Von Hans Hoff

Ich bin ein bisschen verzweifelt. Mir ist der Spaß abhanden gekommen, der Spaß am größten Fernsehvergnügungen der vergangenen Jahre, der Spaß am Dschungel.

Was war ich nicht für ein Dschungelfan. Von Anfang an liebte ich es, wenn RTL mit den temporär Eingeborenen im australischen Pseudobusch tolle Theaterstücke inszenierte. Ich liebte es, Menschen, die bei der Erwähnung des Dschungelcamps angewidert reagierten, zu missionieren, sie zu überschütten mit meinen Argumenten vom großen Volkstheater ungeahnter Dimension. Ich war stolz, als wir in der Grimme-Nominierungskommission das Dschungelcamp auf die Liste gesetzt und damit nicht nur das Institut sondern gleich die halbe Fernsehnation gerockt haben. Als Präsident der Kommission wurde ich nachher vor die NRW-Medienkommission zitiert, um dort unsere Entscheidung zu erklären. Große Ehre das alles.

Und heute? Heute muss ich mich zwingen, das zu schauen. Ich sitze vor dem Schirm und bin schockiert, wie wenig mich das alles noch zu belustigen vermag. Noch im vergangenen Jahr war ich Feuer und Flamme. Obwohl die Inszenierung zu wünschen übrig ließ, war ich doch begeistert vom Konzept. Die Schwächen vermochte ich einfach zu übersehen.

Und nun? In der aktuellen Staffel machen sie alles besser als im vergangenen Jahr. Sie haben besseres Personal, sie geben sich sichtlich mehr Mühe, und selbst Daniel Hartwich ist ab und an witzig. Es gäbe also keinen Grund, nicht in die allgemeine Comeback-Euphorie einzustimmen. Und doch berührt es mich nicht mehr.

Ja, ich kann verstehen, dass die pure Abbildung von Helena Fürst zu Aggressionsphantasien führen kann, dass Menderes die gleichen Gefühle auslöst wie ein verlassener Korb voller Welpen, dass das Muskelgebirge von Torsten Legat im krassen Kontrast steht zur intellektuellen Wüste in seinem Inneren. Das sind alles sehr feine Ingredienzien, die für große Tragödie ebenso taugen wie für brachiale Komödie.

Allein, es ist mir egal. Schnurzpiepegal. Nicht mal die schalen Twitter-Gags, die anlässlich der kulinarischen Prüfungen selten ohne die Bemerkung „was die schon alles in den Mund nehmen musste“ auskommen, waren mir Grund zur Empörung. Nichts kann mich mehr retten. Ich bin verloren. Das Dschungelcamp ist mir so egal, egaler geht es nicht mehr. 

Ich will niemandem den Spaß verleiden am aktuellen Geschehen, aber ich wäre dankbar für den einen oder anderen Tipp, der mir sagt, was mit mir nicht stimmt. Ich wäre gerne wieder bei den Begeisterten. Stattdessen bin ich gefangen im Egal-Camp und rufe laut aus: Ich bin ein Fan, holt mich hier raus.

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Von Alexander Krei

Gut möglich, dass nach zehn Staffeln gewisse Ermüdungserscheinungen eintreten, weil sich der Dschungel, seit er Anfang 2004 zum ersten Mal für deutsche Camper die Pforten öffnete, in seinen Grundzügen fast nicht verändert hat. Kaum eine Tierart, die seither nicht auf dem Tisch gelandet ist. Und spätestens nach der Aufsehen erregenden Larissa-Staffel ist dem deutschen Publikum kein noch so schlechter Charakterzug mehr fremd.

So gesehen bietet die aktuelle Staffel von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" natürlich wenig Neues. Da muss man sich als Fan womöglich etwas mehr dazu zwingen, sich auf den Dschungelzirkus einzulassen als noch vor einigen Jahren. Damals, als man gegen den Strom schwamm, wenn man sich als Fan dieser Show outete. Inzwischen ist der Dschungel so sehr im Mainstream angekommen, dass jeder darüber schreibt und sogar die Werbeblöcke ausgebucht sind. (Bleibt da nicht eigentlich viel weniger Zeit für Geschichten aus dem Camp?)

Doch gerade seine Berechenbarkeit ist für mich die große Stärke des Dschungels: Während am Konzept so mancher lang laufender Formate bis zur Unkenntlichkeit geschraubt wird, bleibt sich RTL in Australien zu meiner persönlichen Freude erstaunlich treu. Die "freundliche Renovierung", die die Produzenten versprachen, trifft es gut: So bot die Einführung eines zweiten Camps neuen Zündstoff und die Einsicht, dass nicht jedes Reality-Sternchen die Scharfzüngigkeit einer Larissa Marolt besitzt, hatte in diesem Jahr eine erstaunlich gute Besetzung zur Folge.

Problematisch ist da eher, dass die Edelfans der Show offensichtlich nicht diejenigen sind, die sich an den Votings beteiligen. Wie sonst ist es zu erklären, dass der etwas naive, aber überaus unterhaltsame Sprücheklopfer David das Camp ebenso verlassen musste wie der zunehmend auf Krawall gebürstete Ex-Dailytalker Ricky, während die diesmal arg blasse Brigitte Nielsen die Nächte noch immer auf unbequemen Pritschen verbringt? Aber was beschwere ich mich? Ich schenke RTL schließlich selbst keinen Groschen, um Thorsten Legat zum König zu wählen.

Und ja, ich finde die Nielsen langweilig. Dass das meinen Spaß an der Show nicht im Ansatz trübt, liegt in erster Linie an den Autoren, die einmal mehr famose Arbeit leisten und es am Dienstag sogar schafften, die Camper alles andere als eindimensional zu zeichnen. Plötzlich empfand ich sogar einen Hauch von Sympathie für Helena. Was geht los da rein?

Ich freue mich noch immer, wenn es den Dschungelmachern gelingt, meine eigenen Vorurteile zu widerlegen; wenn der schräg singende Menderes mit Höflichkeit und guten Manieren überrascht oder hinter der mit allerlei Schminke versehenen Fassade der großbrüstigen Sophia Wollersheim eine unerwartete Natürlichkeit zum Vorschein kommt. Und natürlich genieße ich die spöttischen Kommentare der Moderatoren.

Klar, das alles ist sowas von egal. Aber so egal war das Dschungelcamp letztlich immer. Es ist für mich noch immer das schönste Egal, das das Privatfernsehen zu bieten hat.