Foto: ARD„Schmidt & Pocher“ begann, wie „Harald Schmidt“ zuletzt endete: Gelangweilt und mit Schmidt allein. Sein Solo-StandUp versetzte nicht einmal die Band inklusive Heimkehrer Zerlett in Bewegung, die sich somit so ruhig verhielt wie nie als der ehemals gefeierte Altmeister des nächtlichen Humors zum Rundumschlag ausholte. Doch mit Gags zu Scheidung, Strompreis, Sozis und Porsche erfüllte Schmidt nur seine Pflicht. Die endete mit der Vorstellung von Oliver Pocher. Und schon war der Steilpass für alle, die ihre Kritik zu Pocher schon fertig hatten, geschafft. Mit Michael Jackson-Sound und Tanzeinlage hätte er seinen Auftritt in Schmidts Show nicht peinlicher inszenieren können. Am neuen Tisch sitzend kommentierte Pocher dann frech: „Bisher bin ich glaube ich viel lustiger als Du. Auch für die Presse die heute hier ist.“

Das war der erste von zahlreichen Seitenhieben auf die Erwartungen der Presse und die Unterschiede zwischen den beiden. Schmidt scherzte über Pochers (Un)beliebtheit, sein Politikinteresse und die Zielgruppen von Pocher und ihm - die man jetzt zusammen bringe, wie Pocher ausführt. Seine Zielgruppe („Zwischen 15 und 19 (...) Was man bei ProSieben halt so abgreift“) ist noch manches Mal Gegenstand von Schmidts Kommentaren. Einen versemmelten, weil leise genuschelten Gag von Pocher über die Wochenzeitung „Die Zeit“ kommentiert Schmidt später süffisant mit: „Für mein Publikum war es zu leise und deins kennt sie nicht.“ Zwei Welten treffen auch aufeinander als Pocher über eine Printanzeige der Welthungerhilfe scherzt. „Darüber macht man keine Witze“, sagt Schmidt. „Aber lustig sieht‘s aus“, kontert Pocher. Und zu Martin Walser fragt er sicher wissend aber naiv: „Was macht der?“ „Jung, der schreibt Bücher“, antwortet Schmidt.

Die Premiere von "Schmidt & Pocher" stand unter einem so schwierigen Stern wie kaum ein anderes Format in diesem Jahr. Die einen erhofften Unmögliches, andere befürchteten das Schlimmste. Die erste Sendung zeigte: Weder lief Schmidt zur Höchstform auf, noch war Pocher der von manchen gern gesehene Totalausfall. Es ist wahr: Sie trafen sich im Niveau irgendwo in der Mitte - und das war weitaus besser als alles, was Schmidt zuletzt alleine schaffte. Dennoch lässt sich an Details arbeiten. Zum Beispiel an den Abstimmungsschwierigkeiten. Es liegt noch an Pocher zu lernen, einen Witz verloren zu geben. Das war eine der hohen Künste die Schmidt schon immer beherrschte: Ein schlechter Gag wird hoffnungslos überreizt oder möglichst schnell verdrängt. Auch brachte es Pocher einige Male aus dem Konzept, wenn Schmidt etwas sagt, mit dem er inhaltlich oder zeitlich gerade nicht gerechnet hatte. Als Pocher einmal nicht schnell genug schaltet, mahnt Schmidt: „Wir müssen uns ein bisschen sammeln“. Und als ahne er diese Kritik bereits: „Draussen sitzen die Journalisten, die können online die Kritik gleich ins Netz stellen“

Foto: ARDVom Nazometer über einen mäßigen Running Gag mit Kurt Beck und einen etwas langatmigen Einspieler zum „Promi-Pilgern“ mit Gastauftritt von Oli P. der einmal durchs Bild laufen durfte, kam die Nummernrevue der abwechslungsreichen und unterhaltsamen Sorte aber langsam in Fahrt. Nostalgische Gefühle mischten sich mit herzhaftem Lachen als Schmidt beim „großen Zuschauer-Quiz“ Fotos von vier deutschen Fernsehfrauen präsentierte und in Anspielung auf sein legendäres Bilderquiz kurz nach Beginn seiner Sat.1-Show fragte, was diese Damen verbinde. Damals 1995  hatte Schmidt WDR-Moderatorin Bettina Böttinger in seiner Sendung mit einer Toilettenschüssel, einem Eierlikör und der Frauenzeitschrift „Emma“ verglichen und behauptet: Kein Mann würde sie freiwillig anfassen. Bei „Schmidt & Pocher“ präsentierte er gestern Abend Fotos von Anne Will, Veronica Ferres, Carmen Nebel und Bettina Böttinger und trieb das Spiel bis auf die Spitze: „Kein Mann....(Schmidt versteckt sich hinter der Pappe mit den Fotos) würde.......(Publikum lacht schon).....bestreiten, dass das sensationell erfolgreiche Frauen im deutschen Fernsehen sind!“

Wie gehe es eigentlich Dirk Bach, wollte Schmidt von Pocher wissen, der dann : „War gestern nicht, äh vorgestern, also beim Comedypreis morgen.“ Das Publikum lacht. Der Comedypreis wurde am Dienstag aufgezeichnet und wird erst am Freitag ausgestrahlt. Schmidt empört: „Das ist ja vielleicht ein Hammer. Der Comedypreis ist ja live. Helmut, warst Du auch bei dieser ‚Generalprobe‘?“ Zerlett nickt und bestätigt: „Ja klar, ich war ja sogar nominiert“ (für die RTL-Comedy „Frei Schnauze XXL“) und Pocher setzt die Krone drauf: „Die haben doch... ähm die kriegen doch vielleicht `nen Preis. Wenn‘s gut läuft.“ Was sonst geschah bevor der angekündigte Günther Jauch kurz vor Ende seinen Kurzauftritt hatte? Schmidt und Pocher spielten das ZDF-Morgenmagazin nach, analysierten „Tatort“ und ZDF-Montagsfilm und persiflierten RTL-Schuldnerberater Peter Zwegat („Seine Lippen sehen aus wie computer-animiert“, Schmidt). Zwischendurch hatte Dr. med. Eckart von Hirschhausen seine Premiere mit der „Hirschhausen-Akademie“, die allerdings so deplatziert wie unlustig war. Sein bester Spruch: „Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz im Krankenhaus: Blut abnehmen muss man nur solange machen bis man es kann.“ Der beste Einspieler des Abends widmete sich Sabine Christiansen. So kurz, so gut.
 


Irgendwo mittendrin machte Pocher dann einmal auf Kerner und ermahnte Schmidt: „Wenn hier irgendwas passiert in der Show, was mir nicht gefällt, möchte ich mich gerne mit Helmut weiterunterhalten. Dann gehst Du bitte aus diesem Studio und bist hier nicht weiter Gast. Dann entscheide ich mich für die anderen Gäste“ Das Publikum lacht, leiser Applaus. Pocher zu Schmidt: „Da krieg ich teilweise Applaus - aber nur von denen die für Bild Online schreiben“. Mehr Beifall gab es für Pochers Lukas Podolski-Nummer, bei der Schmidt und Pocher hervorragend funktionierten und danach Günther Jauch begrüßten.

Bei dem folgenden Gespräch wirkte Pocher wie der ungeliebte Verwandte am Katzentisch der Familienfeier. Das war weniger ihm als der Tischkonstruktion geschuldet: So saß Schmidt wie immer recht nah am Gast, dem er sich auch zuwandte und Pocher („Ich bin so weit ab vom Schuss. Eigentlich müsste man es kuschliger machen“) am Ende des Tisches. Schmidts erste Frage zu Jauchs Gefühlen für die ARD beantwortete dieser mit dem zweitbesten Satz des Abends: „Ich hab ja jetzt drei neue Sendungen bei der ARD gesehen. Anne Will, gestern Frank Plasberg und heute jetzt die Sendung und ich kann sagen: Zwei gefallen mir sehr gut. An einer muss man noch arbeiten.“ Der beste Spruch der Premierensendung folgte kurz darauf. Pocher vom Katzentisch: „Ich darf auch mal was fragen irgendwann, oder?“ Schmidt vertröstet bis Jauch erinnert: „Er wollte auch was fragen mal.“ Und dann durfte Pocher. Er wollte wissen, ob Jauch jetzt doch noch zur ARD kommen werde und schiebt den Satz des Abends hinterher: „Ich sag mal so: Es ist so einfach.“

Ihr Ende fand die Sendung auf dem Betroffenheitssofa („Menschencouch“, Schmidt) a la Anne Will, wo gemeinsam mit Jauch über eben die sinniert wurde, die sonst bei Anne Will und anderen Sendungen die Betroffenen mimen dürfen. Schmidt und Pocher imitierten lautstark die Pöbeleien mancher Talkshow oder Dokusoap. „Du wollt‘s misch jeden Tag ficken“, brüllte Schmidt. Das Publikum tobte und Schmidt erklärte Pocher: „Ich kann das sagen. Wenn Du das gesagt hättest, wär das blöd gewesen.“ Jauchs Kommentar dazu: „Eine gute Entscheidung, dass das mit der ARD nicht so auf Anhieb. Wo bin ich da nur reingeraten.“

Foto: ARDDas scheint sich bei „Schmidt & Pocher“ auch so mancher Kritiker gedacht zu haben. Eine gute Kritik ist schwierig, die nur dann etwas leichter wird, wenn man sich des Holzhammers bedient. Und den bedienten bei „Schmidt & Pocher“ sehr viele, sehr schnell, sehr gerne. Immer auf der Suche nach der ultimativen Formulierung mit der man im Meer der Meinungen 5 Minuten-Ruhm im Internet ergattert. Wichtig dafür: Nur die vernichtende Kritik bringt Publikum, nur sie bringt (leichten) Applaus. Aber auch manch scheinbar mit Bedacht geschriebener Text zur Premierensendung enthält kuriose Kritik. Enttäuschend sei es gewesen, dass Günther Jauch nur so kurz dabei gewesen sei. Dass achteinhalb Minuten mit Jauch länger sind als Schmidt sich je zuvor einem Gast widmete, wird da vergessen. Vom „Totalausfall“ von Pocher und der Sendung wird geredet und man fragt sich: Was ist dann erst der Rest des deutschen Fernsehens? Oder man liest, der Sendung habe an „Dramaturgie“ gefehlt. Ein interessanter Punkt, der bislang bei LateNight-Shows nur nie eine Rolle spielte. Oder will jemand behaupten, die Gäste bei Schmidt wären stets der krönende Abschluss der Sendung und ihres Spannungsbogen gewesen? Die Dramaturgie sollte lieber dorthin gehen, wo sie dringender gebraucht wird: In die deutsche Fiction. Dort sucht man sie verzweifelt.

Am Ende der Sendung bleibt die Erkenntnis, dass Deutschland eine LateNight verloren und dafür ein Medienmagazin gewonnen hat. Bissiger, humorvoller und treffender als das, was bei z.B. bei „Zapp“ (NDR) über den Bildschirm flimmert, haben Schmidt und Pocher in alle Richtungen der Branche ausgeteilt und damit genau die Aufgabe des Korrektiv übernommen, die auch Stefan Raab seit längerem zugunsten mindestens ebenso großer Unlust wie zuletzt bei Schmidt aufgegeben hat. Die Bezüge zum aktuellen Mediengeschehen summierten sich, auch wenn die Premiere von „Schmidt & Pocher“ nach schwachem StandUp erst später in Fahrt kam. Dann aber konnten auch Abstimmungsschwierigkeiten den Kessel Buntes nicht mehr stoppen. Nimmt man manch überzogene Erwartungshaltung auf ein gesundes Maß zurück, dann bleibt eine solide Show mit ganz großen Momenten. Und das ist im deutschen Fernsehen schon ein Verdienst, den es zu würdigen gilt.