Als das ZDF im Sommer Jasmin Maeda zur neuen Neo-Chefin ernannte, werden manche in der Branche wohl erstmal Google bemüht haben. Wer ist die neue Frau an der Spitze des kleinen Spartensenders, der immer häufiger zu den Großen gehört? Tatsächlich kennt Maeda, vor 40 Jahren in Freiburg im Breisgau geboren, den Mainzer Lerchenberg inzwischen ziemlich gut. 2006 als freie Mitarbeiterin in der Hauptredaktion Kinder und Jugend begonnen, arbeitete sie sich zunächst als Online-Redakteurin und später als festangestellte Redakteurin nach oben. Fast zwei Jahre lang war Maeda Leiterin der Redaktion Reihen und Serien I, bis jetzt die Ernennung zur Senderchefin folgte - ein Job, den einst auch Norbert Himmler innehatte. Und der ist bekanntlich inzwischen Intendant.

Dass ZDFneo ein gutes Karrieresprungbrett ist, lässt sich auch an Maedas Vorgängerin erkennen. Als Himmler jüngst den Intendantenposten übernahm, wurde Nadine Bilke seine Nachfolgerin als Programmdirektorin. Auch ihr hat es Jasmin Maeda zu verdanken, dass ZDFneo gut positioniert ist auf dem deutschen Fernsehmarkt. Sicher, noch immer füllen viele Krimi-Wiederholungen die Sendeplätze. Doch dazwischen hat der Sender mit innovativer Fiction, der Late-Night-Show "Studio Schmitt" oder dem Wissenschafts-Format "Maithink X längst eigene Akzente gesetzt. Und mit "Glow Up" versuchte sich ZDFneo jüngst sogar an einer Make-up-Show.

"Die Richtung ist klar", sagt Maeda im Gespräch mit DWDL.de. "Wir haben die Anzahl an Wiederholungen in den letzten Jahren kontinuierlich gesenkt und die Anteile an originären neo-Sendungen deutlich erhöht." So habe ZDFneo alleine im ersten Halbjahr rund 200 Erstsendungen im Programm gehabt. "Unsere neo-originären Formate sind uns sehr wichtig und bilden unseren Markenkern. Daher kommen sie auf verschiedenen Strecken und in verschiedenen Kombinationen zum Glänzen." Funktionieren müssen die Originals allerdings vor allem in der Mediathek, wo das ZDF auf ein jüngeres Publikum schielt - mit zunehmendem Erfolg.

Dass es schon seit Jahren kein TVLab mehr gibt, mit dem in den Anfangsjahren nach neuen Ideen gesucht wurde, hat aus Maedas Sicht einen einfachen Grund. "In vielen Genres haben wir die Laborphase längst verlassen", erklärt die neue Senderchefin und verweist auf die jüngsten Erfahrungen im Sitcom- und Comedy-Bereich. "Das Genre war in Deutschland über viele Jahre hinweg kaum besetzt. Darin hat meine Vorgängerin Nadine Bilke eine Chance gesehen – und das ist voll aufgegangen." Tatsächlich sind dem Sender mit "Deadlines" und "Doppelhaushälfte" jüngst zwei schöne Erfolge gelungen, von denen nun jeweils zwei weitere Staffeln produziert werden. "Deadlines" meldet sich bereits am 3. Februar in der Mediathek zurück, ehe elf Tage später die lineare Ausstrahlung der neuen Folgen startet. Auch die Sitcom "Ich dich auch!" soll eine weitere Staffel erhalten.

Ab sofort geht es aber auch um ihre eigene Handschrift. Um neue Projekte mit eben jener auf den Weg zu bringen, führt Jasmin Maeda derzeit viele Gespräche"Mein Kalender war in den ersten Wochen ziemlich voll", resümiert sie die ersten Wochen im Amt und erklärt, welche Inhalte sie für ihren Sender benötigt. Oder besser gesagt: Welche nicht. "Wir suchen all das nicht, was das Hauptprogramm schon sehr gut bedient. Krimis haben wir beispielsweise schon in sehr vielen Facetten im ZDF - da brauchen wir für ZDFneo explizit keine neuen Krimis, auch wenn mir das Genre sehr am Herzen liegt", sagt Maeda, die zuletzt etwa die neue ZDF-Serie "Mordsschwestern" betreute. 

"Aber nur weil ich neue Krimis bei ZDFneo ausschließe, heißt das nicht, dass man sich nicht der Mittel bedient, derer sich Krimis bedienen", betont die neue Senderchefin. "Spannung und Thrill als wichtige Elemente, die erzählerisch und dramaturgisch gut funktionieren – auch außerhalb der klassischen Suche nach dem Mörder." Ziel sei es, junges Drama zu besetzen, "fernab der klassischen deutschen Genres", wie Jasmin Maeda sagt. Dabei spielen auch europäische Koproduktionen eine Rolle. So startet in Kürze "Tell Me Everything" über einen jungen Mann mit Depressionen und ab dem 6. Januar folgt mit "Riding in Darkness" eine deutsch-schwedische Koproduktion, die aus der Perspektive dreier Frauen erzählt, wie der Besitzer einer Pferderanch zwischen 1990 und 2018 nicht nur seine eigene Familie, sondern auch junge Mädchen missbraucht und manipuliert hat.

Und auch die sogenannte Instant-Fiction soll weiter einen Platz bei ZDFneo finden. Gemeint sind fiktionale Projekte, die deutlich schneller als üblich den Weg ins Programm schaffen. "Becoming Charlie" über Nonbinarität oder die Serie "Himmel und Erde", die von ukrainischen Kreativen entwickelt wurde, sind gelungene Beispiele für schnelle Entwicklungen. Dabei sei jedoch die Aktualität das Entscheidende, "weil man sonst nicht den Zeitdruck rechtfertigen kann", sagt Jasmin Maeda. "Da geht es um Themen, die so spannend sind, dass wir sie möglichst jetzt mit dem Publikum teilen wollen. Es ist eben doch ein riesiger Unterschied, ob man ein Format über zwei oder drei Jahre entwickelt oder über sechs Monate." Dementsprechend müsse man die Projekte "mit Bedacht auswählen, weil es extreme Bedingungen für alle Beteiligten sind", erklärt sie. "Aber wir haben festgestellt, dass es spannende und tolle Errungenschaften sind, in der Fiction so aktuell sein zu können."

Und auch die Zusammenarbeit mit funk könnte perspektivisch wichtiger werden. "Wir nutzen funk als Inspiration und stellen uns regelmäßig die Frage: Welche der Marken entwächst funk und ist eventuell für uns relevant?" Danach geht's dann an die Weiterentwicklung. Auf diese Weise hat schon das Gaming-Magazin "Game Two" den Weg zu ZDFneo gefunden und im nächsten Jahr kommt mit dem "Browser Ballett" ein weiteres ehemaliges funk-Format dazu, an dessen Konzept gerade gefeilt wird. Keine Frage, an Arbeit mangelt es der neuen Senderchefin nicht.