Welches Thema bewegt gerade nicht nur Hollywood?
Im Bieterrennen um Warner Bros. Discovery hat Netflix sich nun durchgesetzt, mit einer Offerte, die bekanntlich gezielt nur das Filetstück adressiert: Studio, Library, HBO/HBO Max. Bei einem überwiegend Cash-basierten Angebot von 27,75 Dollar je Aktie (Schlusskurs am Donnerstag 24,54 US-Dollar) ist man sich mit Warner Bros. Discovery einig geworden. Die geradezu obszönen Break-up Fee von fünf Milliarden US-Dollar, falls der Deal scheitern sollte, scheint mir ein Signal maximaler Zuversicht, dass die Regulierer am Ende zustimmen (das Rechtsgutachten dazu hätte ich gerne mal gelesen). David Ellison (Paramount SKYDANCE) gab derweil seit Monaten den hartnäckigen Verehrer, der mit Geld und Titeln um David Zaslavs Warner buhlt. Zaslav ließ ihn immer wieder abblitzen und bevorzugt nun Netflix, worauf Ellison mit Briefen und möglichen Klage- oder „Plan-B“-Szenarien reagiert, wie z.B. der direkte Gang zu den WBD-Aktionären am Board vorbei. Die Zwei werden vermutlich keine Freunde mehr.
Was bedeutet es, wenn der Deal so käme? Aus dem größten Kunden Hollywoods würde einer seiner mächtigsten Eigentümer. Netflix wäre nicht mehr nur Plattform, sondern vertikal integriertes Super-Studio mit einem der wertvollsten IP-Kataloge der Welt – von „Game of Thrones“ bis „Harry Potter“. Das verschöbe die Tektonik in Tinseltown erheblich. Klassische Studios würden weiter zu Content-Zulieferern degradiert, kleinere Streamer gerieten noch mehr zwischen die Räder, das ohnehin fragile Fenster-System Richtung Kino käme noch stärker unter Druck. Kein Wunder, dass die vielen Betroffenen eines solchen Deals nervös sind. Produzenten warnen vor einer ökonomischen und „institutionellen“ Krise, weil ein übergroßer Käufer Preise und Konditionen diktiert. Autoren- und Schauspieler-Gewerkschaften fürchten weniger Wettbewerb um Talente und noch schlechtere Residuals (das sind nachgelagerte Tantiemen auf Nutzung, im klassischen TV gut geregelt, im Streaming bis heute ein Kampfplatz). Kinobetreiber sehen ein Netflix-geführtes Warner naturgemäß als Streaming-first-Maschine, die das große Publikum endgültig ins Wohnzimmer zieht. Und in Washington und Brüssel geht es nicht nur um Verbraucher-Preise, sondern auch um Meinungsvielfalt. Ein Gatekeeper, der zugleich den globalen Distributionskanal und einen Großteil des Premium-Contents kontrolliert, ist politisch sehr diskutabel. Ob das Vertrauen der Deal-Macher am Ende stärker ist als die Skepsis der Regulierer oder ob Ellison & Co. den Fall vor Gericht in die Verlängerung zwingen, das wird zur eigentlich spannenden Frage dieses gerade beginnenden Netflix-Warner-Films.
Mehr zum geplanten Deal bei DWDL
Wer ist mal wieder schneller als andere in unserer Industrie?
Porn war schon immer der Beta-Test der Unterhaltungsbranche. Das gilt jetzt wieder. Und zwar für KI. Die Zahlen scheinen eindeutig. Der Markt für KI-getriebenen Adult Content liegt jetzt schon bereits bei rund 2,5 Milliarden US-Dollar, mit geschätzten Wachstumsraten um die 27 Prozent jährlich. Der gesamte Pornomarkt wird auf grob 100 Milliarden geschätzt, also deutlich größer als das, was KI heute insgesamt umsetzt. Frühere Technologiesprünge in der Branche – von VHS über Kabel bis Streaming – haben vor allem die Distributionskosten gedrückt. KI ist nun ein anderer Schnack. Zum ersten Mal fallen die Produktionskosten Richtung Null, und Massenware wird zur Maßanfertigung. Statt vorgefertigter Clips bekommen Nutzer künftig nämlich auf Zuruf personalisierte Fantasien. Tube-Sites liefern weiterhin Reichweite, OnlyFans & Co. haben die Fan-Beziehung monetarisiert, jetzt drängen Modellbetreiber und AI-Porn-Startups dazwischen, die Content nicht mehr verteilen, sondern generieren.
Für menschliche Performer*innen ist das eine existentielle Bedrohung. Wer gegen synthetische Avatare antritt, die niemals älter werden, keinen Agenten brauchen und 24/7 verfügbar sind, muss plötzlich mehr liefern. Persönlichkeit, Story, Community. Wertschöpfung wandert weg von Körpern hin zu IP und Fanbindung, ein Muster, das wir im Rest der Creator Economy bereits sehen. Gleichzeitig eskaliert mit KI die Schattenseite. Deepfakes von Stars, „Nudifier“-Apps, KI-generierte Übergriffe, oft ohne Einwilligung der Betroffenen. Was hier passiert, ist nicht nur ein Moralthema, sondern ein Reputations- und Regulierungsrisiko, auch für große KI-Anbieter, die zwischen „Safety first“ und „Sex sells“ lavieren müssen. Maximale Personalisierung, minimale Kosten, hohe Missbrauchsgefahr, so sieht wohl die Zukunft aus. Wenn die Entwicklung so weiterläuft, ist es gut vorstellbar, dass in ein paar Jahren ein größerer Teil der weltweit konsumierten Pornos nicht mehr von Menschen gedreht, sondern von Modellen generiert wird. Und auch eine andere Dimension sollte uns Sorgen bereiten. Wenn KI es heute mit wenigen Prompts möglich macht, aus normalen Fotos täuschend echte Pornofakes zu bauen, dann wird damit digitale sexualisierte Gewalt massiv erleichtert, vor allem gegenüber Minderjährigen und in Machtverhältnissen wie Schule oder Arbeitsplatz.
Mehr dazu beim "Economist" (hinter der Bezahlschranke)
Wie steht es eigentlich um die Nachfolge von Bob Iger bei Disney?
Sein Vertrag endet 2026, der Aufsichtsrat hat versprochen, spätestens Anfang 2026 den Nachfolger zu benennen. Nach allem, was man so lesen kann, ist das Rennen faktisch auf zwei interne Kandidat*innen geschrumpft. Josh D’Amaro, Chef von Disney Experiences (Parks, Kreuzfahrten, Consumer Products), und Dana Walden, Co-Chefin von Disney Entertainment (Disney+, Hulu, ABC, FX, Studios). D’Amaro ist der „Park-Mann“, seit Jahrzehnten im Konzern, groß geworden im Parkgeschäft, heute verantwortlich für die profitstärkste Sparte und das 2024 verkündete 60-Milliarden-US-Dollar-Investmentprogramm in neue Attraktionen und Schiffe, dazu die Öffnung Richtung Fortnite & virtuelle Welten. Seine Lesart von Disney wäre: Parks & Experiences als Kern, Content und Streaming in erster Linie als IP-Zulieferer und Marketingmaschine für dieses physische und digitale Erlebnis-Imperium, attraktiv für Investoren, die planbare Cashflows lieben, da es weniger Content-Lotterie bedeutet.
Walden steht für die andere DNA. Hollywood-Powerbrokerin, über Fox ins Haus gekommen, heute verantwortlich für Disney+, Hulu, ABC, FX & Co., dazu eine beeindruckende Emmy-Bilanz als Greenlighterin und gerade erst mit einem Ehren-Emmy, dem International Emmy Founders Award 2025, ausgezeichnet. Ich habe sie einmal persönlich kennenlernen dürfen und war sehr beeindruckt von dieser Frau. Dazu kommt eine sichtbar souveräne Krisensteuerung in einem hoch-politisierten TV-Umfeld in der Causa Jimmy Kimmel. Ihre Version von Disney wäre vermutlich: IP- und Content-first – Streaming strategisch geordnet, lineare Sender intelligent zurückgebaut, ESPN und News eingebettet statt nur abgespalten wie bei der Konkurrenz, und das alles mit einem klaren Fokus auf Talentbeziehungen und kreative Schlagkraft. Beide Modelle sind industriell plausibel. Aber ich favorisiere klar Dana Walden. Disneys eigentliche Stärke liegt nicht darin, der beste Betreiber von Freizeitparks zu sein, sondern in der Kombination aus starken Marken, kreativen Köpfen und globaler Distribution, aus der dann Parks, Kreuzfahrten, Games und Merch gespeist werden. D’Amaro bleibt in diesem Szenario der ideale starke Eckpfeiler für Experiences. Das Gesicht der Post-Iger-Ära sollte aus meiner Sicht deshalb die Person sein, die das kreative Ökosystem orchestriert, und das ist eben Walden. Und ja, von Co-CEO-Lösungen halte ich eher weniger.
Mehr Infos beim "Wall Street Journal" (hinter der Bezahlschranke)
Welche Umfrage lässt mich von Jahr zu Jahr ratloser zurück?
Die Zahlen sind eindeutig, und sie werden von Jahr zu Jahr düsterer. Laut jüngster Umfrage der Produktionsallianz bewerten inzwischen 85 Prozent der befragten Firmen ihre wirtschaftliche Lage als schlecht oder sehr schlecht, und drei Viertel erwarten keine Besserung im kommenden Jahr. Schon in den letzten beiden Erhebungen ging es bergab. Jetzt kippt die Stimmung endgültig von Sorge in Strukturpessimismus. Das ist keine Delle mehr, das ist ein Muster. Denn das Problem sitzt tiefer als „schlechte Werbekonjunktur“ oder „zurückhaltende Streamer.“ Die klassischen Finanzierungsmodelle, wie z.B. die Auftragsproduktion, geraten unter Druck, während Budgets stagnieren oder sinken, Herstellungs- und Personalkosten weiter steigen und Entscheidungen der Auftraggeber länger dauern. Wer nicht gerade Joko & Klaas im Haus hat oder vom nächsten globalen Hit-Format aus dem internationalen Verbund mitgezogen wird, schaut in eine Zukunft, die eher nach Selbstausbeutung als nach Unternehmertum aussieht.
An diesem Punkt stellt sich für Produzenten eine unangenehme, aber unvermeidliche Frage. Weitermachen – und wenn ja, wie? Auf die „guten alten Zeiten“ zu warten, in denen Sender und Plattformen steigende Budgets und volle Auftragsbücher garantierten, ist keine Strategie. Auch die nächste Förderrunde oder eine Investitionsverpflichtung für Streamer wird das Grundproblem nicht lösen, höchstens etwas Zeit kaufen. Wer überleben, und idealerweise wachsen will, muss jetzt radikal in die Selbstanalyse gehen. Das heißt, sich schonungslos klarmachen, wofür die eigene Company eigentlich steht. Welche Genres, welche Tonalität, welche IPs, welchen Talent-Zugang, welche Tech-Kompetenzen? Wo ist man wirklich besser als andere, nicht auf der Website, sondern im Markt? Aus diesen Stärken lassen sich neue Modelle bauen. Beteiligungs- statt Dienstleistungsverträge, eigene Rechte- und IP-Strategien, Co-Finanzierungen mit Marken, Tech- und Gaming-Partnern, direkte Community-Modelle statt reiner B2B-Abhängigkeit. Die Umfrage markiert für mich einen Wendepunkt. Die Branche kann nicht länger so tun, als sei sie in einen Sturm geraten, der irgendwann von selbst vorbeizieht. Produzenten sollten jetzt entscheiden, ob sie ihr Geschäftsmodell aktiv umbauen. Ich kenne Häuser, die das bereits tun oder vorbereiten. Die gehören dann vielleicht zu den anderen 15 Prozent der Umfrage-Teilnehmer.
Mehr zur Umfrage gibt es bei DWDL
Und was ist nun offiziell eingetreten?
Aus den „Big Six“ sind jetzt „Big Five“ geworden. Mit der Übernahme von IPG hat Omnicom den letzten großen US-Konkurrenten geschluckt und sich, zumindest nach Umsatz, zum größten Werbekonzern der Welt hochgezogen. In einem Markt, in dem Omnicom, Publicis, WPP, Dentsu und Havas um globale Budgets ringen, während Google, Meta & Co. die selben Marketing-Euro aus einer anderen Position in der Wertschöpfungskette heraus attackieren, zählt Skalierung. So glaubt man wohl zumindest. Daten, Tech-Invests, Einkaufsmacht, AI-Plattformen: Omnicom bündelt all das nun in einem überdimensionalen Systemhaus, das Media, Kreation, CRM und Commerce unter einem Dach orchestrieren will. Es hat nun insgesamt rund 120.000 Mitarbeitende aus beiden Gruppen und streicht davon direkt ca. 4.000 Jobs, weitere rund 10.000 werden von Verkäufen/Abspaltungen betroffen sein.
Mir scheint, dass es sich hier eher um einen Überlebenskampf als um eine Wachstumsstrategie handelt. Denn der Preis für diese Effizienz sind Namen, die in der Branche einen guten Klang hatten. DDB, FCB, MullenLowe verschwinden als eigenständige Marken, gehen in BBDO und TBWA auf und werden zu Fußnoten in Investor-Decks. Dass ausgerechnet die Bernbach-Schule (einer der Gründer von DDB) im Strudel der Konsolidierung untergeht, hat eine bittere Ironie. Die Agentur, die einst mit „Think Small“ für den VW Käfer den Ton der ganzen Branche veränderte, wird jetzt zum Synergieposten. Bill Bernbach war derjenige, der der Branche beigebracht hat, dass Intelligenz, Witz und Respekt vor dem Publikum mehr bewirken können. Er sah Werbung als Kunst, nicht als Wissenschaft. Da macht sich gehörig Nostalgie nicht nur in der Werber-LinkedIn-Bubble breit. Vielleicht ist das die eigentliche Mahnung dieses Deals: Wenn Holding-Logik und Excel-Tabellen die Erzählung dominieren, braucht es umso mehr Menschen, die an Ideen und Haltung festhalten. Oder, um Bernbach zu zitieren: „A principle isn’t a principle until it costs you something.“
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