Eines muss man der ARD lassen: Während andere Sender vor König Fußball kapitulieren und gegen die EM-Quali zwischen Schottland und Deutschland schlicht auf den Wiederholungs-Modus umstellen, gibt es im Ersten frischen Stoff zu sehen. Nun gut, streng genommen hätte man auch einfach noch einmal das Band einlegen können, auf dem sich jene "Hart aber fair"-Ausgabe befindet, die in den vergangenen beiden Wochen noch eine Hand voll schlichter Gemüter erhitzte. Es geht natürlich um die Gender-Debatte, die nach Ansicht einiger Frauenrechtlerinnen von Moderator Frank Plasberg und seinen Gästen im Frühjahr nicht seriös genug geführt wurde und in der Folge sogar den WDR-Rundfunkrat beschäftigte. 

Tatsächlich kam am Montag noch einmal exakt jene Runde zusammen, die schon im März Probleme damit hatte, über die Gleichstellung von Mann und Frau abendfüllend zu diskutieren. Man muss sich das nochmal auf der Zunge zergehen lassen: Exakt ein halbes Jahr nach Ausstrahlung dieser nun wirklich kaum Pulitzerpreis-verdächtigen Ampelmännchen-Ausgabe saßen nun also tatsächlich wieder FDP-Vize Wolfgang Kubicki, Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, Bloggerin Anne Wizorek, Publizistin Birgit Kelle und Schauspielerin Sophia Thomalla im Studio zusammen. Um der zu erwartenden Kritik von Seiten der Feministinnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde diesmal zusätzlich Sybille Mattfeldt-Kloth, ihres Zeichens stellvertretende Vorsitzende des Landesfrauenrats Niedersachen, eingeladen.

Die erste Frage des Abends aber ging an WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, der sich mit der Entscheidung, die heftig kritisierte März-Sendung erst aus der Mediathek zu tilgen und dann doch wieder reumütig hochzuladen, quasi selbst eingeladen hatte. Es sei keine Schande, einen Fehler einzugestehen, gab er zu Protokoll, wies den oft geäußerten Vorwurf der Zensur allerdings umgehend zurück, schließlich habe sich die Redaktion ja selbstkritisch mit der Ausgabe befasst. Zwar sprach Schönenborn von redaktionellen Ansprüchen, die immer mal wieder der Grund für das Löschen einzelner Sendungen seien, doch selbst Kritikerin Mattfeldt-Kloth bezeichnete die Maßnahme des WDR als "erstaunlich".

Deutlicher wurde Grünen-Politiker Hofreiter. "Das ist doch eine ungewöhnlich ungeschickte Reaktion", wetterte er und schob hinterher: "Das hätte man sich doch denken können!" Sein FDP-Kollege Kubicki witterte gar eine Maßnahme, um die Einschaltquoten der Talkshow in die Höhe zu treiben. Wenn kritisiert werde, dass die Gäste zu unseriös gewesen seien, frage er sich, weshalb man nun schon wieder hier sitze. Tatsächlich drängte sich diese Frage während der kompletten Sendung auf. Dass man als Zuschauer Zeuge eines "Fernseh-Experiments" sei, wie Frank Plasberg anfangs verheißungsvoll erwähnte, war jedenfalls zu keinem Zeitpunkt so recht spürbar. Der Experiment-Charakter hielt sich ja schon alleine deshalb in Grenzen, weil die Rollen klar verteilt waren – und daran änderten auch die beiden zusätzlichen Gäste nichts, die nur mit Mühe noch Platz fanden an Plasbergs Tisch.

Fast 40 Minuten verstrichen, in denen sich die Runde mit der angeblich so schlechten Sendung vom März beschäftigte, ohne den Fokus auch nur im Ansatz auf die eigentliche Debatte zu verlagern. Dabei wäre das problemlos möglich gewesen, schließlich hatten alle Beteiligten ihre Meinung schon wenige Minuten nach Beginn der Sendung geäußert. So aber zog sich die Geschichtsbewältigung der etwas anderen Art immer weiter in die Länge. Die Vertreterin des Landesfrauenrats war allerdings zumindest ein dankbarer Gast, weil sie die Herr- und Damschaften durch provokante Aussagen mitunter ziemlich in Rage brachte. So habe es damals an sachlicher Kompetenz gemangelt, sagte sie inmitten aller damaligen Diskutanten - ganz so, als habe alleine sie das Wissen über die Gleichstellung von Mann und Frau gepachtet.

Konkret sprach sie Sophia Thomalla an, bei der man nicht so schnell habe erkennen können, "wo der Mehrwert für den Informationsgehalt der Sendung lag". Das wiederum brachte Birgit Kelle auf die Palme. "Frauen wie Sie sind schuld daran, dass es mit der Frauenbewegung nie was wird", ätzte sie schließlich in die Richtung von Sybille Mattfeldt-Kloth. Es entwickelte sich also ein munterer Schlagabtausch, der jedoch in erster Linie auf persönliche Eitelkeiten abzielte und das eigentliche Thema auch diesmal wieder zur Nebensache geraten ließ. Erst nach knapp einer Stunde räumte Frank Plasberg ein "redaktionelles Versäumnis" bei der ersten Gender-Debatte ein und lenkte den Blick auf andere Aspekte wie etwa den sinnvollen Einsatz von Nachttaxis und die Herstellung spezieller Beinprothesen für Frauen.

Gerne hätte man mehr darüber erfahren, doch es fehlte schlicht die Zeit. Womöglich hätte es andere Gäste gebraucht, um sich dem Streitthema noch einmal neu und vor allem mit klarem Verstand zu nähern. So aber glich "Hart aber fair" am Montagabend über weite Strecken hinweg einer Gruppentherapie, bei der sich die Teilnehmer selbst wichtiger nahmen als die strittigen Fragen. Zumindest eine Erkenntnis brachte das selbst ernannte "Fernseh-Experiment" mit sich: Wenn die Fußball-Nationalmannschaft mal wieder in direkter Konkurrenz zu "Hart aber fair" spielt, genügt beim nächsten Mal die Ausstrahlung einer Wiederholung. Es muss ja nicht schon wieder um Ampelmännchen gehen.