Seit Barbara Salesch vor einem halben Jahr ihr TV-Comeback feierte, können die RTL-Verantwortlichen mit einiger Zufriedenheit auf die Reichweiten-Entwicklung der Gerichtsshow blicken. Zwar ist Saleschs "Strafgericht" aus Quotensicht kein Jungbrunnen, doch erst am Mittwoch markierte das Format mit 1,1 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern um 15 Uhr einen neuen Bestwert – das hat es im Nachmittagsprogramm des Kölner Privatsenders lange nicht gegeben.

Wie man diese Zahlen in Unterföhring bewertet? Dort versucht sich Daniel Rosemann nun schon seit zwei Jahren daran, dem strauchelnden Sat.1 wieder in die Spur zu verhelfen. Das gelingt bislang jedoch nur bedingt. Im noch jungen März liegt der durchschnittliche Marktanteil des Senders bislang bei kläglichen 5,9 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, in der selbstgewählten "Referenz-Zielgruppe", wie man die 14- bis 59-Jährigen vor den Toren Münchens nennt, sind es sogar lediglich 5,4 Prozent.

Eine Galionsfigur wie Barbara Salesch könnte man in Sat.1 also gewiss gut gebrauchen. Es ist eine bittere, fast schon tragische Erkenntnis, schließlich ist die TV-Richterin einst erst durch Sat.1 bekannt geworden. Ihre Show war es, die ab Ende der 90er Jahre einen regelrechten Gerichtsshow-Boom im deutschen Fernsehen auslöste. Dass das Genre bis heute viele Fans hat, zeigt der Blick zum Spartensender RTL Up, der seit vielen Jahren am späten Nachmittag mit teils 20 Jahre alten Courtshow-Wiederholungen punktet und damit inzwischen oft mehr Menschen erreicht als Sat.1 mit frischem Programm.

Dort hat Richter Alexander Hold, Saleschs einstiger Sender-Kollege, bis vor rund zwölf Jahren regelmäßig noch mehr als zwei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht. Seither hat es kein Sat.1-Chef geschafft, den Abwärtstrend in der Daytime zu stoppen. Nachdem Hold den 16-Uhr-Sendeplatz vor zwölf Jahren verließ, ist die Quote um mehr als 80 Prozent gesunken. "Volles Haus!", der massiv beworbene, aber vom Publikum bislang verschmähte Gemischtwaren-Neustart, erreichte in den ersten beiden Sendewochen bislang im Schnitt kaum mehr als eine Viertelmillion Zuschauerinnen und Zuschauer. 

Entwicklung 16-Uhr-Sendeplatz (Sat.1) 

Format Durchschnittliche Sehbeteiligung
"Richter Alexander Hold" (2012) 2,1 Mio.
Anwälte im Einsatz (2016) 1,2 Mio.
"Klinik am Südring" (2018) 0,9 Mio.
"Klinik am Südring" (2022) 0,8 Mio.
"Volles Haus" (2023) 0,3 Mio.

Quelle: DWDL.de-Recherche

Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass ein Salesch-Comeback auch Sat.1 hätte helfen können. Doch die Richterin ist längst nicht das einzige Beispiel dafür, dass die Konkurrenz heute von einstigen Sat.1-Erfolgen profitiert. Die "Südklinik am Ring", das bau- und fast namensgleiche Nachfolge-Format der "Klinik am Südring", mag für RTLzwei zwar noch kein durchschlagender Hit sein, brachte dem Sender in den zurückliegenden Wochen aber zumindest älteres Publikum zurück – und liegt inzwischen immerhin auf Augenhöhe mit "Volles Haus!".

Wer weiß denn sowas? © ARD/Morris Mac Matzen "Wer weiß denn sowas?": Einstige Sat.1-Gesichter sorgen heute am ARD-Vorabend für Traum-Quoten.
Abseits davon bewies RTLzwei erst vor wenigen Wochen, dass auch das "Glücksrad" – Inbegriff der Gameshow-Klassiker aus den 90ern – auch heute einen Einschaltimpuls auslösen kann. Und auch die Comedyshow "Genial daneben" hat Sat.1 ohne Not den Kollegen aus Grünwald überlassen. Stattdessen presste man die Marke so lange mit mäßig unterhaltsamen Quiz-Ablegern im Vorabendprogramm aus, bis auch das Original niemand mehr sehen wollte. Die Hoffnung, der ARD-Rateshow "Wer weiß denn sowas?" nachzueifern, erfüllte sich nicht. Dabei hätte der Erfolg von "Wer weiß denn sowas?" mit etwas Glück auch der Erfolg von Sat.1 sein können, schließlich gründet deren Popularität nicht zuletzt auf einstigen Sat.1-Gesichtern, allen voran Kai Pflaume, der nach seinem Senderwechsel zum ungekrönten Show-Quotenkönig der ARD avancierte.

Selbst das ZDF profitiert heute von den Grundsteinen, die Sat.1 vor langer Zeit legte: Mit mehr als sechs Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern zählt "Der Bergdoktor" heute zu den größten Serien-Hits im deutschen Fernsehen – übrigens auch beim jungen Publikum, wo die frühere Sat.1-Serie regelmäßige zweistellige Marktanteile erzielt, während der Privatsender donnerstags mit internationalen Krimis zuletzt oft nicht mal eine halbe Million Menschen erreichte. Kaum auszudenken, welch wichtige Stütze die Serie heute für Sat.1 sein könnte, wäre sie von Daniel Rosemanns Vorgängern nicht schon vor 25 Jahren abgesetzt worden.

Im Comedy-Bereich wiederum setzte Prime Video in der Vergangenheit auf die Strahlkraft von Bastian Pastewka – und brachte dessen imageträchtige Comedyserie ehrenvoll zu Ende, nachdem sich Sat.1 zuvor nicht zu einer Fortsetzung durchringen konnte. Auch Komikerin Martina Hill, bis dato mit ihren "Knallerfrauen" und der "Martina Hill Show" in Sat.1 beheimatet, treibt ihre Späße inzwischen beim Streamingdienst von Amazon. Es gibt heute also mehr Sat.1-Erfolge als man denkt. Zum Ärger von Sat.1 laufen sie heute nur eben oft woanders.