Diversität ist in aller Munde und das inzwischen auch in den vielfältigsten Dimensionen dieses wichtigen Themas: Hautfarbe, Glaube, Geschlecht, sozialer Herkunft, sexuelle Orientierung und Identität gehören dazu ebenso wie die Einbindung von Menschen mit Behinderungen. Je nach Branche geht es um Chancengleichheit, um Partizipation und in den Medien allen voran um Sichtbarkeit - um das Spiegelbild u.a. in Film und Fernsehen. 

Doch seltener diskutiert wird dabei die Dimension des Alters, vielleicht auch weil sie vorrangig nur ein Geschlecht betrifft: Die Frauen. Während Männer bis ins hohe Alter in TV und Film als Sex-Symbol besetzt werden können oder aber im Zweifel mit ergrautem Haar automatisch als weise gelten, sei das mediale Bild der Frau deutlich beschränkter. Neben Schauspielerin Maria Furtwängler ist Journalistin Silke Burmester in den vergangenen Jahren mit ihrem eigenen Magazin Palais F*luxx sowie Protestaktionen wie „Let's Change the Picture“ zur prominentesten Aktivistin bei diesem Thema geworden.

Silke Burmester © Medientage München Journalistin Silke Burmester

Die Medientage München gaben ihm die große Bühne - und führten zu einer erfrischenden Debatte, weitgehend frei von Werbung für die eigene Großartigkeit, mit denen manchmal allein von Konzernen und Unternehmen besetzten Panels viel Zeit fürs eigentliche Thema vergeuden. Nicht so bei Golden Girls – Weibliche. Sichtbarkeit und Modern Aging in den deutschen Medien“, wo Burmester neben TV-Moderatorin Marijke Amado und Sat.1-Chefredakteurin Juliane Eßling unter Moderatorin von Journalistin und DWDL-Autorin Senta Krasser diskutierte. 

Nein, natürlich gebe es auch Frauenfiguren zwischen 40 und 60 im deutschen Fernsehen - also jenem Korridor in dem Frauen scheinbar als zu alt für Erotik und zu jung für die Großmutter gelten. Aber was für Rollen seien das dann bitte, empört sich Burmester: „Diese Frauen werden meist betrogen oder verlassen und fahren dann mit Bastkorb am Fahrrad durchs Dorf.“ Und im Non-Fiktionalen spüre sie bei Magazinen, die sich an Frauen richten soll, eine Beschränkung auf „Kochen, Haushalt und Familie“. Unter Applaus aus dem Publikum fügt Burmester an: „Das ist doch ein Frauenbild, das in den 90ern hängen geblieben ist.“

"Mit 70 wird man in den Medien ins Altersheim gesteckt."

Nicht ganz zustimmen kann und will Juliane Eßling, Chefredakteurin von Sat.1, wo man erklärtermaßen gerade die Frauen zwischen 40 und 64 Jahren ansprechen möchte. Sie wirft Namen wie Marlene Lufen, Ruth Moschner oder Birgit Schrowange in den Raum, die ganz und gar nicht für ein biederes Frauenbild stünden. Und die neue Vorabendserie, wenn auch nicht in ihrem Verantwortungsbereich, dreht sich um die von der 40-jährigen Caroline Frier gespielte Hauptfigur. Aber Eßling stimmt der Runde zu: „Bei Frauen wird Alter immer mit Optik verbunden.“ Für ihr Alter sehe sie ziemlich gut aus, höre man bei Männern seltener.

Aber es tue sich was: „Wir alle wollen inzwischen ältere Menschen erreichen“, so die Sat.1-Chefredakteurin. „Es hat ein Umdenken stattgefunden. Noch vor zehn Jahren hätte das anders ausgesehen. Ich bin lang genug dabei um sagen zu können, dass es mal anders war. Aber das Alter ist heute kein Kriterium mehr.“ Marijke Amado sieht das anders, zumindest beim Blick ins deutsche Fernsehen: „Mit 70 wird man in den Medien ins Altersheim gesteckt.“ Auf der Bühne der Medientage München wird unmissverständlich deutlich: Die Amado, die würde gerne nochmal. 

Juliane Eßling © Medientage München Sat.1-Chefredakteurin Juliane Eßling

Sie wäre bereit, wenn auch nicht mehr mit der „Mini Playback Show“. Die sei ja auch aus mehrerlei Gründen heute schwierig, merkt Burmester schnell von der Seite an. In den Niederlanden dürften auch ältere Frauen noch moderieren, aber in Deutschland?  Immerhin, ein bisschen Bewegung attestiert Amado auch dem deutschen Fernsehen, lässt Ulla Kock am Brinks Neuauflage der „100.000 Mark Show“ als Schritt in die richtige Richtung gelten. Und auch sie selbst habe gerade etwas Neues fürs deutsche Fernsehen aufgezeichnet, ohne Details zu verraten. 

Doch abseits eigener Comeback-Pläne sieht sie eine Medienlandschaft, die gesellschaftliche Realitäten zumindest vor der Kamera nicht abbildet. Hinter der Kamera, erzählt Amado, sei das Fernsehen in den 80ern, beim „WWF Club“ etwa, noch eine reine Männerdomäne gewesen. Frauen seien hinter den Kulissen allenfalls Assistentin gewesen. Das habe sich geändert, aber vor der Kamera sei mehr drin. Sie wünscht sich, dass die junge Generation von Frauen in den Medien weiterkämpfe wo sie, aber auch Kolleginnen wie Isabel Varell oder Birgit Schrowange, sich schon in den 80ern bzw. 90ern engagierten.

„Was sind eigentlich Frauenthemen?“

Doch zurück zu den Themen und Rollen. Denn insbesondere da gebe es Probleme. „Was sind eigentlich Frauenthemen?“, fragt sich Sat.1-Chefredakteurin Juliane Eßling - auf der Bühne aber für Sat.1 natürlich auch im beruflichen Alltag. Inhaltlich ließen sich Frauen schließlich ungerne beschränken, für ihre Arbeit in Sat.1 ergänzt sie: Es gehe wenn dann um die Erzählformen oder den Ansatz, sich einem Thema zu nähern. Aber beim plumpen Begriff „Frauenthemen“ reagiere sie durchaus allergisch, wenn das einfach mal so - insbesondere natürlich von Männern - in den Raum geworfen werde. 

Marijke Amado © Medientage München TV-Moderatorin Marijke Amado

„Ältere Menschen haben auch Humor und Spaß, nicht nur Krankheiten“, moniert Amado bei den mit dem Alter oft assoziierten Themen. „…und wir haben Sex“, wirft Burmester ein. Der einzige Werbedeal, der Amado zuletzt angeboten worden sei, wäre von einem Hersteller für Inkontinenzeinlagen gekommen. Dabei sei Werbung insgesamt schon weiter als das Programm, lobt Burmester. Da gebe es inzwischen häufiger auch graue Haare. Und das nicht nur bei Produkten für ältere Frauen sondern im Sinne von Frauen als normaler Teil der Gesellschaft.“ Häufiger als in der Fiktion, auch wenn Streamingdienste das Bild hättene in bisschen zurecht rücken können.

Immer wieder höre sie, sagt Silke Burmester, dass alte Menschen ungerne alte Menschen sehen wollen. Woher komme eigentlich diese Behauptung? Die Journalistin würde sie anzweifeln, erlebt das anders. Am Ende von 45 durchaus lebhaften Minuten bleibt neben dem Comeback-Wunsch von Marijke Amado die zarte Hoffnung übrig, dass schon allein die demografische Entwicklung in Deutschland dazu führen werde, die Sichtbarkeit von „Golden Girls“ zu verbessern, weil die Nachfrage der Unsichtbaren größer wird.