Als "Bild" ins Fernsehen expandierte, wollte es der Springer-Verlag wissen: Noch bevor sich Olaf Scholz und Armin Laschet beim "TV-Triell" gegenüberstanden, befragte "Bild" die beiden Kanzlerkandidaten live in seinem Studio. Von einer großen "Kanzlernacht" war die Rede, die standesgemäß von einem "Countdown" und einer "Analyse" eingerahmt wurde. Ein Aufschlag, wie er wohl im Lehrbuch von "Deutschlands größter Medienmarke" steht, als die Springer "Bild" gerne bezeichnet.

Nun, zwei Jahre später, ist von solchen Highlights im Programm von Bild TV nichts mehr zu spüren. Wer wissen will, was der Fernsehsender zeigt, stößt auf Dokumentationen über Kreuzfahrtschiffe, Gefängnisse und Flugzeugzeugträger. Dass sich ausgerechnet am Sendergeburtstag ein Film mit dem Schwarzen Loch befasst, passt irgendwie zum Eindruck, den Bild TV inzwischen erweckt: Die anfängliche Anziehungskraft ist riesig, doch am Ende bleibt nichts übrig.

Paul Ronzheimer © Wolf Lux Paul Ronzheimer
An das anfänglich Versprechen vom "ersten Fernsehsender, der live Schlagzeilen" macht, glaubt wohl selbst bei Springer niemand mehr. Und was von der zwischenzeitlichen Ankündigung, zumindest in außergewöhnlichen Breaking-News-Situationen noch live auf Sendung gehen zu wollen, zu halten ist, konnte man sehen, als es Ende Juni in Russland zum Putschversuch kam: Nichts. Längst lässt sich "Bild"-Vize Paul Ronzheimer beim Schwestersender Welt zuschalten, wenn er Neues von der Kriegsfronst in der Ukraine zu berichten hat. Bild TV dagegen wirkt wie ein Patient, der nur noch künstlich am Leben gehalten wird. Das lässt sich auch an den Kurznachrichten im Vorabendprogramm ablesen, die kaum länger als eine Minute andauern und um einen ebenso kurzen Gesundheitsschnipsel ergänzt werden, in dem kürzlich, mitten im Hochsommer, die Frage beantwortet wurde, ob man auch im Winter Sonnencreme auftragen sollte. Dass sich die Autotests im "Auto Bild"-Magazin nach nur wenigen Wochen wiederholen, fällt da schon kaum noch ins Gewicht. 

Tot ist Bild TV trotzdem nicht. Neuerdings hoffen die Springer-Verantwortlichen auf die Strahlkraft von Live-Sport. Am kommenden Wochenende wird der Sender erstmals ein Spiel der Handball-Bundesliga übertragen, wenige Wochen später soll die Basketball-Bundesliga folgen. Die Chance, damit die hauseigene Marke "Sport Bild" zu stärken, hat Springer verpasst, weil die Übertragungen in erster Linie dabei helfen sollen, den neuen Sportstreamingdienst Dyn, den Springer zusammen mit dem ehemaligen DFL-Boss Christian Seifert betreibt, bekannt zu machen. Ob das wirklich die erhoffte Win-Win-Situation ergeben wird, muss sich noch zeigen. 

Sollte der jüngst gestartete Sport-Talk "Halleluja" ein Gradmesser sein, dann sind die Erfolgsaussichten eher trübe: Am vergangenen Sonntag lagen die Quoten im nicht messbaren Bereich. Auch sonst ist Bild TV von einem Erfolg weit entfernt: Die monatlichen Marktanteile liegen in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen nach wie vor beständig bei 0,1 Prozent, auch wenn nach außen nach wie vor das Bild von einer Erfolgsgeschichte aufrechterhalten werden soll. Von einer "gezielten, schrittweisen Weiterentwicklung des Programms", sprach Franjo Martinovic, der als CEO von Visoon die Vermarktung von Bild TV verantwortet, jüngst gegenüber "Meedia", und ergänzte: "Damit sind wir auch ohne Livenachrichtenstrecke bei Bild TV aus Vermarktungssicht genau auf dem richtigen Weg."

In Wirklichkeit darf bezweifelt werden, dass es den Ansprüchen von "Deutschlands größter Medienmarke" genügt, sich im Fernsehen auch nach 24 Monaten noch immer auf dem Quoten-Niveau des längst vergessenen Bollywood-Senders Zee.One zu bewegen. Die Wahrheit ist: Aktuell rangiert Bild TV noch hinter Kleinstsendern wie Home & Garden TV oder Servus TV, dessen Ende in Deutschland gerade erst besiegelt wurde.

"Nius" geht den Bild-TV-Weg weiter

Julian Reichelt © Axel Springer Julian Reichelt
Dass die Ambitionen von Bild TV heute längst nicht mehr so groß sind wie noch vor zwei Jahren, hängt freilich mit verschiedenen Faktoren zusammen. So macht der schwache TV-Werbemarkt auch vor Axel Springer nicht Halt - und mit Ex-Chefredakteur Julian Reichelt ist der größte Fürsprecher längst von Bord gegangen. Vor diesem Hintergrund entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass sich neuerdings die Online-Plattform "Nius" mit Reichelt als Zugpferd anschickt, dort weiterzumachen, wo Bild TV unter seiner Führung einst aufgehört hat. In dieser Woche bekommt Ex-ARD-Sportreporter Waldemar Hartmann dort mit "Dritte Halbzeit" sein eigenes Fußball-Format, Ex-"Bild"-Reporter Ralf Schuler interviewte jüngst den Kabarettisten Dieter Nuhr und unter dem Titel "Stimmt!" zeigt "Nius" mehrfach pro Woche einen Talk, der stark an die Bild-Show "Viertel nach Acht" erinnert.

Ob es mit "Viertel nach Acht" weitergehen wird, steht unterdessen noch immer nicht fest. Schon Anfang Juni hatte der "Spiegel" berichtet, dass die Sendung vor dem Aus steht. Bei Springer hieß es damals, sie befinde sich "regulär" in der Sommerpause. Einen neuen Stand hat das Unternehmen auch jetzt, fast drei Monate später, nicht mitzuteilen. Es sei ja noch Sommer, heißt es lapidar. Doch dass einen Monat vor Herbstbeginn noch immer keine Aussage zur Zukunft des Talks getroffen werden kann, spricht freilich auch Bände. Ohnehin bleiben auch andere Fragen offen: Was macht eigentlich der zum Sendestart vom NDR geholte Moderator Thomas Kausch? Und wie geht es weiter mit Claus Strunz, der zwar nach wie vor Chef des "Frühstücksfernsehen"-Produzenten MAZ & More ist, aber einst Mitglied der "Bild"-Chefredaktion und für die TV-Aktivitäten verantwortlich war? Offizielle Antworten darauf gibt es auf DWDL.de-Nachfrage nicht. 

In zwei Jahren steht die nächste Bundestagswahl an. Dass es dann noch einmal eine "Kanzlernacht" bei Bild TV geben wird, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist da schon, dass dann mal wieder ein Film über das Schwarze Loch gesendet wird. Wenn überhaupt.