Die Bewertung von im TV übertragenen Preisverleihungen ist eine schwierige Angelegenheit. Der Fernsehzuschauer etwa langweilt sich bei zu langen Dankesreden, doch kann man das den gerade frisch ausgezeichneten Preisträger verübeln? Es ist der immer gleiche Spagat zwischen einer Veranstaltung von und für eine spezielle Branche, die aber gleichzeitig fernsehtauglich daher kommen soll. Kann man einer Preisverleihung die grundsätzliche Problematik vorwerfen, dass eben meist mehr als nur ein Preis am Abend überreicht wird? Ein gewisser Rahmen ist also einfach vorgegeben. Das macht die Gestaltungsmöglichkeiten für die Produzenten so schwierig und die Freude an der Kritik bei Beobachtern gemeinerweise leichter.
Lässt man Pauschalkritik a la "Das war doch Selbstbeweihräucherung" mal außen vor, dann war so natürlich das Moderationsduo das Gesprächsthema des Abends - und das auch im Saal schon während der Verleihung. Barbara Schöneberger war eine Wohltat an der Seite von Ina Müller, doch einfangen konnte auch sie die stürmische Norddeutsche, die auf kleinen Bühnen auch weiterhin mehr überzeugt, nicht ganz. Im Gegenteil: Ein bisschen hat sich Schöneberger von der übertriebenen Albernheit anstecken lassen. Ganz so unpassend wie mancher flotte Spruch des vergangenen Jahres wurde es diesmal aber gottseidank nicht und mag sich auch mancher über einzelne Gags oder den Zungenkuss des Blondinen-Duos aufregen: Die Moderationselemente waren kurzweilig. So wie eigentlich fast die ganze Show.
Denn in einem Punkt war die diesjährige Echo-Verleihung ein Lichtblick. Die Herausforderung des sich immer wiederholenden Dreiklangs aus Laudatio, Auszeichnung und Dankesrede wurde erfreulich abwechslungsreich inszeniert. Der Aufbau der Show war nicht vorhersehbar. Musik-Acts oder aber Einspieler, etwa zum Jubiläum der "Toten Hosen" oder in Erinnerung an Whitney Houston, lockerten auf. Das Opening mit gleich fünf deutschen Acts, eine Hommage an Amy Winehouse oder ein Medley von Sean Paul, Taio Cruz und Olly Murs waren auch eine willkommene Abwechslung. Die sauberste und gehaltvollste Laudatio hielt übrigens Roger Cicero - und offenbarte damit auch gleich, dass es viele verschiedene Geschmäcker gibt. Manch einer war bei Cicero froh an diesem Abend endlich einen ruhigen Gegenpol zum Moderations-Duo ausgemacht zu haben. Doch Preisverleihungen der ruhigen und sortierten Sorte wurden auch schon zur Genüge genau dafür kritisiert.
Und so war die Echo-Verleihung 2012 wohl einfach nur genauso bunt und verschieden wie es die ausgezeichneten Künstler waren. Der Spagat zwischen Rammstein und Volksmusik ist schwer. Vielleicht lässt er sich einfach nicht zur vollständigen Zufriedenheit bewältigen. Aber in diesem Jahr tat das Zusehen schon mal weniger weh als zuletzt. Auch, weil der Echo in diesem Jahr wieder den Musikern gehörte. Keine branchenfremden Laudatoren, so mancher prominente Gastbesuch wie etwa Barry Manilow und, wie schon erwähnt, ungewöhnliche Konstellationen auf der Bühne. Da steckte wieder mehr Musik drin in dieser Echo-Verleihung.
Was nur immer noch schwer fällt: Stimmung im Saal voller Branchenvertreter zu erzeugen, was auch dem Fernsehzuschauer nicht verborgen blieb. Besonders dann, wenn sich die Bühnenkonstruktion als zu lang für die kurzen Auftrittsmusiken erwies und Stille eintrat. Und mit Laudatoren, die offensichtlich passend zu den Gewinnern der Kategorien ausgesucht wurden, nahm man völlig unnötig Spannung aus der Verleihung. Es mangelt also auch weiterhin nicht an Schrauben an denen gedreht werden muss. Auch wenn nach einigen MME-Jahren mit Kimmig Entertainment wieder ein neuer (alter) Produzent die Show stemmte. Trost spendet die Erkenntnis, dass "nicht so schlecht" für generell selten gelobte Preisverleihungen schon eine Anerkennung ist. Und dass die Musik wieder stärker im Mittelpunkt stand - das war erfreulich.