Neustart verantwortlich gewesen. Am Abend der Ausstrahlung von "Viva la Diva" hätte sie selbst alle Social Media Outlets gleichzeitig gescreent – aus Sorge vor homophoben Kommentaren oder verbalen Angriffen auf die teilnehmenden Queens.

 

Wer stiehlt mir die Show? © ProSieben/Claudius Pflug Joko Winterscheidt
"Aber das Gegenteil war der Fall: Candy Storm statt Shit Storm – damit wurde RTL für seinen Mut belohnt. Auch die Nominierung für den Deutschen Fernsehpreis hat das gesamte Team vor und hinter der Kamera total gefreut und zeigt: mehr Vielfalt ist gefragt! Also dann: Was machen wir als nächstes?“ sagt Barth. Die Antwort: In der kommenden Woche erst einmal in Köln auf einen Deutschen Fernsehpreis hoffen und gegen eine ProSieben-Show antreten, die bereits 2021 gewann: "Wer stiehlt mir die Show?" von der Florida Entertainment. Ab dem wie vielten Jahr in Folge es für ihn langweilig wird? "Das wird nie langweilig. Es macht mich sehr stolz, dass wir zwei Jahre in Folge nominiert sind. Das würdigt die Leistung aller, die an dieser Show beteiligt sind. Für mich kann das gerne die nächsten Jahre so weitergehen", sagte der Moderator zu DWDL.de.