Gerade hat sich der "Spiegel" in seinem Aufmacher mit ARD und ZDF beschäftigt und es schien, als habe sich reichlich Wut angesammelt an der Ericusspitze. Manches wurde verschwiegen, vieles dafür aufgebauscht – so wie etwa die Hasskommentare, denen sich die als "Staatsfunk" beschimpften Anstalten ausgesetzt sehen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung mag nicht zufällig gewählt sein, immerhin treffen in Kürze die Ministerpräsidenten zusammen, um über einen neuen Rundfunkstaatsvertrag zu verhandeln. Besonders zwei Fragen dürften im Zentrum der Debatte stehen: Wie lange dürfen Beiträge im Internet bleiben, bevor sie von der "Depublikation" heimgesucht werden? Und wie viel Text ist eigentlich erlaubt, um besorgten Verlagen nicht ihr Brot- und Buttergeschäft streitig zu machen?

Es sind zwei altbekannte Fragen, über die schon seit Jahren diskutiert wird. Doch wer die Diskussion in diesen Tagen verfolgt, der könnte den Eindruck gewinnen, es gehe um nicht weniger als die generelle Existenzberechtigung von ARD und ZDF. Tatsächlich scheint es, als schwinde in der Gesellschaft zunehmend der Rückhalt für die Anstalten – und das, obwohl die Quoten noch immer hoch sind und der Rundfunkbeitrag heute sogar niedriger ist als vor acht Jahren. Der Gegenwind, das lässt sich auch abseits der sozialen Medien beobachten, ist rauer geworden.

Dass ARD und ZDF jüngst dazu aufgefordert waren, der Rundfunkkommission der Länder darzulegen, wie sie in den nächsten Jahren Geld einsparen wollen, um einen möglicherweise kräftigen Anstieg des Rundfunkbeitrags zu verhindern, sollte also im ureigenen Interesse der traditionsreichen Sender mit ihren aufgeblasenen Strukturen sein. Im Falle der ARD kam ein Einsparvolumen in Höhe von 951 Millionen Euro heraus, das durch verschiedene Maßnahmen im Zeitraum 2017 bis 2028 erreicht werden soll. Das klingt zunächst viel, doch aufs Jahr gerechnet liegen die Einsparungen somit bei deutlich weniger als 100 Millionen – angesichts eines milliardenschweren Betrags möchte man anmerken, dass da ganz sicher noch mehr möglich ist.

Vielmehr sollte die Schaffung einer einheitlichen IT-Infrastruktur, wie sie jetzt angegangen wird, angesichts leerer Kassen eine Selbstverständlichkeit sein. Aus Sicht der ARD mag es verständlich sein, dass man jetzt so tut, als habe man alles rausgeholt - wer arbeitet schließlich schon gerne an der eigenen Schrumpfkur? Womöglich braucht es aber weitreichendere Vorschläge, die nicht nur der Politik den Willen zur Veränderung signalisieren, sondern auch dem Publikum. Es muss ja nicht gleich die Abschaffung des gesamten Systems sein, das sich über all die Jahrzehnte hinweg trotz seiner bekannten Schwächen durchaus bewährt hat. Und es muss sich auch nicht, wie jüngst vom "Spiegel" angeregt, ein freiwilliges Bezahlmodell geben, das nur noch einem erlesenen Zuschauerkreis den Zugang zu Oper oder Sport ermöglicht.

Fokus auf die Kernkompetenz

Aber ein "Weiter so" wäre perspektivisch gesehen mindestens genauso falsch. Warum nicht also radikal denken, ohne gleich die Stärken, die die Öffentlich-Rechtlichen ja durchaus besitzen, komplett zu verleugnen? Wer jetzt gleich eine Zusammenlegung von ARD und ZDF fordert, der sollte doch vielleicht zunächst einen Gedanken darauf verschwenden, wie sich zunächst den Koloss ARD auf Kurs bringen ließe. Eine Fusion weiterer Anstalten wäre ganz sicher nicht zu viel verlangt. Man könnte ebenso darüber nachdenken, ob es tatsächlich notwendig ist, dass jedes Dritte völlig selbstverständlich sein eigenes Vollprogramm betreibt, obwohl die Zuschauer "ihr" Drittes doch vor allem deshalb schätzen, weil sie dort – mehr als in jedem anderen Sender – erfahren, was unmittelbar vor ihrer Haustür passiert.

Konkret gefragt: Braucht wirklich jedes Dritte Programm seine eigene Servicesendung am Nachmittag oder ließen sich "Kaffee oder Tee?" und "Hier und heute" in Wirklichkeit nicht in einem Format vereinen, ohne dass die Grundversorgung des Publikums ernsthaft in Gefahr geriete? Hätten die Zuschauer die Wahl zwischen Haushaltstipps und Lokalnachrichten, dann fiele das Votum vermutlich eindeutig aus. Dass sich etwa der WDR als größte Anstalt an nur noch fünf Tagen pro Woche die "Lokalzeit" leisten kann, ist daher der eigentliche Skandal. Wenn kein Geld mehr für das vorhanden ist, was das Publikum erwartet, nämlich regionale, besser noch lokale Nachrichten, dann wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwangsläufig ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen.

Man muss keinen Krimi streichen, keine Doku und kein Quiz. Aber die Fokussierung auf ein Drittes Programm, das sich sinnlose Doppelungen spart und im Gegenzug mehrfach am Tag auf regionale Inhalte konzentriert, also auf die eigentliche Kernkompetenz, wäre ein guter Schritt. Ob das die Lösung allen Übels ist? Unklar. Aber es braucht jetzt den Mut zu aufrichtigen Diskussionen über die Zukunfts des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sicherlich nicht nur mit Blick aufs Fernsehen, sondern auch auf die Aktivitäten im Netz. Dafür müssen sich ARD und ZDF bewegen und andere, wie die "FAZ" und der "Spiegel", endlich auf provokantes "Staatsfunk"-Geschrei verzichten. Letzteres schadet am Ende nämlich allen, den etablierten Medien ebenso wie der Diskussionskultur in unserer Gesellschaft.

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