Und dann kommt die Klinik-Situation, na klar! Als sei es das "Dallas Memorial", wird Logan Roy mit Blaulicht in ein New Yorker Krankenhaus eingeliefert und die ganze Bagage hinterher. Söhne, Tochter, ein Neffe, die Gattin – was nicht bei drei auf dem Stammbaum ist, wohnt dem großen Industriekapitän bei der Vorzugsbehandlung seines Schlaganfalls mit besorgtem Blick bei. So war es ab 1981 im linearen Programm der ARD. So ist es nun auch bei HBO und hierzulande bei Sky. So scheint es das Branchengesetzbuch vorzuschreiben, wann immer Wirtschaftsdynastien zum Inhalt einer epischen Fernseherzählung werden.

Im aktuellen Fall heißt sie allerdings weder "Dallas" noch "Denver Clan", geschweige denn "Die Guldenburgs". Es geht in "Succession" auch nicht um profitable Flüssigkeiten wie Öl oder Bier. Das optisch wuchtige, dramaturgisch unaufdringliche, manchmal dokumentarisch anmutende TV-Epos spielt in der Welt großer Medienkonglomerate. Und wie einst bei den Hearsts, Murdochs, Sulzbergers, den Berlusconis, Burdas, Mohns herrscht auch bei den Roys aus Manhattan ein greises Oberhaupt über Firma, Familie, die große kleine Welt des schrumpfenden, aber noch immer gewaltigen Einflusses. Doch um den ringt der Presse-Patriarch alter Schule nicht nur mit der digitalen Konkurrenz; auch die Verwandtschaft sitzt ihm im Nacken. Namentlich: seine vier Kinder.

Noch während der alte Bär (grandios statusstolz gespielt von Brian Cox) lebt, versuchen sie sein dickes Fell bestmöglich aufzuteilen. Der ehrgeizige, aber fragile Kendall (Jeremy Strong), die offenherzige, aber durchtriebene Shiv (Sarah Snook), der gierige, aber flatterhafte Roman (Kieran Culkin) und der redliche, aber opake Connor (Alan Ruck) sind sich seit langem in wechselseitiger Verachtung zugetan. Der langanhaltende Grabenkrieg um Waystar Royco – Nummer fünf der Entertainment-Konzerne weltweit – gerät jedoch erst zur offenen Schlacht, als Vater Logan an seinem 80. Geburtstag einen Schlaganfall erleidet. Bereits am Krankenbett nämlich werden die Posten verteilt. Schließlich kennzeichnet "Succession" nicht nur die Mischung aus Erfolg und Besessenheit. Es ist auch ein anderes Wort für Erbfolge.

Das "Game of Thrones" mit Barschecks statt Schwertern ist also früh eröffnet. Doch mit einer Art "Citizen Kane" im Internet-Zeitalter mag sich Showrunner Jesse Armstrong nicht begnügen. So genüsslich seine fünf Regisseure das alte Geld der Roys auch mit dem neuen digitaler Emporkömmlinge ringen lassen, so barock der Reichtum einer Sippe, deren Name nicht ohne Grund majestätisch klingt, in der Shareholder-Economy glitzert – der echte Kampf spielt sich hier weniger unter Mächtigen ab als vielmehr den Ohnmächtigen. Ganz gleich wie einflussreich sie sind.

Gleich zu Beginn quält sich der milliardenschwere Konzernlenker ja schwerfällig aus dem Bett des Nobelappartements Richtung Toilette und erleichtert sich ächzend – als ihn seine weit jüngere Frau Marcy (Hiam Abbass) mit Engelszungen darauf hinweist, dass er auf den Teppich pisst. So bedauernswert, kläglich, so schwach wurde Macht wohl nur selten am Bildschirm inszeniert, ohne sie grundsätzlich in Frage stellen zu wollen. Das Außergewöhnliche an "Succession" ist und bleibt von diesem Moment an, dass die Unterschicht mal nicht ehrfürchtig aufs Luxusleben der Oberschicht blickt, sondern sich im Gegenteil permanent für deren Rattenrennen um Macht und Geld und Renommee schämt.

Die Verhältnisumkehr ehemaliger Fernsehdynastien wird dabei allerdings nicht voyeuristisch, also irgendwie sozialistisch ausgeschlachtet. Besonders das Beiläufige der werktätigen Reaktion auf die würdelosen Ränkespiele des Jet Sets ist fast brillant. Hier ein schamvolles Augenrollen der Dienstboten, wenn der herrische Manager mal wieder alle Contenance fahren lässt, dort ein Augenrollen vom Portier, falls sich die Oberen Zehntausend vor lauter Größenwahn ganz klein machen – selten zuvor wurde der Abgesang auf die Klassengesellschaft frühkapitalistischer Prägung zarter intoniert als hier. Die Schlüsselszene spielt sich dabei unmittelbar vor Logan Roys Schlaganfall ab.

Als das Geburtstagskind die Festgesellschaft wie jedes Jahr in Helikoptern vom Firmensitz zum Baseball aufs Familiengut fliegt, bietet sein Lieblingssohn (Roman) dem Gärtnersohn (hispanisch) eine Million Dollar an, falls er den Homerun schafft. Achtung Spoiler: Der Junge verliert, kriegt fürs flugs aufgesetzte Schweigegelübde des anwesenden Anwalts aber jene sündhaft teure Uhr, die der Jubilar gerade vom kriecherische Schwiegersohn Tom (Matthew Macfadyens) gekriegt hat, der seinerseits den mittellosen Großcousin Greg (Nicholas Braun) demütigt, einziges Sippenmitglied, das in der Erbfolge noch tiefer steht als er.

Die Macht, sagt uns die erste Staffel dieser herausragenden, bildgewaltigen, wackelig gefilmten und gerade deshalb so trittsicheren Serie, die Macht ist ein Despot, der alle unterdrückt – selbst jene, die frei darüber verfügen. Für sie gibt‘s in der amerikanischen Fünfklassen-Medizin zwar die Behandlungssuite mit Professorenbehandlung. Gleich nach der Genesung aber geht die Schlacht um Macht und Geld und Renommee weiter, gnadenlos und brutal. Ganz machtlos vorm Fernseher ist es da bisweilen schöner. Besonders dank Serien wie dieser.

Die Serie steht ab sofort im Originalton zum Abruf bei Sky Go, Sky On Demand und Sky Ticket bereit. Ab dem 23. Juli sind die zehn Episoden dann wahlweise auf deutsch oder englisch auf Sky Atlantic HD zu sehen.