In Sachen ARD-Dailys sind eigentlich alle Fragen geklärt – und doch noch welche offen. Vorbehaltlich der Zustimmung der Gremien sollen "Sturm der Liebe" und "Rote Rosen" bis 2027 laufen, die ab 2025 hergestellten Folgen fallen mit dann nur noch 24 Minuten aber deutlich kürzer aus. Somit werden sich beide Dailys in Zukunft eine Sendestunde teilen. Das schafft Raum für Neues – und könnte ermöglichen, dass die ARD nachmittags dauerthaft auf ein Magazin setzt. Entsprechende Testläufe gab es schon mehrere. 2022 etwa versuchten "Leichter leben" und "Team Hirschhausen" zu verfangen, sie blieben aber ebenso ohne Erfolg wie die 2023 probierten "Haustierprofis" mit Ralph Morgenstern.



Doch selbst diese drei Flops brachten die ARD nicht vom Gedanken ab, dass ein Magazin im Nachmittagsprogramm des Ersten eine gute Idee sein könnte. Vom SWR kommt ab Dienstag nun "Leben. Live" und somit eine Sendung, die ARD-Sprecherin Tabea Werner nicht weniger als "eine neue Programmfarbe" nennt. Die Live-Sendung "wird unmittelbare Spannung und Spontaneität bieten, die in aufgezeichneten Formaten oft fehlt. Unerwartete Ereignisse, spontane Reaktionen und ungeplante Momente werden unsere Zuschauer:innen fesseln und so für zusätzlichen, unterhaltenden Mehrwert sorgen", sagt Werner. Den Vergleich mit früheren Nachmittagsformaten findet man bei der ARD auch deshalb falsch, weil es sich bei den genannten Formaten um Factual- und Ratgeber-Programme gehandelt habe, jetzt aber eine tägliche Studioproduktion gezeigt wird, die "unterhaltende und zwischenmenschliche Themen am Nachmittag" biete.

Erneut in ganz Deutschland unterwegs

Damit geht die ARD zweifelsfrei in Konkurrenz zu ihren eigenen und in den Dritten programmierten Nachmittagsprogrammen. "Durch die Ausstrahlung im Ersten erreichen wir mit 'Leben.Live!' das gesamte Bundesgebiet und sprechen so ein größeres Publikum an. Dies ermöglicht es uns, Zuschauer:innen aus verschiedenen Regionen einzubeziehen. Die Sendung ist live und wir sind natürlich auch täglich an wechselnden Orten in ganz Deutschland unterwegs", sagt 'Leben.Live'-Projektleiter Thorsten Fleischmann, der erklärt, dass "kostengünstige Übertragungstechnik" es ermögliche, gewisse Ereignisse kostengünstig zu übertragen. Zuschauerinnen und Zuschauer "aus anderen Regionen" sollen im neuen ARD-Nachmittagsformat "vielfältige Einblicke in das Leben verschiedener Teile Deutschlands" bekommen. Ein Ansatz übrigens, den auch das Ende 2023 eingestellte "Live nach Neun", damals vom WDR verantwortet, verfolgte. In Woche eins ist die "draußen" agierende Reporterin übrigens Evelin König, unter anderem vom "ARD-Buffet" und "Kaffee oder Tee" bekannt. Sie berichtet Tag für Tag von anderen Orten: vom Summer Opening auf Sylt, vom Westküstenpark und dem Robbarium (St. Peter Oerding), einem Erdbeerhof oder dem Schlagermove Festival in Hamburg.

Auch in Sachen Moderation geht die ARD nun neue Wege. Hatte man bei den bisherigen Nachmittagssendungen in der Regel auf mindestens einen sehr bekannten Kopf gesetzt (Hirschhausen, Wimmer, Morgenstern), fiel die Wahl diesmal auf Johannes Zenglein, der insbesondere Live-Magazin-Erfahrung vorweisen kann, moderiert er aktuell doch schon das "ARD Buffet" und somit eine Sendung, die sich die ARD ab dem kommenden Jahreswechsel sparen wird. Man könnte meinen, dass es dem SWR in die Karten spielen würde, sollte es gelingen, mit "Leben. Live" einen potentiellen "Buffet"-Nachfolger dauerhaft zu platzieren. Solche Gedankenspiele weist Werner aber von sich. Die Testphase hänge nicht mit dem Ende des "ARD Buffets" zusammen.

Auf Zenglein sei die Wahl nicht zuletzt auch deshalb gefallen, weil er beim Publikum "sehr beliebt" sei, wie Fleischmann erklärt. "Für 'Leben.Live!' ist er damit die perfekte Wahl, sowohl in der Interaktion mit unseren Reporterinnen in den Regionen Deutschlands als auch mit den Gästen, live im Studio in Baden-Baden", sagt Fleischmann. Und dazu gehören dann auch alte Bekannte. Denn: "Auf Ralph Morgenstern können sich unsere Zuschauer:innen übrigens auch freuen. Auch er zählt zum regelmäßigen Cast von 'Leben.Live!' und wird mit seinem Charisma und seiner Spontaneität unterhalten. Nur so viel: Haustiere hat er bis jetzt keine dabei…", sagt Fleischmann. 

Und auch weltpolitische Nachrichten wird es in den kommenden Wochen im Nachmittagsprogramm des Ersten weniger geben. Die 15-Uhr-"Tagesschau" fällt kürzer aus als bisher. Zu dieser Zeit plant die ARD nun zunächst mit einer "Kurzausgabe", die 16-Uhr-"Tagesschau" entfällt sogar ganz, weil "Leben.live" bis 16:15 Uhr on air bleiben soll. "Die Integration eines Nachrichtenformats ist in 'Leben.Live' nicht vorgesehen", sagt ARD-Sprecherin Werner. Kritik über weniger News innerhalb den Ersten erstickte sie mit dem Hinweis auf Webseite, Mediathek und den Nachrichtensender tagesschau24.

Für Das Erste werden die Wochen bis zum EM-Start in jedem Fall lehrreich. In den ersten beiden Juni-Wochen probiert man dann zwischen 15 und 17 Uhr eine komplette Magazin-Strecke. In diesem Zeitraum schließt sich das dann eine Stunde früher laufende "Brisant" direkt an den ARD-Test vom SWR an - und entgeht somit nach Jahren auch der direkten "Hallo Deutschland"-Konkurrenz. Um 17:15 Uhr läuft dann "Gefragt - gejagt", womit die stark performende vorabendliche Rateshow-Strecke erweitert wird. Eine Stunde Soaps, zwei Stunden Magazin, zwei Stunden Quiz - das ist das das Rezept für die ARD-Daytime in Zukunft?

"Leben.Live", ab Dienstag, 15:03 Uhr, Das Erste