Lange hat Bernhard Burgener, der starke Mann bei Sport1-Eigentümer Highlight Communications, nach einer Lösung gesucht. Bereits im Sommer des vergangenen Jahres kündigte er an, einen möglichen Verkauf des defizitären Spartensenders zu prüfen. ProSiebenSat.1 und Axel Springer sollen zwischenzeitlich Interesse signalisiert haben, bei Bertelsmann in Gütersloh soll Burgener persönlich vorstellig geworden sein. Am Ende ist es keines dieser Unternehmen geworden, stattdessen hat Burgener Ende der vergangenen Woche die türkische Mediengruppe Acunmedya aus dem Hut gezaubert. 

Acunmedya übernimmt, vorbehaltlich der medien- und kartellrechtlichen Zustimmung, 50 Prozent an der Sport1 GmbH, also an dem linearen Sender und seinen digitalen Plattformen. Das ist durchaus relevant zu betonen, denn über der GmbH steht nach wie vor die Sport1 Medien AG, die nicht direkt von dem Deal betroffen ist. Die AG betreibt mit Plazamedia auch noch eine Produktionsfirma und auch Leitmotif (Consulting bei Marketing und Kommunikation), Match IQ (Beratungs-Agentur für Bundesliga-Vereine) und Magic Sports Media (Vermarktung) gehören zum Konzern. An ihnen hat sich Acunmedya nicht beteiligt. Und doch sind die 30 Millionen Euro, die Acunmedya für die Anteile zahlt, wohl deutlich weniger als das, was Bernhard Burgener ursprünglich angepeilt hat. 

Gut möglich ist jetzt, dass es demnächst Veränderungen im Management von zumindest der Sport1 GmbH geben wird. Ein Miteigentümer, der 50 Prozent am Unternehmen hält, wird auch über die Ebene der Geschäftsführung Einfluss nehmen wollen. Der geschlossene Vertrag zwischen den Unternehmen sehe vor, dass die beiden Partner "gemeinsam die Kontroll- und Führungsverantwortung im Sport1-Management tragen", heißt es dazu von Sport1 auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de. "Für die neuen Geschäftsbereiche soll das Management erweitert und somit auch verstärkt werden", so der Sender weiter. Mit dem Vorgang vertraute Beobachter schließen nicht aus, dass Acunmedya zumindest auch im Aufsichtsrat der Sport1 Medien AG einen Platz erhalten wird. Hier ist Bernhard Burgener aktuell der Vorsitzende. 

"Neue Geschäftsbereiche" ist zudem ein gutes Stichwort. Bislang hat man sich bei Sport1 vor allem auf den Sport fokussiert, wenngleich man als Zuschauer beim Blick auf das tägliche Programm einen anderen Eindruck bekommen könnte. Dass der Sender sein Portfolio zuletzt mit Constantin-Archivware, inklusive "Hausmeister Krause", auffüllen musste, ist weniger ein ausgefuchster Masterplan der beiden Sport1-Geschäftsführer Matthias Kirschenhofer und Robin Seckler, die auch Co-CEOs der AG sind. Vielmehr ist dieses Programm auf gegebene Sparbemühungen zurückzuführen. 

Acunmedya will Sport1 jetzt weiter öffnen in Richtung Unterhaltungsformate. Über die 50-prozentige Beteiligung hinaus sollen auch vom türkischen Unternehmen produzierte Formate deutsche Adaptionen erhalten und künftig bei Sport1 zu sehen sein. Als Beispiel wurde bereits "Exatlon" genannt. Ein Sport-Reality-Format, das Sport1 als "weltweit erfolgreich" bezeichnet, bei dem aber auch gestandene Programmmacher erst einmal nachforschen müssen, was es damit auf sich hat. Ableger gibt es in Brasilien, Mexiko, Rumänien, Slowenien, Kolumbien, Ungarn, der Türkei und beim kleineren US-Sender Telemundo. 

Zwischen ambitioniert und größenwahnsinnig

In "Exatlon" treten verschiedene Teams, die aus körperlich fitten Personen bestehen, gegeneinander an. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den bestehenden Adaptionen sind aktuelle oder ehemalige Hochleistungssportler, Teil der Reality-Sport-Show sind aber auch Promis. Die Kandidatinnen und Kandidaten müssten in dem Format "Ausdauer, Beweglichkeit und mentale Stärke" unter Beweis stellen, heißt es von Sport1. Startschuss für die deutsche Adaption ist im Herbst, produziert wird diese Show von Acunmedya selbst. In der Dominikanischen Republik betreibt das Unternehmen einen großen Production Hub. 

Darüber hinaus sind weitere Formate von Acunmedya geplant, zu denen Sport1 noch keine Angaben machen kann. Fest steht: Das türkische Medienunternehmen ist sicher keine kleine Nummer. So produziert man für verschiedene Märkte neben diversen Eigenproduktionen auch Formate wie "Survivor", "The Voice", "Got Talent", "Deal or no Deal" oder auch "The Masked Singer" und "I’m A Celebrity - Get Me Out Of Here!". Darüber hinaus ist Acunmedya übrigens auch Eigentümer des britischen Fußballclubs Hull City.

"Für die neuen Geschäftsbereiche soll das Management erweitert und somit auch verstärkt werden."
Sport1-Sprecher


Der Ansatz, es auf Sport1 nun auch mit Unterhaltungsprogrammen zu versuchen, ist irgendwo zwischen ambitioniert und größenwahnsinnig angesiedelt. In jedem Fall dürfte es nicht einfach werden, das Publikum von der neuen Programmfarbe zu überzeugen oder überhaupt erst einmal darauf aufmerksam zu machen. Abzuwarten bleibt, wie weit der Entertainment-Fokus und die Zusammenarbeit mit Acunmedya gehen wird. Wenn Sport1 in der Pressemitteilung zur Anteilsübernahme schreibt, man sehe "großes Wachstumspotenzial durch Synergien im Programm" ist zumindest nicht auszuschließen, dass Acunmedya-Formate aus anderen Ländern auch hierzulande gezeigt werden - in deutscher Synchronfassung. 

Doch was bedeutet diese Ausrichtung für den Sport-Bereich? Für einen Sender mit diesem Namen keine unwesentliche Frage. Der Einstieg von Acunmedya könnte Sport1 dauerhaft hin zu neuen Ufern lenken. Auch wenn Acun Ilıcalı, Gründer und Eigentümer der Acunmedya, bei der Übernahme der Anteile erklärte, man habe die "gleiche Vision und Leidenschaft für Sport und Entertainment", stand der Sport in der Kommunikation seltsam im Schatten. Die gute Nachricht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sport1 ist, dass Acunmedya tatsächlich ein strategischer Investor ist. Und kein Finanzinvestor, dem es naturgemäß vor allem um die Zahlen geht.

Aber es ist auch nicht so, als schrecke der neue Investor vor radikalen Veränderungen zurück. Das zeigt ein Blick auf den türkischen Sender TV8, den er 2013 übernommen hat. Kurz nach dem Einstieg wurden alle Nachrichtensendungen aus dem Programm entfernt, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Mitarbeitenden. Auch viele andere Sendungen wurden gestrichen, der Kanal neu ausgerichtet. Nach eigenen Angaben konnte man den Erfolg von TV8 dadurch deutlich ausbauen. Geschafft hat man das auch mit europäischem Klubfußball, Champions- und Europa League sind bei dem Sender ebenso zu sehen wie auf der 2021 gestarteten Streamingplattform Exxen. Schlagzeilen hat TV8 aber auch immer wieder mit Zensur-Aktionen gemacht. Die skurrilste Zensur war wohl ein wegretuschiertes Kreuz an einer Kette von US-Sängerin Selena Gomez

Aber zurück nach Deutschland: Welchen Stellenwert der Sport künftig noch für Sport1 haben wird, könnte sich schon sehr bald zeigen. Im April will die DFL mit der Ausschreibung der Bundesliga-Rechte für die Spielzeiten ab 2025/26 beginnen, eine Entscheidung soll es dann binnen Wochen noch im ersten Halbjahr geben. "Die gemeinsame Vision und Leidenschaft für Sport und Entertainment bildet auch die Grundlage für unsere Strategie im Sportrechtemarkt und dementsprechend auch mit Blick auf die anstehende DFL-Ausschreibung. Selbstverständlich sind wir auch zukünftig an hochwertigem Sport-Content wie den Bundesliga-Rechten interessiert", heißt es von Sport1 gegenüber DWDL.de. Nur: Wird man dafür noch so viel ausgeben können wie zuletzt? 

Zweifel an den Sport-Ambitionen

Der "Doppelpass" und die Übertragungen der Spiele der 2. Bundesliga sind noch auf die Aktivitäten des langjährigen Geschäftsführers Olaf Schröder zurückzuführen, er ist seit Mitte 2023 nicht mehr im Unternehmen. Zweifel an den Sport-Ambitionen von Sport1 haben Beobachter aber auch deshalb, weil es nach dem Abgang von Pit Gottschalk an einem lauten und sichtbaren Chefredakteur mangelt. Stattdessen teilen sich diese Aufgabe aktuell Michael Langkau (Director Live), Julian Meißner (Director News), Dirc Seemann (Director eSports & Special Projects), Stefan Thumm (Director Talk) im Team.

Doppelpass © Sport1/Andreas Zitt Der von Florian König moderierte "Doppelpass" ist das Flaggschiff von Sport1. Bei der nächsten Ausschreibung der Bundesliga-Rechte geht es für den Sender auch um die Zukunft dieses Formats.

Ein möglicher Personalabbau war zwischen Sport1-Führung und Acunmedya noch kein Thema, das bestätigt das deutsche Medienunternehmen gegenüber DWDL.de. Für neue Unterhaltungsprogramme muss man möglicherweise auch erst einmal eine eigene Redaktion aufbauen, eine solche gibt es bislang mangels Programm schlicht nicht. Spannend dürfte werden, wer bei der Sport1 GmbH Entscheidungen trifft, sollten sich die beiden Parteien nicht einig sein. Da sowohl Highlight als auch Acunmedya 50 Prozent halten, droht im schlimmsten Fall ein Stillstand. "Wir sind überzeugt, dass wir für alle Herausforderungen immer eine für beide Seiten tragbare Lösung finden werden", erklärt ein Sport1-Sprecher gegenüber DWDL.de. Was diese Worte wert sind, wird sich wohl erst bei ersten Konflikten zeigen. Immerhin: Bernhard Burgener ist jemand, der sich mit Konflikten bestens auskennt

"Selbstverständlich sind wir auch zukünftig an hochwertigem Sport-Content wie den Bundesliga-Rechten interessiert."
Sport1-Sprecher


Für den starken Mann bei Highlight Communications gibt es durch den Einstieg von Acunmedya aber auch noch ein weiteres, nicht kalkulierbares Risiko. Solange die Situation so bleibt wie sie ist, dürfte es kein Problem sein, dass es Bilder von Acun Ilıcalı und dem türkischen Präsidenten Erdogan gibt. Aber was, wenn die politische Situation in der Türkei umschlägt, extremer wird? Wird der Sport1-Miteigentümer dann auch von deutschen Werbekunden hinterfragt? Es ist ein politisches Risiko, aber damit kennt sich Bernhard Burgener aus.

Wegen Russland in der Defensive

Zuletzt versuchte Burgener, den Einfluss von Alexander Studhalter auf die Highlight-Gruppe, zu der neben Sport1 ja auch Constantin Film gehört, zurückzudrängen. Der hat zwar keine Verbindungen in die Türkei, aber nach Russland. Wegen seiner Verbindungen zum Oligarchen Suleiman Kerimow wurde er von der US-Regierung mit Sanktionen belegt. Das wurde auch zu einer Hypothek für Burgener, immerhin war Studhalter damals, im November 2022, mit etwas weniger als 30 Prozent an der Highlight-Communications-Mutter Highlight Event and Entertainment AG (HLEE) beteiligt. Studhalter wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück, trat aber schnell aus dem Highlight-Verwaltungsrat und dem Sport1-Aufsichtsrat zurück, seine erhebliche Beteiligung beschäftigen Burgener und sein Team aber bis heute. 

Und wie schwierig es ist, in einer Marktlage wie der aktuellen einen Investor zu finden, der für Studhalter einspringt, musste Highlight in den zurückliegenden Monaten erfahren. Im Mai 2023 berichtet das "Handelsblatt", Bernhard Burgener wolle den sanktionierten Aktionär "loswerden", aber es dauerte noch bis November, bis ein entscheidender Schritt umgesetzt wurde. Da führte man eine Kapitalerhöhung durch, die den Anteil von Studhalter an der HLEE auf knapp unter 20 Prozent sinken ließ. Damit, so hofft man wohl in der Schweiz, ist man vorerst aus dem Gröbsten raus. Burgeners Anteil stieg übrigens von 18,5 auf 23,53 Prozent. 

Als Retter in der Not eingesprungen ist die Victorinox AG, deren Anteile mittlerweile bei ebenfalls knapp unter 20 Prozent liegen und die Highlight zuletzt mehrfach Kredite gewährt hat. Victorinox ist ein Schweizer Messerhersteller, der auch die weltberühmten Schweizer Taschenmesser produziert. Und irgendwie passt das ins Bild: Mit einem neuen Investor im Rücken will Sport1 künftig groß angreifen im Bereich Unterhaltung - und wetzt schon einmal die Messer. Wie gut diese geschliffen sind, muss sich aber erst noch zeigen.