So viel Glück muss man erst mal haben. Da stemmt Oliver Berben die teuerste Serie, die er jemals auf europäischem Boden produziert hat, mitten in krisenhaften Zeiten – und fast alles geht glatt. Massive Einsparungen bei TV-Sendern und Streaming-Diensten? Zum Glück war die Finanzierung abgeschlossen, kurz bevor der Markt sich drehte. Streikende US-Autoren? Zum Glück waren die Drehbücher fertig, kurz bevor der Streik begann. Streikende Hollywood-Schauspieler? Zum Glück hatte das einzige SAG-Mitglied im Cast, Anthony Hopkins, alle seine Szenen abgedreht, kurz bevor der Streik begann.

Für Roland Emmerichs zehnteiliges Gladiatoren-Epos "Those About to Die", das noch bis Mitte Oktober in Rom gedreht wird, scheinen die Sterne günstig zu stehen. Constantin-Vize Berben, CEO Martin Moszkowicz und ihr Joint-Venture-Partner Herbert Kloiber gehen mit der neuen Firma High End Productions gleich in die Vollen: Über 150 Millionen US-Dollar kostet die erste Staffel – macht 15 Millionen pro Episode. Emmerich und seine amerikanischen Produktionspartner hatten 2020 zunächst AGC Television als Studio und Weltvertrieb gewonnen, die US-Rechte gingen Anfang 2021 an Peacock. Zum selben Zeitpunkt erwarb High End die Rechte für Europa.

Es sei ein "enormes Risiko" gewesen, mit solch einem "riesigen Investment" einzusteigen, gab Berben unlängst gegenüber dem US-Fachblatt "Variety" zu. Aber: Es habe "fantastisch funktioniert" und sei ein "klares Signal, dass wir unsere Träume erfüllen und die Rechte Land für Land verkaufen können, auch wenn wir den europaweiten Deal mit Amazon fürs First Window gemacht haben". Prime Video hatte Anfang August vermeldet, das SVoD-Fenster an "Those About to Die" für weite Teile Europas gekauft zu haben. Mit den nachgelagerten Free-TV-Rechten wollen die Partner sich Zeit lassen, um möglichst die gegenwärtige Krise der Werbekonjunktur auszusitzen. Einzige Ausnahme: In Österreich hat Servus TV bereits zugegriffen.

Constantin Film auf einen Blick

  • Vorjahresumsatz: ca. 350 Millionen Euro

  • Vorstand: Martin Moszkowicz (CEO), Oliver Berben, Martin Bachmann, Hanns Beese, Franz Woodtli

  • Gesellschafter: Highlight Communications AG

  • Produktionsfirmen: Constantin Entertainment, Constantin Television, Hager Moss Film, Moovie, Olga Film, Rat Pack Filmproduktion

  • Produktionen 2023: Cassandra (Netflix); Dahoam is dahoam (BR); Der Kroatien-Krimi (ARD); Der Palast 2 (ZDF); Die Heiland (ARD); Justizpalast (ARD); LOL (Prime Video); Shopping Queen (Vox); Those About to Die (Prime Video); Ulrich Wetzel – Das Strafgericht (RTL)

Für Constantin Film als Konzern ist die 50-Prozent-Beteiligung an High End ein wichtiger Schritt in Richtung des erklärten Ziels, weniger Auftragsproduktionen mit Buyout zu machen und stattdessen durch internationale Koproduktionen und klassischen Weltvertrieb mehr Rechte im eigenen Haus zu behalten. Im Geschäftsjahr 2022 machten Auftragsproduktionen für TV und Streaming freilich noch den Löwenanteil am Gesamtumsatz aus, nämlich 66 Prozent oder 232 Millionen Euro. Das erhebliche Wachstum um 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr resultierte daraus, dass neben den täglichen Dauerbrennern "Dahoam is dahoam" und "Shopping Queen" eine Reihe größerer Netflix-Produktionen wie "Resident Evil", "Blood & Gold", "Liebes Kind" oder "Der Parfumeur" zu Buche schlugen.

Insgesamt konnte die Constantin ihren Umsatz um 17 Prozent auf 350 Millionen Euro steigern, während das Vorsteuerergebnis um 29 Prozent auf neun Millionen Euro absackte. Wegen der schwachen Besucherzahlen steuerte der Kinoverleih gerade einmal fünf Prozent zum Umsatz bei. 13 Prozent kamen aus dem Home Entertainment, zwölf Prozent oder 43 Millionen Euro aus der Lizenzierung der TV-Rechte von Kinofilmen sowie TV-Eigen- und Koproduktionen. Hier verzeichneten laut Geschäftsbericht vor allem die Serien "Ferdinand von Schirach – Strafe" und "Lauchhammer" sowie die Filme "Das perfekte Geheimnis" und "Jim Knopf und die wilde 13" nennenswerte Erlösanteile.

Für das laufende Jahr plant der Münchner Konzern mit deutlich rückläufigen Umsätzen "in einer Größenordnung von 260 bis 290 Millionen Euro" und mit einem abermals sinkenden Vorsteuerergebnis "von -4 bis 0 Millionen Euro", also einem möglichen Schlittern in die roten Zahlen. Schuld an dieser Prognose seien die "zeitverzögert wirkenden Effekte der Corona-bedingt allgemein reduzierten Produktionstätigkeit der Vorjahre" und die damit verbundenen "erheblich geringeren Erlöse der zeitlich nachgelagerten Auswertungsstufen aufgrund der wesentlichen Einschränkungen der Kinoauswertung während der Corona-Pandemie".

So arbeitet Constantin Film mit KI

  • KI-Technologie spiele bereits eine "bedeutende Rolle" in der Constantin Film, sagt CEO Martin Moszkowicz. Eingesetzt werde sie etwa für Datenanalysen, um Kundenverhalten besser zu verstehen, personalisierte Empfehlungen zu geben und das Marketing zu optimieren. KI-Tools unterstützen ebenso die visuelle Effektbearbeitung und die Postproduktion. Moszkowicz: "Wir setzen KI auch bei digitalen Produktionsprozessen ein, so etwa bei der Herstellung unserer internationalen Großproduktion 'In the Lost Lands', deren Sets fast vollständig im Studio und mit der Unreal Engine entstanden sind. In Zukunft planen wir, KI verstärkt in den kreativen Prozessen einzusetzen, um beispielsweise das Drehbuchschreiben zu unterstützen oder virtuelle Filmwelten zu generieren."

Bekanntlich werden die Rahmenbedingungen derzeit nicht gerade besser. Auf DWDL.de-Nachfrage nennt Moszkowicz das Jahr 2023 daher "herausfordernder als 2022". Das liege an verschiedenen Entwicklungen: "Kinobesuch nach Covid, reduzierte Pipeline in den Ancillary-Auswertungen durch weniger Kinostarts, reduzierte Beauftragungsvolumina bei Streamern und TV, höhere Produktions- und Finanzierungskosten, Streiks in den USA." Letztere könnten durchaus Auswirkungen aufs Geschäft der Constantin haben, da etliche der internationalen Produktionen von WGA- und SAG-AFTRA-Mitgliedern abhängen und das verfügbare Angebot auf den Filmmärkten abnehmen könnte. "Je nach Länge des Streiks werden die Auswirkungen intensiver", so Moszkowicz. "Wir beobachten die Situation genau und bemühen uns, alternative Lösungen zu finden, um den Produktionszeitplan und die Qualität unserer Filme aufrechtzuerhalten."

Immerhin führt der jüngste Quartalsbericht der börsennotierten Constantin-Mutter Highlight Communications die laufende 20. Staffel von "Dahoam is dahoam", die Folgen 15 und 16 des "Kroatien-Krimis", den sechsten Teil des "Passau-Krimis" sowie die Constantin-Entertainment-Produktionen "LOL 4" und "Ulrich Wetzel – Das Strafgericht" als wesentliche Umsatzbringer an. Auch das Reality-Format "Kaulitz Hills", eine TV-Adaption des erfolgreichen Spotify-Podcasts, wird dort in Aussicht gestellt – "dies wäre der erste Netflix-Auftrag für Constantin Entertainment".

Auch noch im laufenden Jahr erwartet die Constantin ausweislich ihres Geschäftsberichts "signifikante Umsatzerlöse" aus zwei Projekten: einerseits die "aufwendige Serien-Produktion 'Gennat'" – eine historische Erzählung über den Berliner Kriminalrat Ernst Gennat (die von Udo Samel gespielte Figur in "Babylon Berlin"), der in den 1920er Jahren die Arbeit der Mordinspektion revolutionierte, indem er moderne Methoden bei der Spurensicherung einführte; andererseits die Netflix-Serie "Cassandra" von Regisseur Benjamin Gutsche ("Arthurs Gesetz", "All You Need"), die die Constantin-Tochter Rat Pack Film momentan im Rheinland dreht. Für 2024 rechnet der Konzern wieder mit steigenden Umsatzerlösen, weil dann zwei Großprojekte zur Auswertung kommen sollen: die internationale High-End-Serie "Smilla's Sense of Snow", die ab Mitte September in Litauen gedreht wird, und das "bildgewaltige Fantasy-Epos 'Hagen' (aufwendig sowohl für die große Kinoleinwand als auch als sechsteilige Serie für RTL+ produziert)".

Abseits konkreter Produktionen konnte Moszkowicz im Juli mit der bemerkenswerten Nachricht vom neuen Output-Deal zwischen Constantin und Netflix glänzen. Demnach erwirbt der Streamer nicht nur das Pay-Window für Constantin-Kinofilme im deutschsprachigen Raum, sondern beteiligt sich auch mit einem "relevanten Betrag" an der Finanzierung der Produktionen. Die Vereinbarung dürfte die Erlöse im Segment Lizenzhandel vom nächsten Jahr an deutlich pushen. Zu den Rückschlägen – neben den Kontroversen um Til Schweiger und Rita Falk – zählt der Umstand, dass Moszkowicz eine seiner Tochterfirmen abschreiben musste: Die 51-Prozent-Beteiligung an der Münchner Pssst! Film, die zuletzt etwa "Servus Baby" für den BR produzierte, wurde wertgemindert und von zuvor 248.000 Euro auf Null abgeschrieben, weil der Firmenwert "nicht mehr durch die geschätzten zukünftigen Cash-Flows gedeckt" gewesen sei.

Produktionsriesen im Umbruch – bisher erschienen