Um eine persönliche Bilanzierung gehe es ihm nicht, versichert Nico Hofmann, als DWDL.de ihn zum Gespräch trifft. Und nein, an Ruhestand ist bei Hofmann gewiss noch nicht zu denken, auch wenn es kaum mehr als einen Monat her ist, dass der Produzent den CEO-Posten bei der UFA an Sascha Schwingel gab, einen seiner langjährigen Vertrauten. Überraschend kam der Stabwechsel nicht; dass der Wechsel dennoch ab sofort gilt, hat dann aber doch viele in der Branche erstaunt.
Die CEO-Aufgabe ist Hofmann zwar los, doch als Chairman sitzt er auch weiterhin in der Geschäftsführung. Und wer ihn jüngst auf der Fernsehmesse in Cannes traf, konnte feststellen, dass der 63-Jährige voller Tatendrang steckt und die Branche weiter genau im Auge behält. "Meine Energie fließt ins Weitermachen", sagt er - und lässt sich dann doch zu einer kleinen Zwischenbilanz hinziehen. "Fulminant aufgegangen" sei seine Nachwuchswuchsarbeit, erklärt Hofmann. "Ich stolz darauf, vor und hinter der Kamera einen Generationenwechsel angestoßen zu haben."
Wichtig ist ihm aber auch der Diversity-Bereich oder beim Green Shooting, wo sich nach seiner Auffassung das Bewusstsein verändert haben. Die Lorbeeren will Hofmann dafür aber nicht einheimsen. "Das liegt weniger an mir, sondern an einer neuen Generation, die Themen wie diese ganz selbstverständlich einfordert."
Auffällig ist, dass Nico Hofmann die derzeit in der TV-Branche verbreitete Katerstimmung nicht teilt. "Ich habe die Finanzkrise, den 11. September und Corona erlebt", sagt er im Gespräch mit DWDL.de und vergleicht den Fernseh- mit dem Aktienmarkt. "Alle acht Jahre gibt es eine Art zyklische Grunderneuerung. Daher ist die Neuorientierung, die wir gerade erleben, keine außergewöhnliche Erfahrung für mich." Und doch ist die derzeitige Krise anders gelagert. "Was allerdings sehr wohl besonders ist, ist die Weltlage, die mit so viel Schmerz und Leid verbunden ist."

Eine Welle, die sich ausschließlich in Richtung Mainstream bewegt, will der UFA-Produzent daher nicht erkennen. "Wir erleben aber sehr wohl, dass sich beide Systeme aufeinander zu bewegen: Die Streamer entwickeln sich immer mehr in Richtung lineares Fernsehen und das lineare Fernsehen wiederum immer mehr in Richtung der Spitzen der Streamer." Das sei, sagt Hofmann, "eine tolle Entwicklung, weil beide Energien am Markt erhalten bleiben." Ohnehin seien insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender zunehmend offen für radikale Programme.
"Was in Europa, was in Deutschland produziert wird, wird in Amerika wahrgenommen."
Sich zurückzulehnen, wäre jedoch aus Hofmanns Sicht das falsche Signal. "Niemand in der Branche kann es sich im Moment leisten, sich auf die faule Haut zu legen", betont er. "Wer sich ausruht, verliert den Anschluss und ist schnell weg." Gleichzeitig warnt Hofmann "entschieden vor jeder Form der Übernervosität, die dazu führt, dass lieber der vermeintlich sichere Mittelweg genommen, weil Radikalität erstmal anstrengend ist". Stattdessen müsse man mehr denn je riskieren, um sich erfolgreich am Markt zu behaupten.
Nico Hofmann erwartet daher auch nicht, dass Europa sehr stark vom weiter anhaltenden Streik in Amerika profitieren wird. Er weiß: "Ein europäisches Produkt ersetzt in aller Regel kein amerikanisches." Gleichwohl attestiert der Produzent dem europäischen Markt "eine wahnsinnige Stärke" und betont: "Was in Europa, was in Deutschland produziert wird, wird in Amerika wahrgenommen." Zugleich prognostiziert Hofmann, dass viele Themen des Streiks auch nach Europa schwappen werden. "Da geht es beispielsweise um die Frage, welchen Anteil Kreative oder Schauspielerinnen und Schauspieler beim Einsatz von KI am Urheberrecht haben. Die Frage, die diskutiert werden muss, lautet: Was ist der eigene Wert?"
Seiner Branche sagt er aber auch abseits davon spannende Kämpfe voraus. "In den nächsten Jahren werden wir einen noch viel intensiveren Wettbewerb um die besten Köpfe und besten Stoffe erleben", sagt Hofmann. Und ganz sicher wird auch er in diesem Wettbewerb ein Wörtchen mitsprechen wollen.