Welches Vorgehen finde ich beeindruckend?
Das der Telekom bzw. das von MagentaTV. Schon seit dem rundum erneuerten Deutschen Fernsehpreis dieses Jahr konnte man ahnen, der Kollege und TV-Chef Arnim Butzen hat tiefe Taschen - und er macht etwas daraus. Bereits länger bekannt ist, die Telekom/MagentaTV hat in Deutschland alle 104 WM-Spiele 2026, 44 davon exklusiv, inkl. zusätzlicher K.-o.-Runde (Sechzehntelfinals), drei Achtelfinals und zwei Viertelfinals. ARD und ZDF zeigen per Rechte-Tausch 60 Spiele parallel, der Rest bleibt Pay/Streaming-only bei MagentaTV. Neben dem Hauptmoderator Johannes B. Kerner und Lead-Kommentator Wolf Fuss wurden zuletzt zwei weitere Top-Personalien des hochkarätig besetzten On-Air-Teams bekannt. Und sie sind schlichtweg spektakulär.
Nachdem Thomas Müller bereits im Oktober 2025 als WM-Experte für MagentaTV verkündet und Telekom-intern als „Traum-Transfer“ gefeiert wurde nun der nächste Aufschlag. Jürgen Klopp wurde als TV-Experte exklusiv für MagentaTV verpflichtet. Die Telekom jubelt vom „Comeback eines Kult-Experten“ und „weiterem Transferkracher“ für die „Nationalmannschaft der Experten.“ Das ist tatsächlich ein bisschen etwas für TV-Nostalgiker des Sommermärchens von 2006 und lässt auf eine höchst unterhaltsame Kommentierung des WM-Geschehens hoffen. Stark auch die Art der Social Media-Kommunikation. Kloppo freut sich auf Instagram auf Kerner und der auf Kloppo. Und spätestens seit dem versöhnlichen Ende eines durchwachsenen Länderspiel-Jahres mit dem 6:0 gegen die Slowakei jubelt man hoffentlich nicht nur in Bonn/Wiesbaden über die sichere WM-Teilnahme Deutschlands, sondern auch im Rest der Fernseh-Nation.
Der Insta-Clip mit Klopp und Kerner
Welcher Plagiatsvorwurf ist ein rechter Albtraum für alle Beteiligten?
Wenn ein Global Player eine fertig gedrehte Prestige-Serie wenige Tage vor Start aus dem Programm radiert, als hätte es sie nie gegeben, dann sind wir beim IP-Super-GAU. Genau das passiert Apple TV+ mit dem französischen Thriller „The Hunt“, der laut übereinstimmenden Berichten eng an Douglas Fairbairns Roman „Shoot“ angelehnt ist. Apple löscht Trailer, Presseseiten, App-Einträge – totale Finsternis. Der globale Start war für den 3. Dezember geplant. Produzent Gaumont erklärt, man verschiebe die Ausstrahlung und prüfe die Rechtekette „gründlich.“ Übersetzt heißt das, alle haben Angst, dass hier eine faktische Adaption ohne Lizenz entstanden ist. Es gibt für mich nur Verlierer. Für Apple ist der Schaden doppelt. Zum einen finanziell. Realistisch (aber ausdrücklich spekulativ) liegt man bei einer Apple-TV+-Prestigeproduktion dieser Größe irgendwo im mittleren einstelligen Millionenbereich in Euro je Episode („The Hunt“ = 6x52’), plus Marketingkosten. Zum anderen Image. Die Marke, die sich über Kuratierung und Qualitätsversprechen definiert, wirkt plötzlich wie ein Streamer ohne funktionierende IP-Due-Diligence.
Für Gaumont ist es eine Vertrauenskrise beim vielleicht wichtigsten internationalen Kunden. Wer als europäischer Premium-Lieferant auftreten will, darf sich so eine interpretierbare Grauzone schlicht nicht leisten. Und für Creator, Drehbuchautor und Regisseur Cédric Anger kippt die Rolle vom angesehenen Autorenfilmer zum potenziellen Haftungsrisiko, dessen Name ab sofort in jedem Legal-Meeting rot markiert ist. Cast und Crew sind zuletzt die tragischen Statisten dieses Dramas. Sie haben geliefert, was bestellt war, und schauen nun zu, wie ihre Serie möglicherweise im Giftschrank verstaubt. Während die Erben Fairbairns plötzlich mit einem 70er-Jahre-Roman in der Pole Position sitzen und wahrscheinlich ihr Glück kaum fassen können. Es gibt im Grunde nur zwei vernünftige Auswege. Einen offenen, nachträglichen Rechte-Deal mit sauberem „based on the novel by…“-Credit oder die brutale Lösung, das Projekt dauerhaft zu beerdigen und die Verluste intern zu verteilen. Beides ist teuer, aber nur das erste rettet wenigstens die kreative Arbeit. Die eigentliche Lehre liegt tiefer. IP-Hygiene ist wahrlich kein Luxus, sondern gehört eigentlich in die Chefetage. Inspirationsquellen müssen früh transparent gemacht, Legal in die Stoffentwicklung geholt und systematische Similarity-Checks zur Routine werden. Solange alle so tun, als sei alles originär, was nicht 1:1 kopiert, ist der nächste Super-GAU nur eine Staffel entfernt. Und dann spielt der spannendste Thriller der Branche eben nicht im dunklen Wald, sondern in den Legal Departments. Ich kann immer noch nicht glauben, dass das so passiert ist.
Welchen Blockbuster-Erfolg finde ich bemerkenswert?
Mit Zahlen lässt sich diese Geschichte am besten erzählen. Rund 760 Millionen US-Dollar hat „Wicked“ (Teil 1) weltweit im Kino eingespielt, die erfolgreichste Broadway-Verfilmung aller Zeiten und klar im Blockbuster-Regal. Teil 2 startete nun mit einem globalen Opening jenseits der 220-Millionen-US-Dollar-Marke direkt neben den großen Franchise-Titeln des Jahres. Für einen Musicalstoff, der weder Disney-Logo noch Superheld im Titel hat, ist das mehr als ordentlich. Dabei basieren die Filme auf etwas, das für mich eher nach Feuilleton klingt. Gregory Maguires Roman „Wicked: The Life and Times of the Wicked Witch of the West“ und das darauf aufbauende Broadway-Musical „Wicked“ erzählen nicht nochmal „The Wizard of Oz“, sondern kehren die Perspektive um. Im Zentrum stehen Elphaba und Glinda, Außenseiterin und It-Girl, sowie ihre Freundschaft und ihre politischen Entscheidungen. Teil 1 ist im Kern Origin-Story und Campus-/Friendship-Drama. Teil 2 zeigt nun den Preis dafür. Propaganda, Stigmatisierung, Glindas Aufstieg, Elphabas Sturz. All das eingebettet in die vertrauten Oz-Bilder, aber ohne den gelernten Gut/Böse-Komfort des Klassikers.
Universal hat diese kompliziert anmutende IP nicht einfach nur verfilmt, sondern mutig wie ein Franchise behandelt, mit einer ziemlich riskanten Produktionsstrategie. Beide Filme wurden nämlich in einem einzigen Mammut-Drehblock produziert, Sets und Ensemble durchgezogen, und das Resultat dann in zwei Event-Fenstern ein Jahr auseinander ausgewertet. Nach den kommerziellen Musical-Bruchlandungen der vergangenen Jahre, wie „Cats“ oder „West Side Story“, war das eine Doppelwette. Die Box-Office-Kurve von Teil 1 und der Start von Teil 2 zeigen jedoch, dass diese Wette aufgeht. Die Lektion für die Branche könnte lauten: Auch komplexere, politisch aufgeladene Stoffe können Blockbuster sein, wenn man ihnen die Größe, die Stars, wie Ariana Grande, und die Franchise-Architektur zutraut. Puh, ich hätte mich das als klar bekennender Nicht-Musical-Fan niemals getraut.
Mehr Zahlen zu „Wicked: For Good“ in den einzelnen Territorien gibt’s hier.
Wer will vor Weihnachten offenbar noch einen großen Schritt voranschreiten?
Warner Bros. Discovery. Sie stecken mitten in einem ernsthaften Bietergefecht, und es wirkt trotzdem so, als würde CEO David Zaslav das Ganze eher als Casting-Show moderieren. Bis zum 20. November mussten Paramount/Skydance, Netflix und Comcast ihre ersten, unverbindlichen Angebote auf den Tisch legen. WBD winkte ab: zu niedrig, bitte nachbessern. Jetzt läuft die zweite Runde mit Frist Anfang Dezember. Im Hintergrund wird bereits über eine mögliche Exklusivphase mit einem „Preferred Bidder“ zur Monatsmitte spekuliert. Seit die Übernahmefantasie im Markt ist, hat sich die Warner-Aktie spektakulär erholt. Vom Sommer-Tief im niedrigen Zehner-Bereich hat sie sich in Richtung Mitte 20 US-Dollar bewegt. Ein Plus von grob 80 bis 100 Prozent in wenigen Monaten, getragen allein von der Aussicht, dass irgendjemand für dieses Konglomerat aus HBO, Warner Bros. und Discovery tief in die Tasche greift. Aber der Weg ist noch lang. Egal ob Paramount als Legacy-Konsolidierer, Netflix als IP-Staubsauger oder Comcast als integrierter Großkonzern, in jedem Szenario sitzen CFIUS (diese Behörde prüft ausländische Investments auf Gefährdung der nationalen Sicherheit), US-Kongress und Wettbewerbshüter mit am Tisch.
Nachrichtensender wie CNN, Premium-Drama von HBO und globale Sport- und Entertainmentrechte sind politisch sensibel, ausländische Staatsfonds als Co-Financiers - zuletzt wurde über ein gemeinschaftliches Investment von Paramount mit arabischen Staatsfonds spekuliert - machen die Chose nicht einfacher. Genau deshalb hält sich WBD demonstrativ alle Optionen offen. Vollverkauf, Teil-Desinvestments, späterer Split des Konzerns – alles liegt auf dem Tisch. Der Verwaltungsrat hat Zaslavs Vergütungspaket dafür jüngst praktischerweise passend getunt. Weniger Cash, dafür ein großes Aktien- und Optionspaket, das vor allem dann richtig wertvoll wird, wenn der Kurs im Zuge von Verkauf oder Zerschlagung weiter steigt. Kommt ein teurer Deal, z.B. für 30 US-Dollar je Aktie, profitiert er, denn das Board hat ausdrücklich festgeschrieben, dass Zaslav seine Stock Options auch im Fall eines „Change of Control“ behalten bzw. weiter vesten kann. Scheitert alles und WBD wird später in Einzelteile zerlegt, profitiert er ebenfalls, solange der Markt an diese Story glaubt und die Aktie nicht wieder abstürzt. Für die Kreativen und Beschäftigten hingegen ist es existenziell, wie es weitergeht. 2025 gab es bereits mindestens 2.000 Entlassungen. Für Zaslav aber ist es ein Spiel mit mehreren Gewinnpfaden.
Mehr zum aktuellen Bieterverfahren
Und welchen "Konzertfilm" fand ich beeindruckend?
Netflix nennt es „ONE SHOT with Ed Sheeran: A Music Experience.“ Ein Star, eine Stadt, ein Take. Dahinter steckt aber weniger Straßenromantik als ein logistischer Hochleistungsjob. Regisseur Philip Barantini, der schon mit der Single-Take-Serie „Adolescence“ gezeigt hat, wie man Spannung ohne Schnitt hält, und Produzent Ben Winston koordinieren einen Dreh, bei dem eine Kamera scheinbar mühelos durch Manhattan gleitet, während im Hintergrund fast tausend Menschen an Locations, Sicherheit, Ton, Verkehr und Subway-Zugängen schrauben. Ein Projekt, bei dem ein falsch geparkter Lieferwagen im Zweifel einen Millionenplan zerstört. Filmisch ist ONE SHOT ein konsequenter nächster Schritt in Barantinis Universum, jetzt mit einer sonnendurchfluteten Stadt als Oberfläche und Starbonus. Die Route ist minutiös durchchoreografiert, die Stationen funktionieren wie Level in einem Game, die Kamera klebt mal dicht an Ed, gönnt sich dann wieder Luftbilder. Und trotzdem verkauft sich das Ganze als beiläufiger Spaziergang mit Gitarre. Die Spontaneität ist hingegen das Ergebnis von Planung, Proben und harter Regiearbeit. Aus Marketing-Perspektive ist das fast noch cleverer.
Für Netflix ist es ein Konzertfilm, der im überfüllten Regal eine klare, erzählbare Hook hat. Kein weiterer Stadionmitschnitt, sondern ein Event, das in einem Satz erklärt ist. Für Ed Sheeran ist es ein perfektes (Re-)Branding. Der Stadion-Milliardär wird inszeniert wie ein Straßenmusiker von nebenan, der New York mit T-Shirt und Akustikgitarre bespielt. Am Ende entsteht ein Bild, das seine Rolle in der Popkultur ziemlich genau trifft. Ed Sheeran als sympathischer, größtmöglicher gemeinsamer, männlicher Nenner der globalen Pop-Welt – unaufgeregt, konfliktfrei, immer freundlich. Diese „well-planned spontaneity“ des Films ist damit nicht nur formal fast perfekt, sie ist auch die ästhetische Übersetzung jener Popfigur, die seit Jahren davon lebt, dass hinter der Bühne maximaler Aufwand steckt, damit vorne alles so aussieht, als sei es ganz leicht.
Diese Stunde kann man sich gut geben, selbst wenn man kein Fan ist.
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