Dass die Fernsehbranche ein ziemlich schwieriges Jahr hinter sich hat, wird wohl keiner bestreiten - zuletzt sorgte der anziehende TV-Werbemarkt aber für etwas Erleichterung. Die Zeit der großen Euphorie ist freilich trotzdem nicht ausgebrochen. "Man muss sehen, wo wir herkommen. 2023 war ein sehr hartes Jahr", fasste Inga Leschek, Programmgeschäftsführerin von RTL und RTL+ und designierte Inhaltechefin der gesamten RTL Deutschland-Gruppe, auf dem Mediengipfel der ANGA COM die Lage zusammen. Ihr Seven.One-Kollege Henrik Pabst umschrieb es bildlich: "Wir sind eine sehr tiefe Treppe hinuntergegangen. Auf dem Weg zurück zur Dachterrasse sind wir jetzt vielleicht im Erdgeschoss angekommen."
Henrik Pabst, der von den jüngsten Turbulenzen mit Großaktionär MFE keine negativen Auswirkungen für die eigene Arbeit erwartet ("Wenn wir einen Großaktionär mit der Haltung hätten, dass Entertainment doof ist, dann hätten wir ein Problem. Aber das ist nicht so"), versicherte trotzdem: "Wir sparen uns nicht kaputt, wir investieren in diesem Jahr sogar wieder mehr trotz des weiterhin schwierigen Umfelds." Man müsse sich aber fragen, ob bei Produktionen über die vergangenen Jahre manches aus dem Ruder gelaufen sei und ob man nicht auch schlanker und billiger produzieren könne. Mit Blick aufs europäische Ausland sagte Pabst: "Rund um uns herum entstehen Produktionen, die gut aussehen – aber mit einem Drittel der Kosten."
Produzentin Sabine de Mardt von Gaumont wies auf die mitunter wesentlich günstigeren Produktionsbedingungen im Ausland hin und die dringende Notwendigkeit die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts zu stärken. Hierzu sei die von Ministerin Roth dargelegte Förderreform bestehend aus den drei Säulen - Steueranreizmodell, Investitionsverpflichtung und Rechterückbehalt - elementar wichtig.
Kritik an geplanter Investitionsverpflichtung
Sehnlichst erwartet wird die aber längst nicht von allen: Während das steuerliche Anreizmodell generell begrüßt wird, machte Inga Leschek deutlich, dass die ebenfalls geplante Investitionsverpflichtung für sie "der falsche Weg" sei. Im Wesentlichen ist hier geplant, dass jeder Sender und Plattformbetreiber verpflichtet werden soll, einen gewissen Anteil seines Umsatzes wieder in deutsche Produktionen zu reinvestieren - verkompliziert durch allerlei Subquoten. "Warum sollten wir Subquoten fürs Kino erfüllen? Das ist nicht unser Business-Modell! Wir investieren bereits eine Milliarde Euro in Inhalte, wir brauchen keine weitere Bevormundung", so Leschek. Auch ZDF-Programmdirektorin Nadine Bilke pflichtete ihr in dem Punkt bei - der Blick auf Quotierungen würde nur dabei behindern, Programm für alle zu machen.
Die Investitionsverpflichtung zielt eigentlich vor allem auf große US-Konzerne, die damit zu lokalen Eigenproduktionen verpflichtet werden sollen - die aber eben auch deutsche Sender und Plattformen trifft. Christoph Schneider von Prime Video zeigte sich mit Blick auf die drohende Investitionsverpflichtung vergleichsweise entspannt und verwies auf das ohnehin schon große Engagement bei lokalen Produktionen. "Die Frage ist, welches Maß man da findet. Wenn man mit Augenmaß rangeht, dann wird man einen Kompromiss finden."
Wer Marken will, muss auch investieren
Alles in allem herrschte auf dem Panel trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds ein gebremst optimistischer Grundton. Produzentin Sabine de Mardt von Gaumont Deutschland etwa erkannte noch immer einen im historischen Vergleich weiterhin hohen Hunger nach Inhalten und fasste die Lage mit Blick aufs vor Jahren mal ausgerufene "New Golden Age of Television" so zusammen: "Die Zeiten sind nicht mehr platin, aber immer noch golden." Trotzdem sei ihre Gefühlslage gemischt. "Die IP-isierung setzt sich immer mehr durch, alle schauen nach großen Marken. Uns liegen aber auch die kleineren, relevanten Projekte mit wichtiger Message am Herzen, die haben es sehr viel schwieriger."
Und wenn schon alle nach großen Marken suchen, dann müsse man mit Blick auf die Tatsache, dass in Amerika demnächst jeder Superheld gegen jeden anderen Superheld gekämpft haben dürfte, auch bereit sein, neue zu schaffen. UFA-Chef Sascha Schwingel pflichtete bei: "Wie lange hat man in Joko & Klaas investiert und diese Marke aufgebaut, dass man sie heute auch ein Telefonbuch vorlesen lassen könnte und trotzdem so viele zuschauen?" Er wünsche sich langfristige Investitionen in Markenaufbau: "Ohne diese Investitionen und das damit verbundene Risiko haben wir erst gar keine Chance."
Sabine de Mardt hatte in dem Zusammenhang Lob für ARD und ZDF übrig: "Öffentlich-rechtliche Sender tun sich sehr positiv hervor, weil sie ganz neue Sachen in ihren Mediatheken ausprobieren, während die Streamer stärker in den Mainstream zurückgekehrt sind." Mit Christoph Schneider, Country Manager von Prime Video in Deutschland, war ein Vertreter dieser US-Streamer auch auf dem Panel, der den Fokus auf den Mainstream auch gar nicht abstreiten wollte.
Dass man dort mehr Genres sehe, die man auch von klassischen Sender kenne, sei zwar nicht immer so gewesen, aber aus seiner Sicht nur folgerichtig - schließlich kämpfen sie ums gleiche Publikum: "Warum sollten Streamer andere Leute sein als die, die linear gucken?", so Schneider. Es habe einige Zeit gedauert, bis sich auch im eigenen Konzern diese Haltung auch in den USA durchgesetzt habe, inzwischen werden aber von dort die Inhalte geliefert, die in der Breite funktionieren. Als ein Beispiel nannte er "Fallout".
"...dann gehen wir noch gemeinsam in Rente."
Apropos große Marken für den Mainstream: Da hat sich RTL ja gerade einen gesichert, den die Konkurrenz über viele Jahre aufgebaut hatte: Stefan Raab. Inga Leschek schürt mit Blick auf den Comeback-Boxkampf, der bei RTL zu sehen sein wird, in jedem Fall schonmal große Erwartungen: "Ich kenne den geplanten Ablauf und: Es wird das Größte, was er je gemacht hat". Man darf also gespannt sein.
Und wo wir beim Thema Optimismus sind: Den wünscht sich Inga Leschek, Chief Content Officer von RTL Deutschland, von der ganzen Branche. Enthusiastisch erklärt sie beim Mediengipfel: "Ich kann den Satz, das Fernsehen ist tot, nicht mehr hören. Wenn wir alle total optimistisch bleiben, dann gehen wir hier noch gemeinsam in Rente."