"Wenn es nach mir geht, dann könnten wir direkt loslegen." Sven Pietsch, als Chefredakteur von ProSiebenSat.1 für die Nachrichtenmarke "Newstime" verantwortlich, kann es gar nicht abwarten, die neuen Räumlichkeiten in Unterföhring endlich zu beziehen. Dem Zeitplan hinkt die Sendergruppe ohnehin schon hinterher: Ursprünglich hoffte Pietsch darauf, schon zu Jahresbeginn mit seiner Redaktion aus dem neuen Nachrichtenstudio inmitten des "New Campus" durchstarten zu können. Doch daraus wurde bekanntlich nichts.

Dabei wäre der Januar ein idealer Zeitpunkt gewesen, schließlich produziert ProSiebenSat.1 die Nachrichten für seine Sender seither wieder selbst, nachdem diese Aufgabe einige Jahre lang von WeltN24 übernommen wurde. So aber mussten Pietsch und sein Team umplanen; mussten nicht nur die Vorbereitungen für die neuen vier Wände treffen, sondern auch einen Plan B aus der Tasche zaubern. Aus diesem Grund kommen die Nachrichtensendungen der Gruppe erstmal aus einem alten Behelfsstudio mit Greenscreen und nicht aus dem modernen Setting mit seiner großen LED-Wand als Herzstück, an das sich auch noch ein kleines Extra-Studio für Social Media und Sondersendungen anschließt. Später soll hier auch Augmented Reality zum Einsatz kommen.

Tatsächlich wäre das Studio im Neubau an der Medienallee schon jetzt sendefähig, auch wenn die Corona-Folgen zwischenzeitlich für Verzögerungen - und erhebliche Teuerungen - bei der Lieferung der Technik sorgten. Doch längst hat die "Baustelle in der Baustelle", wie Knut Heckel, Mitglied des Projekt-Teams, die Arbeiten am Nachrichten-Set nennt, die restlichen Innenarbeiten locker überholt.

Dass heute zumindest schon geprobt werden kann, auch wenn die noch nicht in Betrieb genommene Klimaanlage die Temperatur im Studio auf mehr als 30 Grad treibt, hat ProSiebenSat.1 einer Sondergenehmigung zu verdanken. Auf die generelle Freigabe wartet das Unternehmen aber noch immer. Und so muss auch weiterhin Helm und Warnweste getragen werden, wenn der Neubau betreten wird. Dieser besticht im Inneren durch, nun ja, rohen Charme. Die Betonwände im Treppenhaus oder der Blick auf die Kabelleitungen unterhalb der Flurdecken erwecken zwar den Eindruck, als sei alles noch in einem frühen Stadium. Doch Heckel versichert, dass dies schon der Endzustand ist. Gebrochen werden soll der Industrial-Style zu einem späteren Zeitpunkt allerdings durch ein gemütliches Mobilar.

ProSiebenSat.1-Neubau © DWDL
"Im nächsten Jahr", so seine grobe Hoffnung, soll es endlich so weit sein, rund sechs Jahre nach dem Beginn der Abrissarbeiten der Gebäude an der Gutenbergstraße 4, in denen sich bis dato Studios, Technik und Infrastruktur befanden. Verglichen mit anderen neuen Gebäuden auf dem New Campus, ist jenes Gebäude, in dem neben der Nachrichtenredaktion auch dutzende Vertonungsräume unterkommen werden, aber ohnehin schon recht weit. Nebenan, wo gleich vier Studios entstehen, ist an Einzug noch längst nicht zu denken. Ein ebenso langer wie hoher Zwischenbereich - der "Canyon", wie sie im Sender scherzen - trennt die unterschiedlichen Baustellen voneinander. Während auf der einen Seite schon der Teppich verlegt ist, fliegt drüben noch eine Taube durch den hohen Raum, der einmal ein Studio werden soll. 

"Rund ist immer teurer"

Gegenüber, bei einem weiteren neuen Gebäude, wurden bislang noch nicht einmal die Klinkersteine an die Fassade geklebt. Und von der großen Überdachung, die in einem letzten Bauabschnitt den Eingangsbereich des "New Campus" zieren soll, ist ebenfalls noch nichts zu sehen. Ohnehin ist noch nicht vollends klar, welche Teams in Zukunft in welchen Gebäuden unterkommen werden. Knut Heckel verweist auf flexible Räumlichkeiten, die an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden können. Und die haben sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor drei Jahren bekanntlich massiv verändert. Noch immer arbeitet ein großer Teil der ProSiebenSat.1-Belegschaft im Homeoffice - und die jüngst vorangetriebenen Entlassungen haben den Platzbedarf am Standort in Unterföhring eher noch verringert.

Dass die ursprünglichen Planungen noch aus einer anderen Zeit stammen, lässt sich schon von außen erkennen: Nicht eckig, sondern mit ästhetischen Rundungen kommen die noch unter Thomas Ebeling geplanten Bauten daher. "Aber rund ist auch immer teurer", scherzt Knut Heckel. Zusätzliches Geld, das heute, in Zeiten der tiefen Werbekrise, vermutlich nicht mehr für derartigen Schnickschnack ausgegeben würde.

Sven Pietsch © DWDL Sven Pietsch
Immerhin, in Sven Pietschs Nachrichtenredaktion wird derzeit massiv investiert. "Bei uns stehen die Zeichen auf Wachstum", sagt der Chefredakteur am Rande der Baustelle im Gespräch mit DWDL.de und erzählt stolz davon, dass sein Team inzwischen mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst. Perspektivisch sollen sogar noch weitere hinzukommen - etwa im Grafik-Bereich, weil die Bespielung der LED-Wände im neuen "Newstime"-Studio, das an eine Mischung aus "Tagesschau", "RTL aktuell" und Welt erinnert, ungleich mehr Aufwand verlangt als beim derzeit verwendeten virtuellen Set. Doch noch kann sich Pietsch Zeit lassen mit dem Recruiting, schließlich ist an dem Umzug auf das benachbarte "New Campus"-Gelände noch immer nicht zu denken.