Kaum hatte Maybrit Illner am Sonntag im Vorabendprogramm kurzfristig die Frage diskutieren lassen, wer sich nun noch traue, Bundespräsident zu werden, schon entschied sich die Union dazu, doch Joachim Gauck als gemeinsamen Kandidaten mit SPD, FDP und den Grünen vorzuschlagen. Die Ereignisse in Berlin überschlugen sich im Minutentakt - noch während im Fernsehen der "Polizeiruf" lief, war Gauck offiziell vorgeschlagen. Jauch in der Präsidenten-Falle, könnte man sagen. Und tatsächlich: Für ARD-Talker Günther Jauch war das die wohl größte Herausforderung, seit er im September vergangenen Jahres seine neue Aufgabe antrat.

Nur eine Stunde vor der Sendung musste das ursprünglich geplante Thema "Deutschland sucht den Super-Präsident - wen zaubert Merkel aus dem Hut?" wieder verworfen werden. Oder wie es Jauch gleich zu Beginn der Sendung sagte: Es wurde in die Tonne gehauen. Und so diskutierten CDU-Mann Wolfgang Bosbach, SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, FDP-"Grand Dame" Hildegard Hamm-Brücher, Heiner Geißler und Ulrich Wickert nicht mehr darüber, wer es werden soll, sondern was von dem zu halten ist, der es nun tatsächlich werden wird. Für die Dramaturgie der Sendung erwies sich diese überraschend schnell gefallene Entscheidung freilich nicht als förderlich.

 

Und doch fiel die Diskussion zumindest bisweilen erstaunlich kontrovers aus - etwa über neue Formen der Bürgerbeteiligung. Doch im Mittelpunkt stand Gauck. "Die FDP ist erstaunlicherweiße nicht umgefallen, dafür aber die Bundeskanzlerin", ätzte Nahles in Richtung der Union. Wolfgang Bosbach zeigte sich hingegen davon überzeugt, dass die Koalition auch im Falle einer anderen Nominierung nicht zerbrochen wäre. Was hätte er auch anderes sagen sollen? Ex-"Tagesthemen"-Anchor Wickert stand ihm zur Seite und hob lobend hervor, dass Merkel ja letztlich über ihren Schatten gesprungen sei. Und Hamm-Brücher? Sie zeigte sich von der nun getroffenen Entscheidung angetan und scherzte, dass Gauck immerhin schon mal keine Geldsorgen habe.

Doch wesentlich spannender als die Diskussion um die Person Gauck fiel die Debatte um die Linkspartei aus, die von Union und FDP bei der gemeinsamen Kandidaten-Suche mit der Opposition außen vor gelassen wurde. Es sei ein Fehler von Merkel gewesen, auf die Linkspartei zu verzichten, betonte SPD-Generalsekretärin Nahles, während Bosbach Linientreue zeigte und darauf verwies, dass es so manchen in der Linkspartei gebe, der noch immer auf dem Standpunkt verharre, dass die DDR kein Unrechtsstaat gewesen sei. Spätestens hier hätte man sich allerdings einen Vertreter der Linken in der Talk-Runde bei Jauch gewünscht. Das hätte der Diskussion jenes Feuer verliehen, das ihr nach der schnellen Gauck-Entscheidung erwartungsgemäß zumeist fehlte.

Günther Jauch steht dagegen nun vor einer besonderen Herausforderung: Nach vielen sehr Wulff-lastigen Wochen liegt es nun an ihm, auch wieder andere Themen auf die Agenda seiner Talkshow zu nehmen, schließlich gab es seit Mitte Dezember wohl kaum einen Aspekt in der Bundespräsidenten-Affäre, der nicht in der Sendung besprochen worden wäre. Das ist vielleicht die beste Nachricht des Abends: Endlich kann es wieder um den ganz normalen Wahnsinn gehen. Zwei Monate Ausnahmezustand müssen reichen.