"Unser Job ist es, die ganz Jungen zu erreichen", sagt Philipp Schild. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, die der Programmgeschäftsführer von funk anspricht, schließlich wurde das öffentlich-rechtliche Angebot ganz konkret ins Leben gerufen, um 14- bis 29-Jährige zu erreichen - Menschen in einem Alter also, die mit den linearen Programme von ARD und ZDF eher selten oder gar nicht mehr in Kontakt kommen. Doch obwohl funk erfolgreich ist und eine repräsentative Studie im vergangenen Jahr ergeben hat, dass 86 Prozent der auserkorenen Zielgruppe funk oder mindestens ein Format des Angebots kennen, stehen Schild und sein Team vor einer Herausforderung.

"Wir werden in naher Zukunft nicht mehr so gut performen, weil wir gerade zahlreiche Erfolge bei funk beenden", kündigt Schild im Gespräch mit DWDL.de an. Der Grund liegt in der Altersstruktur, denn mehr als sechs Jahre nach dem Start von funk sind die Nutzerinnen und Nutzer zusammen mit den Formaten älter geworden. "Wir haben zwar riesige Abrufzahlen, aber wenn diese hauptsächlich außerhalb der Zielgruppe unserer Beauftragung herrühren, dann sind wir dazu gezwungen, uns zu verändern", sagt Schild. Jüngstes Beispiel für die bevorstehenden Veränderungen ist das Aus des YouTube-Kanals  "maiLab", den die Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim lange erfolgreich unter dem Mantel von funk betrieben hat.

"Unsere Formatmarken müssen keine 30 Jahre bei funk überleben", betont Sabrina Scharpen, die seit knapp einem Jahr bei funk als stellvertretende Programmgeschäftsführerin tätig ist. Aber man könne eben auch nicht alles parallel laufen lassen. Ohnehin bedeutet ein Aus bei funk für viele Formate oder Köpfe keineswegs das aus. "Das ist eine Win-Win-Situation: ARD und ZDF bekommen ein gutes aufgebautes, Community-gepflegtes Format und tolle Talente – und wir haben die Chance, uns wieder jüngeren Zielgruppen zuzuwenden."

Von funk zu den "Tagesthemen"

Tatsächlich ist die Liste erstaunlich lang. "Wir können Formate wie 'Game Two' oder 'Y Kollektiv' auf unserer Erfolgsseite verbuchen, auch wenn sie sich nicht mehr in unseren Zahlen niederschlagen", sagt Philipp Schild. Auch "Deutschland3000", "Aurel Original" oder das "Browser Ballett" haben eine neue öffentlich-rechtliche Heimat abseits von funk gefunden. Die Journalistin Aline Abboud, die zusammen mit einem Kollegen das funk-Format "Die da oben!" präsentiert, ist inzwischen gar zur "Tagesthemen"-Moderatorin aufgestiegen.

Und auch Mai Thi Nguyen-Kim hat längst den Wechsel zum ZDF gewagt und ist inzwischen mit "Terra X" oder ihrer eigenen Neo-Show erfolgreich. "Es gibt 14- bis 16-Jährige, die haben sich bislang nie mit 'maiLab' beschäftigt", sagt Sabrina Scharpen. "Es ist eine große Herausforderung, diese Gruppen mit neuen Formatmarken anzusprechen und damit das, was funk ist, wieder neu zu definieren." So ist es dann auch kein Wunder, dass Nguyen-Kim in ihrem letzten "maiLab"-Video auf "Sonne, Tod und Sterne" hingewiesen hat - ein anderes Wissenschafts-Format von funk, das gerade erst gestartet ist und in den ersten Wochen immerhin schon über 26.000 Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen konnte.

"Natürlich würden wir auch unsere Erfolge nicht beenden, wären wir nicht so ehrlich zu uns", erklärt funk-Manager Philipp Schild den Widerspruch, beliebte Formate und Gesichter ziehen lassen zu müssen. "Aus Management-Sicht ist es ein seltsames Gefühl, sich von erfolgreichen Formaten zu trennen. Auf der anderen Seite fühlt es sich auch gut an, weil wir nicht Gefahr laufen, etwas totzureiten." Klar, es gebe einen "Verlustschmerz", räumt Schild gegenüber DWDL.de ein, "aber ich habe zusammen mit meinem Team auch richtig Lust auf Neues". So startet in diesen Tagen etwa das Fußball-Format "Einfach Fußball", in dem sich Einblicke in den Alltag von Spielern mit Minispielen und Interviews abwechseln.

 

"Ältere Menschen treffen häufig schlechte Entscheidungen für junge Menschen."
Philipp Schild, Programmgeschäftsführer von funk

 

Ebenfalls neu ist "Was kostet die Welt". In diesem von der "FAZ" für funk entwickleten Format nehmen Jessica von Blazekovic, Felix Hoffmann und Alexander Wulfers das Publikum in die Welt der Wirtschaft mit. Bereits gestartet sind außerdem das TikTok-Format "sag_mal", die Coming-Of-Age-Serie "Feelings" und das satirische Format "Ist Social Media peinlich?", in dem mit Selbstironie unter anderem über virale Trends gesprochen wird.

Peinlich ist Social Media für funk eigentlich nicht - viel eher schon notwendig. "Social Media ist unser wichtigstes Standbein, weil es der Ort ist, an dem das Meinungsbildungsgewicht unserer Zielgruppe liegt und somit eine entscheidende Rolle bei der Erfüllung unseres Auftrags spielt", betont der Programmgeschäftsführer. Klar ist aber auch, dass sich funk viel schneller wandeln muss, wenn sich neue Trends und Plattformen etablierenwie TikTok, durchaus kritisch gesehen werden. "TikTok ist nicht nur eine Plattform, die wir jetzt auch noch bedienen", sagt Philipp Schild. "Der Erfolg von TikTok hat vielmehr dazu geführt, dass es Reels bei Instagram und Shorts bei YouTube gibt."

"Struktur komplett über Bord geworfen"

Konkret bedeutet das, dass sich die Mediennutzung der funk-Zielgruppe durch den Siegeszug von TikTok radikal auf Vertical Video verändert hat. "Das ist also eine völlig andere Nutzung, eine völlig andere Sprache, eine völlig andere Art Menschen abzuholen." Das hat zur Folge, dass sich funk in seiner DNA "komplett neu erfinden" müsse, "und das nach nur sechs Jahren", wie Schild betont. "Wir haben gemerkt, wie schwer uns das fällt, und deshalb unsere anfängliche Top-Down-Struktur komplett über Bord geworfen, weil wir uns die Flaschenhälse damit komplett blockiert haben. Wir haben als Chefs hier gesessen und Dinge entschieden, von denen wir komplett keine Ahnung hatten – und es hat alles ewig gebraucht, weil jeder aus dem Team alles nach oben weitergetragen hat."

Inzwischen werden bei funk die Fachentscheidungen in Rollen getroffen - "bei Menschen, die Fachexpertise haben", erklärt Schild gegenüber DWDL.de. "Wir in der Führung können uns um Strategie kümmern. Ältere Menschen treffen häufig schlechte Entscheidungen für junge Menschen." Ob die neuen Formate an frühere Erfolge anknüpfen können, bleibt freilich abzuwarten. Erklärtes Ziel ist es jedoch, den Erfolg nicht an der Quantität bemessen. "Wir haben inhaltlich den Anspruch unser Portfolio zu verjüngen und in neue Zielgruppen und Themenfelder vorzudringen. Wir streben keinen Ersatz vergangener Formate an, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung unseres Portfolios."

Tendenziell wird funk in Zukunft sogar eher weniger als mehr Formate auf die Beine stellen. Schon heute sind es nicht mehr so viele wie noch vor wenigen Jahren - weil erfolgreiche Formate schlicht mehr Arbeit bedeuten, aber auch weil der finanzielle Spielraum trotz des jährlichen Budgets von etwa 45 Millionen Euro kleiner wird. "Teuerungseffekte haben unsere Kaufkraft am Markt in den letzten Jahren bereits spürbar reduziert", sagt der Programmgeschäftsführer. "Deshalb versuchen wir strategisch dagegen zu arbeiten, indem wir noch effizienter werden. Aber an bestimmten Stellen werden wir Abstriche machen müssen."