2017 könnte das Jahr des Talks bei Vox werden: In "The Story of my Life" will der Sender Promipaare zum emotionalen Gespräch bitten und in deren Vergangenheit blicken. "Fremde Freunde" mit Guido Maria Kretschmer verfolgte bei seiner Premiere am Montag einen ganz ähnlichen Ansatz: Drei Promis, die sich vorher noch nie gesehen haben, treffen in einer alten Mühle aufeinander und verbringen 24 Stunden zusammen. Gemeinsam reden sie über ihre Karriere und ihr Privatleben.

Das Konzept ist freilich nicht neu: Auch bei "Sing meinen Song" und "Ewige Helden" hat Vox die prominenten Teilnehmer stets auch zu Wort kommen und über ihr Leben und ihre Karriere reden lassen. "6 Mütter" war auch nichts anderes. In "Fremde Freunde" konzentriert man sich nun gänzlich auf diesen Aspekt - ohne singen oder andere Wettkämpfe zwischendurch. Und das hat auch gut funktioniert, weil Vox mal wieder auf besonders viele Emotionen gesetzt und ein ehrliches Format geschaffen hat.


Zu Beginn der Sendung erinnerte das neue Format aber noch ein bisschen an "Big Brother". Schauspieler Heinz Hoenig, Ex-Profi-Handballer Stefan Kretzschmar und das 70-jährige Top-Model Eveline Hall mussten per Ruderboot einen kleinen See überqueren, um zur Mühle zu gelangen. Als Hoenig als erster Promi diese schließlich betritt, sieht er sich um und sucht seine Mitbewohner - ähnlich sah es auch bei "Big Brother" am ersten Tag immer aus.

Als schließlich alle Promis angekommen und das Essen vorbereitet ist, bittet Guido Maria Kretschmer zum ersten Talk auf dem Dachboden. Es geht um die Kindheit seiner Gäste. Sie erzählen davon, wie es dazu kam, dass sie so geworden sind wie sie sind und kommentieren Fotos, von denen sie einige augenscheinlich selbst noch nie gesehen haben. Im Verlauf der zweistündigen Sendung geht es noch um die erste große Liebe, die Meilensteine der Karriere und die Zukunft der Gäste.

Hier zeigt sich: Die Sendung steht und fällt mit ihren Gästen. Da unterscheidet sich "Fremde Freunde" nicht von anderen Talkshows. Die Darstellung ist natürlich eine gänzlich andere: Vox und die Produktionsfirma Norddeich TV haben eine Wohlfühl-Atmosphäre kreiert, durch die die Promis auch über intimste Erlebnisse reden sollen. Kritik oder kontroverse Auseinandersetzungen fehlen - es ist eine inzwischen bekannte Vorgehensweise des Senders. Bei unzähligen Talkshows mit Krawall-Runden ist das aber kein Minuspunkt. Vielmehr muss Vox aufpassen, dass seine Sendungen in Zukunft nicht alle das gleiche Muster zeigen. Auch "The Story of my Life" wird aller Voraussicht nach in die gleiche Kerbe schlagen wie "Fremde Freunde". Und natürlich muss dieses deutlich ruhigere Format erst einmal von den Zuschauern gefunden werden, weil es eben nicht laut "HIER, ICH!" schreit.

Die Zusammensetzung der Gäste in der ersten Sendung von "Fremde Freunde" erwies sich als durchaus harmonisch: Hier der ehemalige Spitzensportler, der von den Medien zu einem Messias seiner Sportart gehypt wurde, dort der legendäre Schauspieler, der durch seine Rolle in "Das Boot" erstmals große Aufmerksamkeit erlangte. Und dann noch das 70-jährige Model, das früher als Balletttänzerin gearbeitet hat. Es waren unterschiedliche Charaktere, die dann doch das ein oder andere gemeinsam hatten. Sie harmonierten gut zusammen und hatten echtes Interesse aneinander, so kam es zu vielen interessanten Gesprächen.

Da stand Moderator Guido Maria Kretschmer zeitweise einfach nur als Stichwortgeber parat, um die Kulisse oder das Gesprächsthema zu wechseln. Kretschmer wurde wohl als Moderator gewählt, weil er durch seine Rolle in der "Shopping Queen" zu einer Art "Freundin der Nation" geworden ist. Jemandem, mit dem man auch über privateste Dinge reden kann. Er machte seine Sache ordentlich und wirkte oft gut vorbereitet. In einem Punkt unterscheidet sich "Fremde Freunde" aber ganz wesentlich von anderen Formaten von Kretschmer: In Wollpullover und Sneakers sieht man ihn sonst eher selten. Aber auch bei Kretschmers Outfit war eben alles auf Wohlfühlen ausgelegt.

Dass die vier Protagonisten schließlich auch in der Mühle übernachten, spielte, bis auf die Tatsache, dass sich jeder ein Zimmer aussuchen durfte, überhaupt keine Rolle. Nach dem letzten Gespräch am Abend ging es am nächsten Morgen gleich beim Frühstück weiter. Hier verzichtete Vox dankenswerterweise auf gängige Dokusoap-Elemente und konzentrierte sich auf die eigentliche Stärke des Formats: das tiefgründige Gespräch. Und spätestens hier war dann auch das letzte Gefühl von "Big Brother" verschwunden.