Wer um alles in der Welt will schon Schauspielagent von so kapriziösen Wesen wie Veronica Ferres, Moritz Bleibtreu oder Frederick Lau sein? In diesem Job muss man der Ferres behutsam beibringen, dass es für ihre Karriere keine gute Idee wäre, sich fortan auf Stand-up-Comedy zu konzentrieren. Oder dem alternden Bleibtreu klarmachen, dass die Hauptrolle im nächsten Christopher-Nolan-Film durchaus ein kleines Facelifting wert ist. Und ein Instinktmime wie Lau kriegt den Valmont in der Neuauflage von "Gefährliche Liebschaften" nur dann glaubhaft hin, wenn man ihm einredet, dass Co-Star Emilia Schüle auch im echten Leben auf ihn steht.
Nein, mit den Agentinnen und Agenten der Berliner Schauspielagentur Stern möchte man wirklich nicht tauschen. Zumal sie nicht nur mit den Marotten ihrer Klienten, sondern auch mit dem drohenden wirtschaftlichen Niedergang ihrer Agentur zu kämpfen haben. Ihnen bei der Arbeit zuzuschauen, macht hingegen großen Spaß, denn der von Friday Film und Wild Bunch Germany produzierte Zehnteiler ist die lustigste Selbstironiebehandlung der deutschen Filmbranche seit langem. Kein Wunder, schließlich steckt als Showrunner Johann Buchholz dahinter, der mit "Jerks", "Paare" oder "Mann/Frau" mehrfach gezeigt hat, wie man knalligen und hintergründigen Humor zu einer unwiderstehlichen Einheit mixt.
Der Ton ist gleich in den ersten Szenen der Serie gesetzt, als Bleibtreu bei der Aufzeichnung von Johannes B. Kerners Talkshow ausrastet und Agenturchef Richard Stern (Sven-Eric Bechtolf) die Ausstrahlung nur durch Erpressung verhindern kann: Entweder die peinliche Sequenz wird herausgeschnitten oder Kerner muss künftig auf Sterns Promis verzichten. So intrigiert sich die Agenturcrew durch die Branche, getreu dem Leitspruch: "Wir lügen nicht, wir improvisieren." Die weiteren Agenten im Hause Stern sind die ebenso gut vernetzte wie skrupellose Sascha (Karin Hanczewski), die mit ihren lesbischen Affären manche Grenze zwischen Privat- und Berufsleben einreißt; der autoritäre Workaholic Gabor (Lucas Gregorowicz), der in erster Linie sich selbst vertraut; der etwas zu gutmütige Konstantin (Michael Klammer), der die Launen der Schauspieler stoisch eträgt; die Grande Dame Hellen (Gabrielle Scharnitzky), die sich ihren ganz eigenen Glamour auch nach Jahrzehnten im Business erhalten hat; und schließlich die Neue: Praktikantin Sophie (Dana Herfurth), die ein familiäres Geheimnis in die Agentur mitbringt.
Als Richard Stern unerwartet stirbt, hinterlässt er einen Betrieb in schwerem Fahrwasser. Die Ausgaben für feudale Bewirtungen und luxuriöse Büros sind viel zu hoch, hinzu kommen Steuerschulden. Jeder Schauspieler, der gerade nicht dreht oder gar zur Konkurrenz wechselt, bedeutet schmerzhafte Provisionsausfälle. Als wäre das nicht genug, bricht auch noch ein Infight um Sterns Nachfolge in der Geschäftsführung und seinen Mehrheitsanteil an der Agentur aus. Währenddessen wollen die Klienten mit all ihren Macken und Wehwehchen selbstverständlich weiter betüdelt werden – neben den schon genannten auch Iris Berben, Nilam Farooq, Max von der Groeben, Florence Kasumba, Heiner Lauterbach, Heike Makatsch, Raùl Richter, Katja Riemann, Alicia von Rittberg, Kostja Ullmann, Christian Ulmen und Jürgen Vogel.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Es ist der Clou von "Call My Agent Berlin", dass die größten Stars des deutschen Films sich hier selbst spielen – nicht bloß in kurzen Cameos, sondern in tragenden Episodenrollen, die mitunter ein an Schmerzfreiheit grenzendes Maß Selbstironie erfordern. Ihre Storylines sind zwar gewaltig übertrieben, spielen aber stets mit real existierenden Images und Klischees. Gleichzeitig inszenieren Boris Kunz, Laura Lackmann und Johann Buchholz das Agenten-Ensemble als die wahren tragikomischen Hauptfiguren, denen man nicht nur amüsiert folgt, sondern sie in all ihrer Dysfunktionalität auch irgendwie lieb gewinnt.
Buchholz und seine Mitautoren mussten nicht bei Null anfangen, um diesen absurd-warmherzigen Mikrokosmos zu entwerfen. "Call My Agent" hat sich in den letzten Jahren zum wohl bestverkauften Serienformat der französischen Mediawan-Gruppe gemausert. Ursprünglich ging die fiktive Pariser Schauspielagentur ASK 2015 im öffentlich-rechtlichen France 2 auf Sendung und wurde dann via Netflix zum internationalen Hit. Lokale Adaptionen laufen oder liefen mittlerweile in Spanien, Italien, Großbritannien, Indien, Kanada und der Türkei. Die einst von Fanny Herrero ersonnene Grundkonstellation aus überforderten Agenten und echten, fiktional überhöhten Stars bleibt eine sichere Bank.
Freilich darf man deshalb noch lange nicht von einem Selbstläufer bei der Adaption ausgehen. Die jeweiligen lokalen Eigenheiten im Stellenwert von Filmstars sowie im Umgang zwischen Schauspielern und Agenten fallen höchst unterschiedlich aus, wenn man nur mal Frankreich und Deutschland vergleicht. Zudem lacht man 2025 teils über andere Dinge als zehn Jahre zuvor. Der deutschen Version gelingt es vortrefflich, bestehende Stärken aufzugreifen und dennoch eine eigene Identität zu erschaffen. Statt Cécile de France, die sich für einen Tarantino-Film liften lassen soll, ist es mit Bleibtreu nun ein Mann. Statt Monica Bellucci, die mithilfe ihres Agenten endlich mal einen "normalen" Mann kennenlernen will, erlebt nun Heike Makatsch ihre persönliche "Notting Hill"-Romanze. Und statt "Jean Gabin" heißt der Hund der Senior-Agentin hier "Werner Herzog".
Viel entscheidender ist jedoch, dass "Call My Agent Berlin" in seiner Verortung zwischen Ku'damm und Studio Babelsberg spürbar lokale Luft atmet und nicht bloß ein Format verpflanzt. Die Konflikte der Agenten fühlen sich originär an, weil sie auf den Punkt geschrieben und mit enormer Spielfreude ausgeführt sind. Keine Rolle – sei sie anfangs auch noch so narzisstisch oder manipulativ angelegt – wird dem schnellen Gag zuliebe vorgeführt. Je länger man zuschaut, desto mehr Herz und Tiefe wird man in jeder Figur entdecken. Aus der gesamten Serie spricht nicht etwa der Drang eines modernen Streaming-Produkts, sich über eine hoffnungslos altmodische Branche lustig zu machen, sondern im Gegenteil eine fast schon nostalgische Leidenschaft fürs Handwerk des Films und das damit verbundene Ringen im Hintergrund. In der Hülle der Dramedy liefert Buchholz eine Liebeserklärung an den Filmstandort Deutschland, der bei aller Verwirrung letztlich doch tolle Projekte stemmt, seine Stars hochhält und sich dabei nicht allzu ernst nimmt. Eben die überhöhte und viel witzigere Version einer tristeren Branchenrealität.
"Call My Agent Berlin", bei Disney+