Foto: Andreas HofweberWer unter Qualität im Fernsehen wiederum eher beste US-Serien versteht, der findet auf den großen Vollprogrammen aber inzwischen auch auf eigenen PayTV-Kanälen wie Fox oder bald TNT Serie hervorragende Produktionen mit ausgezeichneten Drehbüchern, die dem großen Hollywood-Kino in Optik und Erzählung inzwischen kaum noch in etwas nachstehen. Oder wie wäre es mit Dokumentationen? Da gibt es privatwirtschaftliche Sender wie Discovery Channel, History Channel, National Geographic Channel und Co. Inzwischen teilweise auch in hochauflösender Qualität. Ob Herr Reich-Ranicki weiß, was HDTV ist? Selbst Musikfernsehen ist dank Deluxe Music inzwischen frei von Moderation, Dokusoaps und Klingeltonwerbungen. Und mit Classica gibt es einen eigenen Klassik-Sender. Für jeden Geschmack findet sich inzwischen ein eigenes Programm: Von Animal Planet über Focus Gesundheit bis zu werbefreien Kinderprogrammen für jedes Alter - ja sogar als FreeTV von den Öffentlich-Rechtlichen.

Mangelnde Qualität? Nein, das deutsche Fernsehen bietet so viel Qualität wie nie zuvor. Das Problem ist nur: Man kann die ganze Fülle nicht mehr passiv konsumieren. Man muss sie aktiv selektieren. Eigentlich eine Eigenschaft, die man am Kiosk oder auch im Internet voraussetzt. Nur beim Fernsehen schiebt man es der Mediengattung zu, weil es bislang vielleicht Gewohnheit war, dass man sich mit dem begnügen musste, was wenige Programmverantwortliche ausgesucht hatten. Dass beim Deutschen Fernsehpreis meist nur die Programme der großen Sender betrachtet werden - es hat einen Grund: Viele Programme auf den kleineren Kanälen sind lediglich eingekauft. Deswegen werden sie nach derzeitigem Statut des Fernsehpreises nicht ausgezeichnet. Aber die Berücksichtigung der großen Sendervielfalt wird in den kommenden Jahren die größte Herausforderung des Preises, wie Fernsehpreis-Organisatorin Petra Müller schon vor der diesjährigen Verleihung gegenüber DWDL.de ankündigte.
 

 
Dass in diesem Jahr dennoch Sendungen wie "Deutschland sucht den Superstar" ausgezeichnet wurden, ist auch bei denen, die das deutsche Fernsehen gegen die haltlose Kritik von Reich-Ranicki verteidigen, nicht unumstritten. Wer hier nur schwarz-weiß malen will, macht es sich zu einfach. Doch man kommt um eine Erkenntnis nicht herum: Diese Sendung holt hervorragende Einschaltquoten. Mit anderen Worten: Das Publikum entscheidet sich dafür. So bleibt am Ende die diskussionswürdige Frage: Wieso fixiert sich die Mehrheit der deutschen Fernsehzuschauer noch immer auf den wenigen Vollprogrammen? Die Vielfalt drum herum ist jedenfalls gegeben. Sie müsste nur genutzt werden. Doch gerade das scheint für viele Zuschauer noch eine Herausforderung zu sein: Sie müssen eben, wie schon betont, vom passiven Konsumenten zum aktiven Nutzer werden.
 
Medienkompetenz ist das Wort der Stunde. Wer unter Fernsehen weiterhin nur das Zappen zwischen den wenigen Vollprogrammen versteht, hat das Medium nicht verstanden - oder er ist schlicht zufrieden mit dem, was ihm auf den ersten Tasten seiner Fernbedienung geboten wird. Wer sich nur darüber aufregt, wann welche Sendung programmiert wird und die Kritik an Sendezeiten für gewisse Genres oder Programmabläufen festmachen will, dem sei gesagt: Willkommen im Jetzt. Dank Internet, dank VoD und einer unglaublichen Sendervielfalt gibt es längst diverse Wege und Zeiten sich das anzuschauen, was man sehen will. Fernsehen ist längst nicht mehr der Programmdirektor, der vorschreibt was wann zu sehen ist. Man muss eben nur bereit sein, seine Mediennutzung aktiver zu gestalten. Und schlechte Progamme, die es zweifelsohne immer noch zahlreich gibt, kann man ganz einfach abstrafen: Mit der Fernbedienung.

Glaubt man all den Umfragen, die gemacht werden, so wollen die deutschen Fernsehzuschauer ja sowieso nur Dokumentationen und Reportagen im Fernsehen sehen. Und ihr Lieblingssender? Natürlich stets Arte. Was würde man sich dort freuen, wenn jeder der dies behauptet, auch einschalten würde. Doch reden und handeln - es sind auch bei der Fernsehnutzung zwei unterschiedliche Dinge. Verlogene Kritiker, verlogenes Publikum.