Bayerischer Rundfunk © BR/Simon Heimbuchner
Der Bayerische Rundfunk (BR) hat eine gewisse Tradition darin, Menschen von der Produzentenseite ins Unternehmen zu holen. Das war damals bei Fernsehdirektorin Bettina Reitz so und auch die aktuelle Unterhaltungschefin Iris Mayerhofer arbeitete zuvor lange für Produktionsfirmen. Zum 1. Mai hat Dagmar Biller beim BR angeheuert - sie startete 1996 ihre Karriere bei der damaligen Tangram Christian Bauer Filmproduktion. Nach dem überraschenden Tod von Firmengründer Bauer übernahm Biller die Tangram und agierte seither als Produzentin, Geschäftsführerin und Gesellschafterin. 

Nun also der Wechsel auf Senderseite: Beim BR führt Dagmar Biller seit dem 1. Mai ein neues Doku-Superressort. Dafür bündelt das Unternehmen die Ressourcen aus den bisherigen Bereichen politische Dokumentationen, Kinodokumentationen, Dokumentarfilm, Doku-Serie, Kulturdokumentationen sowie Geschichtsdokumentationen in einer einzigen Redaktion. Der Sender hat bereits eine "Doku-Offensive" angekündigt und außerdem, dass man mehr Geld in "Leuchtturm-Dokumentationen" stecken wolle. 

Von DWDL.de auf ihren Wechsel angesprochen, sagt Dagmar Biller, dass es nach 28 Jahren bei Tangram Zeit gewesen sei für eine neue Herausforderung. "Es hätte nicht viele Jobs gegeben, die mich interessiert hätten." Als Produzentin arbeitete Biller immer wieder auch mit dem BR zusammen, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort kennt sie also schon. Die Entscheidung, ihren Hut in den Ring zu werfen, sei schnell gefallen. "Der BR hat bei mir mit der Stellenausschreibung einen Nerv getroffen und ich wusste: ‘Jetzt oder nie’." Es sei eine reizvolle Aufgabe auf der anderen Seite zu sitzen und Gestaltungsspielräume zu haben, so Biller. "Es ist ein Job, der gesellschaftliche Relevanz hat."

Mitarbeiter und Budgets wechseln 

Durch ihre langjährige Erfahrung als Produzentin ruhen nun auch einige Hoffnungen aus der Branche auf ihr - und Dagmar Biller weiß das. Sie sieht sich als Bindeglied zur Produktionslandschaft, der sie sich auch weiterhin sehr verbunden fühlt. "Die Zusammenarbeit mit den Produzentinnen und Produzenten ist mir ganz wichtig. Ich weiß, wie schwierig die Zeiten sind. In Form von Koproduktionen, Kofinanzierungen und Rechteteilungen muss man kreative Wege finden, dass man tolle Inhalte gemeinsam stemmt", sagt sie im Gespräch mit DWDL.de.

Doch was wird sich nun konkret ändern? Die Zusammenführung der verschiedenen Redaktionen klingt auf den ersten Blick banaler, als der Schritt tatsächlich ist. Von der Entscheidung sind nämlich Redaktionen sowohl in der Infodirektion als auch in der Kulturredaktion betroffen. Hier wandern nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter das neue Doku-Dach, sondern auch ihre bisherigen Budgets. Die neue Aufstellung soll Doppelungen verhindern und einen effizienten Mitteleinsatz ermöglichen. 

"Die Zeiten sind vorbei, in denen Redaktionen nur in festen Sendeplätzen verharrt denken, weil das die Entwicklungsmöglichkeiten und auch die Kreativität einschränkt", sagt Dagmar Biller. Zusammenarbeit über Ressort- und Redaktionsgrenzen hinweg sei das, was wir machen müssen, um uns zukunftsorientiert aufzustellen, zeigt sich die neue Doku-Chefin des BR überzeugt. "Gerade im Dokumentarischen verschwimmen die Genregrenzen immer mehr." Grundsätzlich spielen Dokus in der ARD und auch beim BR schon immer eine wichtige Rolle. "In Zukunft sollen sie aber als Garant für Hintergrundinformationen noch wichtiger werden und das Profil des BR schärfen", sagt Biller. "Für mich sind Dokus die DNA der Öffentlich-Rechtlichen."

"Wollen unser Profil schärfen"

Weil man nicht unbegrenzte Mittel zur Verfügung habe, müsse man sich überlegen, was man mache – und was nicht. Prioritätensetzung ist für Biller ein wichtiger Punkt. "Wir wollen unser Profil schärfen und uns im Zuge dessen sehr genau überlegen, in welche Bereiche wir gehen. Die dokumentarische Spielwiese ist groß. Im Zweifel lieber weniger Produktionen, dafür Einzelprojekte mit mehr Strahlkraft – auch für die ARD Mediathek." Wie die Leitplanken, in denen der BR künftig Dokus beauftragt, aussehen, will Biller aktuell noch nicht sagen. Dafür ist es noch zu früh. Aber sie sagt: "Die Projekte, die wir machen, sollen vernünftig ausgestattet sein." Das sei die Grundlage für eine sorgfältige, journalistische Aufbereitung, attraktive filmische Umsetzung aber auch für die bestmögliche Distribution auf verschiedenen Ausspielwegen. "Das erfordert Zeit und Geld."

"Die Zusammenarbeit mit den Produzentinnen und Produzenten ist mir ganz wichtig. Ich weiß, wie schwierig die Zeiten sind."
Dagmar Biller 


Als Positiv-Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit innerhalb der ARD in der jüngeren Vergangenheit nennt Dagmar Biller die Dokus "Beckenbauer", "3 Paare, ein Ziel" oder auch "Echt – unsere Jugend". Mögliche Veränderungen will die Doku-Chefin nicht alleine durchdrücken, sondern zusammen mit ihren neuen Kolleginnen und Kollegen darüber beratschlagen. "Ich lege Wert auf Teamarbeit."

Auswirkungen auf die ARD-Koordinationsarbeit des BR in Sachen Dokus hat die neue Einheit der Anstalt übrigens nicht. Die Koordination ist und bleibt bei Infodirektor Thomas Hinrichs angesiedelt, während Dagmar Biller unter Kulturdirektor Björn Wilhelm andockt. Diese gewollte Trennung liegt auch an den Prozessen innerhalb der ARD: Biller muss dadurch, wie alle anderen Doku-Redaktionen der ARD, bei der Koordination vorstellig werden und gewisse Prozesse durchlaufen. Wenn sie selbst die Koordination leiten würde, hätte das womöglich eine schiefe Optik, sollten BR-Dokus prominent im Ersten oder in der Mediathek auftauchen. Unmut in den anderen Anstalten wäre vorprogrammiert. 

Tangram International wird aufgelöst

Für Billers bisherige Produktionsfirma, die Tangram International, geht es derweil nicht weiter. Das Unternehmen befindet sich in Liquidation, die meisten bürokratischen Hürden auf dem Weg zur Auflösung hat die bisherige Geschäftsführerin bereits hinter sich. Es dauert aber noch etwa ein Jahr, bis das Unternehmen aus dem Handelsregister gelöscht wird und dann auch offiziell als aufgelöst gilt. 

"Die Tangram International habe ich mit Herzblut geführt und es ist mir natürlich sehr schwer gefallen, sie aufzugeben", sagt Dagmar Biller gegenüber DWDL.de. Wie in Deutschland bei kleineren, unabhängigen Unternehmen oft üblich, sei die Firma sehr auf sie als Person zugeschnitten gewesen und habe in erster Linie Auftragsproduktionen realisiert. Trotz des Erfolges am Markt bliebe am Ende so quasi nur der "gute Name". Ein verkäufliches Portfolio an Produktionen sei nur in geringem Maße vorhanden, sagt Biller. Ein Problem, das hierzulande in der Produktionslandschaft weit verbreitet sei, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen oder nordamerikanischen Ländern.

Ende Februar hat Biller noch ein großes Projekt der Tangram zu Ende gebracht, ein Film über die Frau von Oskar Schindler, Emilie Schindler. Der feiert am 20. Mai Premiere bei Arte und wird später auch im BR Fernsehen zu sehen sein. Der letzte Tangram-Film ist ein Projekt für den SWR, hier erfolgt die Fertigstellung im Juli. Bei diesem Projekt war Biller inhaltlich schon nicht mehr so stark involviert, danach ist aber auch das operative Geschäft beendet. Ihr voller Fokus liegt aber bereits jetzt auf dem BR.