Schon bevor die unabhängige Kommission KEF ihren Vorschlag für eine – schon angesichts der Inflationsrate der jüngeren Vergangenheit mit 58 Cent eher moderat ausgefallen - Anhebung des Rundfunkbeitrags veröffentlicht hatte, tönte es aus einer zunehmenden Anzahl an Bundesländern, dass man einer Erhöhung keinesfalls zustimmen werde. Dabei ist es noch nicht mal drei Jahre her, dass das Bundesverfassungsgericht zuletzt geurteilt hat, dass sich ein Bundesland - beim letzten Mal war das ausschließlich Sachsen-Anhalt - dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf.

Seit der Vorschlag der KEF vorliegt, tönt es zwar nicht mehr aus allen Ländern ganz so laut, es gibt aber weiterhin mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung weiter kategorisch ausschließen. Man sollte also meinen, dass man sich in den öffentlich-rechtlichen Häusern auf die Situation vorbereitet, dass die erhoffte Erhöhung zum Jahreswechsel erstmal ausbleibt - und auch entsprechende rechtliche Schritte vorbereitet, um den höheren Beitrag erneut auf juristischem Wege durchzusetzen.

Doch der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke bleibt seiner stoischen Linie, die er schon seit Monaten bei Nachfragen zu diesem Thema verfolgt, weiter treu. Eine Aussage, dass man eine Verfassungsklage auch nur in Erwägung ziehe, ist ihm einfach nicht zu entlocken. "Ich finde es richtig, dass sich alle an Recht und Gesetz halten. Es wäre misslich, wenn sich jeder aussuchen könnte, an welche Gesetze er sich hält und an welche nicht" ist schon die schärfste Form dessen, was man als Kritik an jenen Länderchefs verstehen kann, die den kalkulierten Verfassungsbruch planen.

Statt scharfe Worte zu finden, rutscht er ins Pathetische ab, wenn er plötzlich sein einst als Soldat geleistetes Gelöbnis zitiert, "Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen", womit er erklären will, warum er nach wie vor daran glaube, dass sich alle an Recht und Gesetz halten und letztlich schon alles doch noch seinen Gang gehen werde. Er nehme jedenfalls inzwischen mehr Zurückhaltung aus den Ländern wahr - sodass man "längst nicht alle Hoffnung fahren lassen" solle.

Das kann man naiv finden - tatsächlich erscheint es in der aktuellen Lage aber durchaus auch eine nachvollziehbare Strategie, erstmal den eigenen Kritikern möglichst viel Wind aus den Segeln zu nehmen. Und das will die ARD beispielsweise damit erreichen, dass man bei den Einsparungen durch mehr Kooperation endlich voran kommt. Als nächsten wichtigen Baustein hat man da nun die Gründung einer zentralen "Tech-Unit" der ARD beschlossen. Die soll künftig dafür sorgen, dass die technische Gesamt-Architektur der ARD aus einer Hand kommt, dass nicht mehr jede Landesrundfunkanstalt ein eigenes CMS oder ein eigenes Schnittsystem hat. "Da steckt riesengroßes Potential drin, auch finanzielles", so Gniffke.

Vor allem aber soll es ermöglichen, überhaupt erstmals sinnvoll Gespräche mit dem ZDF und dem Deutschlandradio zur Schaffung gemeinsamer Plattformen zu führen. Die waren bislang schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es innerhalb der ARD gar kein einheitliches System und nicht mal einen einheitlichen Ansprechpartner gab. Gniffke griff den Vorschlag einer gemeinsamen Betriebsgesellschaft mit dem ZDF und Deutschlandradio, das die technischen Plattformen dann für alle betreiben soll, die der Zukunftsrat unterbreitet hatte, explizit auf. Schon in den nächsten Tagen wolle man darüber mit den öffentlich-rechtlichen Partnern sprechen.

"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, dass wir dieses große Projekt angehen können", meint der ARD-Vorsitzende. Vorankommen werde man auch bei der Zentralisierung von Verwaltungsaufgaben - so stellen die noch fehlenden drei Landesrundfunkanstalten zum 1.1.2025 auf SAP um, womit gemeinsame Lösungen etwa bei Gehaltsabrechnungen oder Reisekosten möglich würden. Auch da steckt einiges an Potential - von dem man von außen allerdings wenig mitbekommen wird.

Anders wäre das bei der eigentlich seit langem geplanten Einstellung eines der Digitalkanäle. Der Gesetzgeber hat ihnen die auch seitens der ARD lange lautstark geforderte Möglichkeit zur "Flexibilisierung" dieser Angebote - also deren Abschaffung oder Verlagerung rein ins Non-Lineare - schon Mitte vergangenen Jahres eingeräumt, doch noch immer steht eine Entscheidung der ARD, die ursprünglich bis Ende 2023 gefällt werden sollte, aus. Gniffke wies darauf hin, dass es keine Pflicht zur Abschaffung eines Senders gebe, "aber wir sind im Wort" - irgendwann muss die Entscheidung also fallen. Doch trotz allen Spardrucks, den alle ARD-Anstalten ja immer wieder betonen, will offenbar keiner der zuständigen Sender von seinem Digitalkanal lassen. Es habe "intensive Diskussionen" gegeben, die man angesichts der Fülle anderer Themen nicht zu Ende habe führen können - schließlich gehe es auch um Arbeitsplätze.

"Dass wir uns für diese knifflige Aufgabe Zeit nehmen, ist richtig. Dass es länger dauert als geplant, ist schade", kommentiert Gniffke. Und auch wenn er den finanziellen Aspekt einer solchen Entscheidung, die er bei ersatzloser Streichung auf einen zweistelligen Millionenbetrag taxiert, für die Höhe des Rundfunkbeitrags als kaum entscheidend einstuft: Die Bedeutung eines solchen Symbols der Sparsamkeit dürfte Kai Gniffke sehr wohl bewusst sein. Damit die Strategie, sich gegenüber den Ländern, vor allem aber der Öffentlichkeit als neuer Musterknabe an Sparsamkeit und Reformwillen zu präsentieren, aufgeht, kann man der ARD also nur eine schnelle Entscheidung wünschen.

Dass sich die Ministerpräsidenten und Fraktionen, die eine Zustimmung zur Anpassung kategorisch ausgeschlossen haben, sich davon plötzlich umstimmen lassen, erscheint trotzdem wenig wahrscheinlich. Die Herangehensweise, lieber erstmal vor der eigenen Tür zu kehren als eine Drohkulisse in Richtung der unwilligen Politik aufzubauen, erscheint mit Blick aufs angeschlagene Image der Öffentlich-Rechtlichen aber durchaus sinnvoll. Nur vermeiden lassen wird sich der Gang nach Karlsruhe damit am Ende wohl kaum.

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