Von einem "großen Wurf" hatte Claudia Roth geträumt, als sie am Dienstag ihre Absichtsbekundungen für die Neuaufstellung der deutschen Filmförderung präsentierte. Ein Dreiklang aus FFG-Novelle, Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtung für Streaming-Plattformen soll es nach dem Willen der Kultur- und Medien-Staatsministerin richten (DWDL.de berichtete). Auf welch tönernen Füßen diese Entwürfe in Wahrheit stehen und wie sehr sie die Branche polarisieren, war am Donnerstag auf der Bühne des Deutschen Produzententags zu erleben.

Eine Investitionsverpflichtung mache keinen Sinn und führe nur zu einer Überregulierung des Produktionsmarkts, sagte dort ProSiebenSat.1-Vorstandschef Bert Habets, nachdem er zuvor den versammelten Produzenten höflich für die gute Zusammenarbeit gedankt hatte. "Wir bauen unsere Plattform Joyn in einem ohnehin wirtschaftlich herausfordernden Markt weiter aus", so Habets. "Dies kann nur dann am besten gelingen, wenn wir die Freiheit haben, den Nutzerbedürfnissen zu folgen." Die angedachte Investitionsverpflichtung mit ihren Subquoten sei dabei hinderlich.

Habets reihte sich damit in die breite Front sämtlicher privater und öffentlich-rechtlicher Sender sowie Streaming-Plattformen ein, die einer Investitionsverpflichtung ablehnend gegenüberstehen. Nahezu zeitgleich warnte auch die ARD vor einem "massiven Eingriff in die Rundfunkfreiheit und Programmautonomie der Sender" (DWDL.de berichtete). Er wolle sich nicht beklagen, schloss Habets diplomatisch seine Rede und forderte zum intensiven Branchendialog auf.

Genau den bildete die frisch umbenannte Produktionsallianz – die jetzt nicht mehr Produzentenallianz heißt – in Berlin transparent ab. An der Verbandsposition blieb natürlich kein Zweifel: Vorstandssprecher Björn Böhning sprach davon, dass die Bundesregierung der Produktionsbranche pünktlich zum Valentinstag eine Rose überreicht habe und rief die Staatsministerin als "Freundin des Films und der Produzenten" auf die Bühne. Roth appellierte ihrerseits an die "Unterstützung aller Akteure", die es angesichts der angespannten Haushaltslage brauche, um ihre Pläne durchzusetzen. Zum kaum umstrittenen Plan eines Steueranreizmodells – 30 Prozent der förderfähigen Produktionskosten eines Projekts sollen demnach steuerlich absetzbar werden – erklärte sie, das bisherige Fehlen eines solchen Modells habe zur Abwanderung etlicher Produktionen ins Ausland geführt. "Ich komme aus Bayern", so Roth. "Und wenn die Constantin aus Bayern zum Drehen nach Tschechien geht, dann ist das ein rotes Warnsignal."

Im Ungefähren blieb die Staatsministerin bei ihrem Vorhaben, Abrufdienste dazu zu verpflichten, künftig 20 Prozent ihres hierzulande erzielten Umsatzes wieder in europäische Produktionen zu investieren. Mit genauen Prozentzahlen zu den geplanten Subquoten aus ihrem Diskussionspapier – mindestens 70 Prozent in deutschsprachige, 60 Prozent in neue Produktionen, 15 Prozent in Kinofilme und 70 Prozent an vom Auftraggeber unabhängige Produktionsfirmen – behelligte Roth ihr Publikum nicht, obwohl gerade hier die vehementesten Kritikpunkte von Sendern und Streamern liegen. "Sie alle wissen: Streaming-Plattformen verdienen in Deutschland viel Geld", begründete sie eher allgemein, warum eine Investitionsverpflichtung angemessen sei. Während es im Saal dafür sogar Standing Ovations gab, konnte man in der anschließenden Kaffeepause durchaus kritischere Stimmen aus der Produktionswirtschaft vernehmen, die mit Blick auf Sky oder Paramount+ daran erinnerten, dass "viel verdienen" wohl eher relativ sei.

Um das Vorbild Frankreich argumentativ in die Debatte einzuspannen, wo seit 2021 eine vergleichbare Investitionspflicht in Höhe von 20 Prozent besteht, hatte die Produktionsallianz die Französin Alexandra Lebret, Geschäftsführerin des European Producers Club (EPC), nach Berlin geladen. "Wir können unsere lokale Industrie nicht allein von strategischen Entscheidungen aus Los Angeles abhängig machen", plädierte Lebret und wusste zu berichten, dass in Frankreich 2022 insgesamt 1,58 Milliarden Euro in audiovisuelle Werke investiert worden seien – zwölf Prozent mehr als 2021. Demnach hätten 16 von 22 französischen Streaming-Akteuren ihr Investitionsversprechen sogar übertroffen. Der Haken: Aktuellere Zahlen, die Auskunft darüber geben könnten, ob die Verpflichtung auch in krisenhaften Zeiten funktioniert, liegen noch nicht vor.

Eine Runde mit Abgeordneten aus dem Kultur- und Medienausschuss des Bundestags führte schließlich plastisch vor, dass der Gesetzgebungsprozess für Roths Pläne noch längst keine ausgemachte Sache ist. Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, stellte klar, dass es dazu bislang "keinen Regierungs- oder Koalitionsentwurf" gebe, und lehnte eine Investitionsverpflichtung deutlich ab. Sie gängele die Branche und führe unweigerlich zu "Ausweichbewegungen" der Streamer. Man solle sich lieber nach österreichischem Vorbild ganz auf die "Entfesselung durch Steueranreiz" konzentrieren. Selbst CDU-Mann Marco Wanderwitz und Grünen-Vertreter Michael Sacher, die sich beide offen für eine Investitionsverpflichtung zeigten, waren sich darin einig, dass Roths Entwürfe noch viele Fragen offen ließen.

Auf die zeitlichen Herausforderungen wies SPD-Parlamentarierin Michelle Müntefering, Vorsitzende des Unterausschusses für auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, hin. Über den Bundeshaushalt für 2025 werde innerhalb der nächsten drei Monate entschieden. Folglich müsse man Stellungnahmen und Anhörungen der Branche bis Mitte März haben, damit die Novelle bis Mai ins Kabinett und noch vor der Sommerpause in erster Lesung in den Bundestag kommen könnte. Mit anderen Worten: Roths Wunsch, dass aus zwei Diskussionspapieren und einem Referentenentwurf zum 1. Januar 2025 geltendes Recht werden könnte, ist eher utopisch. Für Bert Habets hatte Müntefering unterdessen einen praktischen Tipp parat: Er solle "vielleicht einfach noch zehn Staffeln 'Jerks'" machen – damit könne er locker die Subquoten erfüllen.