„Zeig mir deine Welt“ springt stattdessen mit Vergnügen zwischen den Besuchen hin und her. Beide Folgen widmen sich je drei Protagonisten, die diese Art lebensbejahendes Fernsehen entstehen lassen, die beim Zuschauen ein wohliges Gefühl zurück lässt. Bathtub TV nennen es die Amerikaner. Mit Blick auf die ganze Reihe ist sich Pflaume sicher: „Uns hilft hier das Vertrauen in die Öffentlich-Rechtlichen.“ Denn der Kontakt zu den Protoganisten lief meist über deren Nachwuchs, deren oberste Sorge ist, dass mit ihren Familienangehörigen kein Schindluder getrieben wird. Die ARD bzw. NDR als Absender beruhigt.



Diese Sendung ist auch ein Beispiel für Fernsehen, bei dem die Vorbereitung wichtiger ist als die Postproduktion, was leider inzwischen viel zu oft anders herum läuft im deutschen Fernsehen und man konstatieren muss: Meistens lässt sich im Nachhinein schlechte Vorbereitung auch nicht mehr ausbügeln. Bei „Zeig mir deine Welt“ ist die Vorbereitung alles. Auch wenn er selbst vorher nicht auf die Protagonisten trifft, so hat die Redaktion im Vorfeld viel Arbeit, erzählt Kai Pflaume. Wie schon in den Staffeln davor, galt es zu klären, wie wohl sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor der Kamera fühlen.

„Wenn wir zu Besuch kommen und feststellen würden, die Angehörigen haben über die Köpfe unserer Gesprächspartner hinweg entschieden oder sie sind vor Aufregung einsilbig, dann haben wir alle unnötigem Stress ausgesetzt - und keine Sendung“, sagt Pflaume. 100-Jährige zu finden, war dafür recht einfach, dank zahlreicher Berichte von Lokalzeitungen. Schließlich kommt oft der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin persönlich vorbei. Dieser Pflichtbesuch ist auch eines der Themen über die sich Hundertjährige amüsieren. Mancher freute sich, andere nicht: „Da spielt sich dann der Bürgermeister in den Mittelpunkt. An meinem Geburtstag!“

Das sind die schonungslos ehrlichen Antworten, die das Format so sympathisch machen. Vielleicht aber bin ich auch befangen mit einer rüstigen Großmutter, die in diesem Jahr beschwingt ihren 90. Geburtstag gefeiert hat. Diese Ehrlichkeit, dieser Humor der besuchten Damen und Herren sorgt immer wieder dafür, dass „Zeig mir deine Welt“ nicht behäbig wirkt. Im Seniorenheim wird gemeinsam darüber gelacht, dass man letzte Woche noch abgestimmt hat über das Essen für diese Woche - sich aber leider nicht mehr erinnern kann, was man entschieden hat.

Zwei Dinge eint übrigens alle Protagonisten der neuen Staffel: Zum Einen sind sie alle in Zeiten des Nationalsozialismus erwachsen geworden, haben die erste Liebe in Kriegszeiten oder kurz danach erlebt. Aber diesmal soll es nicht um den Krieg gehen. Einmal mehr klingt Pflaumes Erinnerung im Ohr: „Wir wollen unterhalten.“ Stattdessen geht’s um die persönliche Geschichte und die in vielen Fällen für damalige Verhältnisse späte Familienplanung, eben nach 1945. Nicht selten sind die Kinder der heute Hundertjährigen daher auch mal gut 30 Jahre jünger.

Nachdenklich wird „Zeig mir deine Welt“ dennoch, aber aus seinem Thema heraus. Wer 100 Jahre alt wird, der hat in seinem Leben schon viele Freunde, schlimmstensfalls aber auch Familienmitglieder beerdigt. Das ist der Fluch des hohen Alters. Zweite Gemeinsamkeit, die auffällt bei der Sichtung: Die alten Damen und Herren erzählen stets mit gehobenem Zeigefinger. „Aufgepasst und zugehört“, scherzt Kai Pflaume, den neben der sportlichen Fitness und Lebenslust seiner Gesprächspartner besonders deren Umgang mit Technik faszinierte: „Diese Generation hat erst den Siegeszug des Automobils erlebt, jetzt den des Internets.“

Die neue Staffel „Zeig mir deine Welt“ ist besonderes Fernsehen mit hohem Unterhaltungswert, dank wunderbarer Protagonisten und Kai Pflaume, der neben seinen großen Bühnenshows hier wieder ganz in dem Element ist, das ihm einst einen Namen gemacht hat in der Branche: Nah dran zu sein an den Menschen - und sich mehr für die Antwort seines Gesprächspartners zu interessieren als die eigene, noch so schön ausgedachte, nächste Frage. Denen zu zuhören, die einen uns einen unbekannten Blickwinkel aufs Leben beisteuern können, ist eine schöne Erkenntnis - besonders an Weihnachten.