"Für was bin ich auf der Welt, wenn ich eh nicht gewollt werde und meine Talente und Begabungen nicht gebraucht werden?" Diese Frage stellt sich der 45-jährige Wolfgang aus Bayern. Er ist einer von mehreren Protagonisten, die Vox in seiner neuen Sendung "Ich, einfach unvermittelbar?" begleitet. Das Format, ursprünglich aus Großbritannien von der BBC stammend, ist so etwas wie die große Überraschung dieser noch jungen Fernsehsaison. In der vorigen Woche gestartet, erzielte die Adaption auf Anhieb starke Quoten – und das nicht nur, weil die "Höhle der Löwen" im Vorfeld prächtig funktionierte.

"Ich, einfach unvermittelbar?" gelingt, was sonst nur wenige Formaten schaffen: Es zieht die Zuschauer direkt in seinen Bann. Erzählt wird nämlich keineswegs bloß die Geschichte von Arbeitslosen, die sich um einen neuen Job bemühen. Nein, im Mittelpunkt stehen Menschen, die am Tourette-Syndrom oder an Autismus leiden und damit auch im Fernsehen eher selten eine große Bühne bereitet bekommen. Dabei handelt es sich um Menschen, die häufig eine mathematische Hochbegabung, ein enzyklopädisches Fachwissen oder eine außerordentliche Empathie mitbringen.

So wie Wolfgang. Auch er ist Autist, doch obwohl er einen Master-Abschluss in Biologie mit der Note 1,9 in der Tasche hat, lebt er seit vielen Jahren von Hartz IV. Und häufig erhält er nicht mal eine Antwort, wenn er sich auf eine Stelle bewirbt. Ganz ähnlich ergeht es Cris, den die Vox-Zuschauer in der zweiten Folge kennenlernen werden. Erst mit 27 Jahren ist das Tourette-Syndrom bei ihm diagnostiziert worden, erzählt er und kommt sogleich auf seine Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt zu sprechen.

Kein Arbeitgeber traut dem gelernten Stuckateur zu, einen guten Job zu machen. Verschweigt er seine Behinderung in der Bewerbung, wird er nach dem Vorstellungsgespräch abgelehnt; geht er von Beginn an offen damit um, wird er oft gar nicht erst eingeladen. Eine frustrierende Situation, der Vox mit "Ich, einfach unvermittelbar?" Abhilfe schaffen will. Durch diverse Tests sollen die Protagonisten ihre persönlichen Stärken herausfinden und mit neuem Mut auf mögliche Arbeitgeber zugehen.

Tiefe Einblicke, aber später Sendeplatz

Intensiv und eindringlich nimmt sich Vox eines Themas an, das in der Öffentlichkeit nur selten thematisiert wird. Die Offenheit der Protagonisten ist dabei eine der großen Stärken der Sendung. Weil sie nicht fürchten müssen, vorgeführt zu werden, geben sie tiefe Einblicke in ihre Seelen und ihren Alltag. Cris nimmt das Kamerateam sogar mit in die U-Bahn, obwohl die neugierigen Blicke der anderen Menschen während der Fahrt zusätzlichen Stress bei ihm verursachen.

Wolfgang hat in der ersten Folge bereits das erreicht, wovon Cris noch träumt. Eine Firma bot ihm eine Stelle an – und darüber ist er so glücklich, dass er dem jungen Geschäftsführer sofort weinend um den Hals fällt. Da muss man selbst vor dem Fernseher mindestens eine Träne verdrücken. "Ihr wisst gar nicht, was es bedeutet, wenn man ein Leben lang unterfordert wird, weil man nicht ernst genommen wird", erklärte der Hochbegabte mit dem analytischen Blick schon kurz zuvor vor versammelter Mannschaft.

Ein herzlicheres Format als "Ich, einfach unvermittelbar?" hat es vermutlich lange nicht im deutschen Fernsehen gegeben. Da hat die Produktionsfirma Tower Productions bei der Umsetzung ganze Arbeit geleistet. Der positive Ansatz ist bemerkenswert – vor allem, weil es den Machern erkennbar nicht darum geht, die Protagonisten zu bemitleiden. Bedauerlich ist allenfalls der späte Sendeplatz: Weil jede Folge weit über eine Stunde lang ist, ist erst nach Mitternacht Schluss. So bleibt die Sendung vorerst ein echter Geheimtipp.

Vox zeigt "Ich, einfach unvermittelbar?" seit vergangener Woche dienstags um 22:50 Uhr. Die erste Folge steht aktuell noch kostenfrei bei TV Now online.