Die "Sommergespräche" von ORF 2 sind eine Institution: Seit 42 Jahren werden die Chefs der im Nationalrat vertretenen Parteien beim öffentlich-rechtlichen Sender zu aktuellen Themen interviewt. Das sorgt meist für viele Schlagzeilen, weil sonst im Sommer politisch gesehen nicht viel los ist. Und der ORF holt mit den Interviews meist ziemlich hohe Quoten. In diesem Jahr wird die Interview-Reihe von Susanne Schnabl moderiert - und wieder macht der ORF seit Tagen Schlagzeilen mit den "Sommergesprächen", aber vermutlich anders, als das dem Sender lieb ist. 

Zahlreiche Kommentatorinnen und Kommentatoren, sei es in Zeitungen oder in den sozialen Netzwerken, beschäftigt neben den Aussagen von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Grünen-Boss Werner Kogler - sie waren bislang im Rahmen der Reihe zu sehen - vor allem eins: Das kurios anmutende Setting der Sendung. Das ist eigentlich relativ schlicht gehalten: Vor einer holzvertäfelten Wand spricht Schnabl mit ihren Interview-Partnern. Der Raum wirkt düster, es gibt eine kleine Stehlampe und einen Glastisch. Letzterer blieb bei den bislang gezeigten Interviews leer - dafür spiegeln sich wahlweise die Politiker bzw. die Interviewerin darin. 

Vor dem Start der Reihe verkündete der ORF stolz, die "Sommergespräche" in diesem Jahr erstmals aus dem Inneren jenes Ortes zu führen, an dem die Rahmenbedingungen für die Zukunft des Landes verhandelt werden - dem Parlament. Allerdings eben nicht im Sitzungssaal des Nationalrats, sondern in einem kleinen Besprechungszimmer, in dem sich die Abgeordneten zurückziehen können, wenn sie vertraulich etwas bereden wollen. Von dem frisch renovierten Parlament in der österreichischen Hauptstadt sieht man wenig. 

"Abstellkammerl" und "DDR-Charme"

Nun gibt es zwei Sichtweisen: Kritikerinnen und Kritiker sprechen von einem "Abstellkammerl" und "DDR-Charme", den das Interview-Setting versprühe. Der ORF will mit der spartanischen Ausstattung den Blick auf das Wesentliche lenken: Die Inhalte des Gesprächs. Das nun aber gefühlt die ganze Republik über die Holzvertäfelung in dem Interview-Raum spricht, kann auch nicht im Sinne des ORF sein. Das "Sommergespräch"-Setting ist jedenfalls eine Weiterentwicklung eines mobilen Studios, in dem man Anfang des Jahres bereits Bundespräsident Alexander Van der Bellen interviewt hatte - auch da herrschte eine düstere Stimmung

Sommergespräche ORF 2023 © ORF/Roman Zach-Kiesling Radikale Reduktion auf das Wesentliche. Man könnte auch sagen: Hier sieht es aus wie in einem DDR-Spionage-Thriller.

Dass der ORF in diesem Jahr etwas neues ausprobieren wollte und auf eine drastische Reduktion des Settings setzt, kommt nicht überraschend. In den vergangenen Jahren hatte man mit den "Sommergesprächen" immer mal wieder mit größeren und kleineren Problemen zu kämpfen - was meisten daran lag, dass die Interviews draußen stattfanden. 2019 und 2021 wurde man von Regen überrascht, was zu einem kurzfristigen Location-Wechsel während der Live-Sendung führte. 2020 wurde der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz von einer Gelse (Mücke) gestochen und bereits im Jahr 2009 wurden Ingrid Thurnher und die damalige grüne Interimschefin Maria Vassilakou Opfer eines kleinen Sturms. BZÖ-Chef Bucher war damals wegen der Glocken des Salzburger Doms minutenlang nicht zu verstehen. Und dann waren da ja auch noch die Elefantengeräusche, die ein Kakao-Energydrinkhersteller 2019 mit großen Lautsprechern während der Live-Sendung abgespielt hatte.

Nun wollte man den Fokus der Sendung eben auf die Gespräche legen und so wenig Ablenkung wie möglich zulassen - und hat genau mit dieser Reduktion die nächste Ablenkung geschaffen. Sogar die erste Politikerin, die im Rahmen der Reihe in diesem Jahr interviewt wurde, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, sprach im Anschluss an die Ausstrahlung von einem "düsteren" und "schrägen" Setting. Die Politikerin: "Wie bei einem Verhör in einem Spionage-Thriller". Ihr Lieblingssetting sei das nicht gewesen, so Meinl-Reisinger. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sich die Zuschauerinnen und Zuschauer auf das Gespräch hätten konzentrieren können. 

Interviews sind auch nicht mehr live

Und auch nach dem Interview mit Grünen-Chef Werner Kogler wurde über das Setting und die Sitzhaltung des Politikers gesprochen. Anders als Meinl-Reisinger in der Woche zuvor saß Kogler über die gesamte Zeit hinweg kerzengerade ganz vorne auf der Kante des Sessels, was zu einem skurrilen Bild führte. Susanne Schnabl saß währenddessen entspannt zurückgelehnt in ihrem Sessel. Und auch wenn Kogler zu Beginn des Gesprächs sagte, er fühle sich wohl in dem Zimmer und es käme ihm vertraut vor - so richtig sah man ihm das nicht an. 

Der ORF hat aber weit mehr geändert als nur das Setting der "Sommergespräche". Nach langer Zeit sind die Interviews in diesem Jahr nicht live, sondern werden freitags aufgezeichnet. Die Ausstrahlung erfolgt am Montagabend. Dass das auch Nachteile mit sich zieht, wurde gleich beim ersten Gespräch deutlich. Am Wochenende nach der Aufzeichnung wurden Teile Österreichs von schweren Unwettern heimgesucht, die heftige Überschwemmungen nach sich zogen. Bei der Ausstrahlung am Montag gingen Schnabl und Meinl-Reisinger darauf natürlich nicht ein - wie sollten sie auch. Und dennoch wollte die Politikerin am Ende ihres Gesprächs noch über die aus ihrer Sicht zügellose Bodenversiegelung in Österreich sprechen - wurde aber schnell abgewürgt. Zeit vorbei. Blöd gelaufen, gleich in mehrfacher Hinsicht.