Der Sonntagvorabend bleibt bei Sat.1 weiter sehr emotional und tränenreich. Dass das aber nicht zwangsläufig Garanten für gute Quoten sind, musste der Sender zuletzt schmerzlich erfahren. Mit dem einfachen, aber genialen Konzept von "Der Augenblick - Verzeihen ohne Worte" fiel man krachend auf die Nase. In "Der Wunschbaum - Kinder machen Träume wahr" ist nun zumindest wieder deutlich mehr los - weniger tränenreich ist die Sendung dadurch aber nicht. Auch beim "Wunschbaum" menschelt es an allen Ecken und Enden, wobei das Konzept noch wie ein roher Diamant wirkt, der noch viel Feinschliff benötigt.

Die Grundidee, Kindern die Möglichkeit zu geben, sich etwas für ihnen nahestehende Menschen zu wünschen, ist stark, auch wenn sie natürlich nicht neu ist. Gut umgesetzt, ist ein solches Format aber für jeden Familiensender eine Bereicherung. Hier beginnen die Probleme beim "Wunschbaum". Denn eigentlich braucht es den Baum gar nicht. Der muss erst einmal mit einem 30-Tonner durch die Republik zu einer Schule gekarrt werden, wo die Schüler ihre Wünsche dann aufschreiben und an den Baum hängen. Wie ökologisch nachhaltig das ist, sei einmal dahingestellt.


In der Schule angekommen, spricht Moderator Thore Schölermann mit einigen Kindern und lässt sich ihre Wünsche erklären. Es ist selbstredend, dass die Kinder, die sich einen Laptop für die Mama oder ein Training für den Familienhund wünschen, am Ende leer ausgehen. Es werden die ganz emotionalen Geschichten gesucht. Und so werden schließlich drei Kindern ihre Wünsche erfüllt: Mia hatte Leukämie und wünscht sich einen Urlaub für ihre Mama, Leon einen Flug für seinen "Patenvater" und Rike will ihrer 90-jährigen Uroma eine Spritztour durch Berlin ermöglichen.

Im Baumhaus reden die drei Kinder mit Thore Schölermann einzelnen über ihre Wünsche und die Geschichte dahinter. Hier wird es zum ersten Mal richtig emotional, bei der Geschichte von Mia kann dann auch der Moderator nicht mehr an sich halten und ist den Tränen nahe. Es sind Momente wie diese, die den "Wunschbaum" zu einem sehenswerten und authentischen Format machen. Grundsätzlich ist bis hier hin aber schon zu viel Zeit verstrichen, weil Thore Schölermann erst noch ein bisschen durch das Schulgebäude springen und mit den Kindern albern muss. Das hätten Sat.1 und die Produktionsfirma Talpa auch deutlich straffer erzählen können.

Dann werden die Beschenkten schließlich von Thore Schölermann und den Kindern überrascht. Auch hier ist das Format stark, weil augenscheinlich vorher nichts abgesprochen war und die Beschenkten nichts von ihrem Glück wussten. Leider hält der "Wunschbaum" diese Authentizität nicht über die komplette Sendezeit durch. Als die Mutter von Mia erklärt, dass sie ohne ihre Tochter eigentlich gar keinen Urlaub machen will, war klar, dass Mia dann eben mit muss - auch wenn das Geschenk ja eigentlich nicht für sie sein sollte. "Ich überlege mir was", sagt Schölermann und es geht erst einmal mit den anderen Wünschen weiter. Später wird aufgelöst: Mia darf mit in den Urlaub. Das konnten da aber nicht nur die Zuschauer längst erahnen, sondern auch die Protagonisten. 

"Fernsehherzlichkeit für Beginner" (2)

Thore Schölermann selbst muss seine Rolle als Moderator erst noch finden. Was DWDL.de-Autor Peer Schader 2014 über Helena Fürst geschrieben hat ("Fernsehherzlichkeit für Beginner"), gilt mit Abstrichen auch für den "Wunschbaum"-Moderator. Auch er ist mit den Emotionen der Protagonisten manchmal völlig überfordert und legt dann Standard-Sprüche auf. Als Mias Mutter von der Überraschung völlig überrumpelt in einem Wartezimmer steht und baff ist, will er unbedingt einen Satz der Glückseligkeit für die Kameras aus ihr herauskitzeln. "Ist das nicht schön????", fragt er sie mit großen Augen - als ob da die Antwort nicht längst vorgegeben wäre. Als er Leon auf dem Fußballplatz überrascht und ihm sagt, dass sein Wunsch erfüllt wird, entwickelt sich ein geistreicher Dialog. "Du bist ja ganz schön aus der Puste, was ist los?", fragt er den Jungen. Der antwortet: "Ja, Fußballtraining". Worauf Schölermann tatsächlich antwortet: "Echt?". Und als Leons Papa später überrascht wird und seinen Flug antreten soll, schickt er die Mutter erst einmal zum Kaffee-Trinken - sie darf nicht dabei sein.

Es sind solche Kleinigkeiten, die ein grundsätzlich sehr solides, unterhaltsames und emotionsgeladenes Format etwas unrund erscheinen lassen. Und am Ende geht es für Mia und ihre Mama auch noch standesgemäß im Ryanair-Flugzeug nach Mallorca. Das alles lässt Risse aufkommen in der ansonsten heilen Emotions-Fassade von "Der Wunschbaum". Risse, die im Verlauf einer möglichen zweiten Staffel auf jeden Fall behoben werden sollten. Die Folgen für den aktuellen Durchlauf sind ja alle schon abgedreht.

Am Ende kehrt Schölermann noch einmal zurück in die Grundschule - weil "beim 'Wunschbaum' soll kein Kind leer ausgehen". Geschenkt hat Sat.1 den Schülern letztendlich ein neues Spielplatz-Häuschen, für das die Kinder wohl schon ein wenig zu alt sind. Aber geschenkt - der Wille zählt. Und dann macht sich der 30-Tonner auch schon auf den Weg zur nächsten Schule.