Welche Wachstums-Story in Hollywood hat möglicherweise eine empfindliche Delle bekommen?
Die von David Ellisons Paramount Skydance. Taylor Sheridan (u.a. „Yellowstone“ u.v.m.) reitet nämlich demnächst für NBCUniversal. Er ist dieser seltene Autor-Showrunner-Regisseur, der archaische, moralisch ambivalente Americana mit knappen Dialogen, Landschaft-als-Figur und enormer Output-Disziplin (ich schätze so an die 150 Programmstunden bislang) zu massenfähigen, wiedererkennbaren Franchises verdichtet. Vertraglich sauber gestaffelt lässt er sich nun auf der NBCU-Ranch nieder: Filme schon ab 2026, TV ab 2029. Für Paramount ist das weniger ein sofortiger Aderlass als ein symbolischer Schlag. Die Pipeline läuft bis 2028 weiter, doch danach klafft eine Lücke im Herzstück der Marke Paramount+. Für Donna Langley (Chairman of NBCUniversal Entertainment & Studios) ist es der Königstransfer, ein „One-Man-Franchise-Studio“ als Turbo für den eigenen Streamer Peacock. Die Botschaft an den Markt aber ist: Trotz der Sparrunde Streaming 2.0 werden ausgewählte Creator wohl wieder wie Sportstars gehandelt. Diese Transferperiode hat NBCU gewonnen. Ich schließe mich in der Beurteilung dem Kommentator im „Hollywood Reporter“ an. Der sagt: „Ich muss schon schmunzeln, dass sich Paramount die Duffer-Brüder von Netflix für einen exklusiven Vierjahres-Film-und-TV-Deal geschnappt hat, der sicher ordentlich gekostet hat. Dabei haben die Duffers genau eine Hit-Serie gemacht. Und so sehr ich 'Stranger Things' liebe – es gibt bislang keinen Beleg, dass sie das replizieren können. Sheridan hingegen hat wiederholt bewiesen, dass er es kann. Klar, Sheridans Serien sind teuer, liegen jenseits von 10 Millionen US-Dollar pro Folge, aber die letzte 'Stranger Things'-Staffel soll 50–60 Millionen US-Dollar pro Episode gekostet haben – eine Zahl, bei der Paramount+ wohl sofort Stress-Erbrechen bekäme.“
Was hatte ich so nicht auf dem Schirm?
Eine Meldung, die schon etwas zurückliegt. Im Juli 2025 kappte WPP, die in London ansässige, börsennotierte globale Werbe- und Marketing-Holding, ihre Jahresprognose (Umsatz jetzt –3 bis –5 %). Die Aktie stürzte zweistellig ab und machte sichtbar, was schon länger brodelt. Aus dem einstigen 25-Milliarden-Pfund-Schwergewicht (2017) ist ein Konzern mit vier Milliarden Pfund Börsenwert geworden. Das ist nicht nur ein Quartalsdämpfer, sondern ein Kultur- und Geschäftsmodell-Alarm. Wie konnte das passieren? WPPs Absturz ist meiner Meinung nach kein Ausrutscher, sondern fordert eine Diagnose: Sie haben „Simplification“ über Identität gestellt. Die großen Agentur-Dialekte, also, wie eine Agentur klingt, denkt und handelt, so dass Kund*innen und Talente sie sofort wieder erkennen, wurden in blutleere Plattform-Marken geglättet (oder weiß jemand, wofür VML steht?). Grey?, J. Walter Thompson? oder Young & Rubicam? - gibt es nicht mehr. Effizient? Vielleicht. Aber Kreativität ohne Dialekt wird zur seelenlosen Schablone. Data & AI sind natürlich Pflicht heutzutage. Doch reine Grammatik ersetzt eben keine Stimme. Wer Haltung, Reibung und persönliche Führung aus dem System rationalisiert, zahlt mit sinkender Differenzierung, Talentkraft und letztlich beim Preis. Und der Markt zeigt es dann im Börsenchart. Die Antwort ist nicht Nostalgie, sondern: Dialekt + Daten. Aura zurück bringen, KI als Verstärker nutzen, Kundenbeziehungen wieder so persönlich führen, dass kein Self-Service sie jemals kopieren kann. Namen wieder zu Versprechen machen, nicht als Museum, sondern als begehrliches Produkt. Wer beides kann, wächst. Wer nur skaliert, konsolidiert ohne Perspektive und wird letztlich dann wieder zerschlagen. Die neue CEO Cindy Rose hat nach Experten-Schätzungen nun ein Jahr Zeit, das Ruder herum zu reißen. Ich wünsche ihr viel Erfolg.
Was habe ich dieser Woche von meiner zwölfjährigen, in den USA lebenden Nichte gelernt?
Sie geht zu Halloween als „6-7.“ Six what? Es gibt Memes, die etwas bedeuten. Und es gibt eben „6-7“. Zwei Zahlen, ein Handzeichen, null Inhalt. Genau darin liegt der Reiz. Der Soundbite stammt aus dem Song „Doot Doot (6 7)“ von Philly-Rapper Skrilla (veröffentlicht im Februar), tauchte zuerst in einem Basketball-Edit als Zitat auf und sprang dann über TikTok in die Schulhöfe. Erst in den USA, jetzt auch UK und Australien (Deutschland bislang wohl eher nicht?). Lehrer*innen berichten von Unterricht, der beim bloßen Nennen der Zahl sechs entgleist. Der Charme des Absurden als kollektiver Running Gag einer Generation, die sich über das „schöne Dumme“ verständigt und so Gemeinschaft erzeugt. Wie immer, wenn Nonsens viral geht, folgt die Vermarktung auf dem Fuß. „Mr. 6-7“-Merch, Parodien in „South Park“, Sport-Referenzen bis zu Cristiano Ronaldo usw. Im Hintergrund diskutieren Linguist*innen und Pop-Kritik noch, ob „6-7“ nun eine Straße, ein Polizeicode oder schlicht eine Nebelkerze ist. Skrilla selbst lässt die Deutung offen, und damit die Meme-Maschine laufen. Für Marken könnte „6-7“ Lehrstück und Warnsignal zugleich sein: Wer spät einsteigt, killt die Magie. Wer früh andockt, darf nur flüchtig streifen – ein Sticker, eine Geste, dann wieder weg. Schulen wiederum tun gut daran, das Phänomen gelassen zu sehen statt zu dramatisieren. Verbote verlängern nur die Halbwertszeit. In ein paar Wochen ist das Echo vermutlich ohnehin abgeklungen, bis die nächste sinnfreie Chiffre („4-1“, anyone?) vielleicht die Bühne betritt? Und btw: Keine tiefere Bedeutung bei einem humorvollen Insider der Generation Alpha, mit rätselnden und verwirrten Eltern? Das ist schon auch irgendwie sehr lustig.
Was war diese Woche mit der Netflix-Aktie los?
Die hatte ihren schlimmsten Crash seit dem Super-GAU 2022. Unmittelbar nach dem Q3-Report am vorletzten Dienstag fiel die Aktie nachbörslich und am folgenden Handelstag deutlich – teils mehr als zehn Prozent. Die brasilianische Steuerkeule war ein einmaliger Sondereffekt (ca. 619 Millionen US-Dollar), den Netflix selbst nicht als materiell für künftige Ergebnisse einstuft. Die Guidance war operativ solide, ohne Tax-Hit wäre die Marge sogar über Plan gewesen. Eine Erkenntnis hier: Planübererfüllung ist als Erwartung wohl schon immer im Kurs eingepreist gewesen. Die zwei echten Long-Term-Showstopper liegen jedoch anderswo, und sind meines Erachtens der Grund, warum es vielleicht bis heute keine echte Kurs-Gegenbewegung gegeben hat: (1) die WBD-Gerüchte. Allein die Spekulation über einen Warner-Deal (und das Preisschild samt Schuldenpaket) verschreckt viele Analysten/Anleger. Netflix’ Führung musste öffentlich Desinteresse betonen. Aber so ist das nun mal in der Kapitalmarkt-Psychologie: Gerüchte halten sich hartnäckig. (2) Die Verschiebung der Aufmerksamkeit und Werbegelder zu „Free/CTV“: YouTube dominiert die TV-Screen-Nutzung in den USA und anderswo und steigert seine Werbeumsätze zweistellig. Auch Roku meldet kräftiges Plattform- und Ad-Wachstum. In Summe: Netflix liefert zwar operativ, aber das Story-Risiko durch M&A-Unruhe und der strukturelle Rückenwind für Free/CTV lassen zum ersten Mal seit Jahren wieder Risse auftauchen. Jetzt sind die Chart-Techniker*innen (oder Wahrsager*innen) unter den Leser*innen gefragt. War der Kursverlust nur ein „Blip“ oder hat Netflix ein echtes Problem?
Und worüber war ich diese Woche froh?
Fast wäre der Reformstaatsvertrag für ARD und ZDF in Sachsen gescheitert. Erst nach einer Intervention und einem eindringlichen Appell von Ministerpräsident Michael Kretschmer kam die knappe Mehrheit zustande. „Totalschaden abgewendet“, schreibt DWDL, aber fertig ist die Reise nicht. Weitere Länder müssen noch im November zustimmen, bevor die Reform greift. Ihr Kern: Weniger Spartenkanäle und ARD-Radios, mehr Kooperationen, klare Kostendisziplin und digitalere Angebote. Kurz: Verschlanken, fokussieren, liefern. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es nun mutmaßlich weitergeht. Aber, diese politische Entscheidung ist auch kein Blankoscheck, sondern eine Verpflichtung. Jetzt sind die Häuser am Zug. Strukturen abbauen, Doppelungen vermeiden, Prioritäten ins Programm und in die Publikumsbeziehung verlagern. Wer den Beitrag bzw. dessen Erhöhung rechtfertigen will, muss Relevanz, Effizienz und Transparenz sichtbar machen. Die Sender müssen beweisen, dass sie den Auftrag 2025ff. operativ und publizistisch meistern. Und dennoch: Wir sollten uns glücklich schätzen, in Deutschland einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben. Ein Blick in die USA zeigt, wie schnell Informationsökosysteme ohne stabile, gemeinwohlorientierte Anker zerfasern, in eine polarisierte Kabellandschaft, News Deserts in der Fläche, ständige politische Attacken auf PBS/NPR und ein Publikum, das sich in algorithmischen Echokammern verliert. Die sächsische Zitterpartie war Warnsignal und Chance zugleich: Wenn die Reform geliefert wird, bleibt der ÖRR unser demokratischer Stabilitätsfaktor – unabhängig, verlässlich, für alle. Was jetzt zählt, ist die zügige und richtige Umsetzung notwendiger Reformen.
 
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