Da stehen sie nun: Braut und Bräutigam vor dem Standesbeamten. Sie sind aufgeregt, ebenso wie ihre Familien, die für diesen besonderen Tag angereist sind. Der Rahmen ist feierlich, wie es sich für eine Hochzeit gehört - bis der Bräutigam den Mund aufmacht und die Braut neben ihm fragt: "Wie heißt Du eigentlich?" Ein Blind-Date am Standesamt. "Hochzeit auf den ersten Blick", ab heute in Sat.1, will herausfinden, ob sich auf wissenschaftlicher Basis das perfekte Ehepaar finden lässt. Die "Bild am Sonntag" nennt es Vernunft-Ehe in ihrer Titelstory.

Dass die größte Sonntagszeitung auf die Sendung aufspringt - eine Erlösung für Sat.1. Denn "Hochzeit auf den ersten Blick" hat ein Problem: Es ist gutes Fernsehen und kein Trash. Die Teilnehmer sind Menschen, die fest im Leben stehen und sich des Experiments bewusst sind. Die Inszenierung zurückhaltend, der Umgang respektvoll und die Einführung in die Sendung gründlich. Es ist eine Show ohne Effekte und die zuletzt scheinbar zwingend notwendige Musikuntermalung mit den schmalzigsten Pop-Songs der letzten Jahre.

In einer Zeit, in der das Privatfernsehen noch nicht Sympathien und Glaubwürdigkeit an schnelle Gags, derart triefende Musikuntermalung und Alliterationen verkauft hatte, hätte die am heutigen Sonntag startende Sat.1-Sendung "Hochzeit auf den ersten Blick" als extrem spannendes TV-Experiment deutlich mehr Schlagzeilen generiert. So jedoch wird das Format zu leichtfertig in einen Topf mit den Formaten geschmissen, die nur noch über Trash und Eskalation funktionierten. Das wäre unfair. Auf der anderen Seite: Eine nette Show lässt sich schwer vermarkten. Welch ein Dilemma.

Es drohte unterzugehen, dass im doch eigentlich maßlos überstrapazierten Genre Dating mit dieser Format-Idee aus der ProSiebenSat.1-eigenen Red-Arrow-Schmiede ein überraschend sehenswertes Stück Unterhaltungsfernsehen über den Sender geht. Noch nicht einmal Kirchen und Politik taten Sat.1 den Gefallen und wollten sich im Vorfeld wirklich empören über die Ehen unter Fremden. Es gab gerade mal leise Kritik, heraufbeschwört von der "BamS". Wie soll darin auch Empörungspotential liegen, wenn gleichzeitig Lothar Matthäus mit Ehe Nr. 5 an der Bedeutung dieser Institution kratzt?

"Hochzeit auf den ersten Blick" begleitet Paare nach dem Standesamt bei ihrem neuen Alltag. Das ist mal zäh, mal lustig, mal tragisch. Spannender noch ist die Phase der Paar-Findung: Wenn vier Experten aus allen Singles, die sich beworben haben und nach der Enthüllung der Show-Konzepts nicht die Flucht ergriffen haben, die perfekten Paare auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zusammenstellen. Lächerlich daran ist höchstens eine etwas absurd große Brille (wer einschaltet, versteht was gemeint ist). In dieser Phase ist das Projekt schließlich außergewöhnlich: Die Vorbereitung auf eine Hochzeit mit einem Fremden - die sich dann in lautes Gelächter entlädt, wenn er Bräutigam der Braut eben die alles entscheidende Frage stellt: "Wie heißt du eigentlich?"