Selten war ein Titel passender, als bei "Weird City". Die Anthologie-Serie von YouTube hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Begriff "verrückt" auf jede erdenkliche Weise zu definieren. Deshalb sei direkt zu Anfang gesagt: Wer nicht damit klar kommt, dass "Modern-Family"-Star Ed O'Neill durch ein futuristisches Tinder feststellt, dass er homosexuell ist oder Michael Cera lieber nicht dabei beobachten möchte, wie er an grünlichen Würmern leckt – der sollte sich nicht einmal an den durchgeknallten Trailer heranwagen.

Weniger abschreckend formuliert könnte "Weird City" als farbenfrohes "Black Mirror" gesehen werden. Showrunner Jordan Peele, der im vergangenen Jahr einen Oscar für "Get Out" erhielt, hat zusammen mit Charlie Sanders ("Key and Peele") eine Welt erschaffen, die - genauso wie die von Charlie Brooker - Situationen inszeniert, die in der nahen Zukunft auch für uns so eintreten könnten. Nur deutlich schräger, als das mancherorts erschreckend realistische wirkende "Black Mirror". So geht es beispielsweise in der ersten Episode von "Weird City" um das verknüpfte Schicksal von Stu (Dylan O'Brien, "Maze Runner") und Burt (Ed O'Neil, "Eine schrecklich nette Familie").

Beide treffen aufeinander, als sie durch die Dating-App namens "The One That's The One" verkuppelt werden sollen. Das Problem: Beide sind eigentlich heterosexuell und auch der erhebliche Altersunterschied wirkt auffällig. Doch aus der peinlichen Situation entsteht ein freundschaftliches Abendessen, bei dem beide feststellen, dass sie mehr gemein haben, als anfangs vermutet. Zugegebenermaßen: Wirklich verrückt klingt das noch nicht. Doch in diesem Glauben lässt "Weird City" seine Zuschauer zunächst in jeder der insgesamt sechs Episoden der ersten Staffel. Während die ersten zehn Minuten noch lediglich wie eine frisch erzählte Zukunftsstory klingen und aussehen, enden die restlichen zwanzig in einem Strudel aus "OMG" und "WTF".

Das Schöne ist, dass "Weird City" nicht nur der "weirdness" zuliebe "weird" ist. Die Serie wirkt an keiner Stelle erzwungen absurd, sondern wie ein kontrolliertes Chaos. In jeder Folge wird auch immer ein roter Faden mit Aussage verfolgt. So geht es in der zweiten Folge um einen Michael Cera ("Superbad"), der auf einer Hollywood-Bühne noch nie eine derartige Rolle performen durfte. In einer Mischung aus Loser und Schnösel beginnt sein Storystrang damit, dass er von allen und jedem abserviert wird. Selbst von dem Betriebssystem seines Smartphones, welches lieber digitalen Selbstmord begeht, als noch einen Tag mit ihm verbringen zu müssen. Am Tiefpunkt angekommen stolpert er in das Fitnessstudio "Shape Cult" hinein. War es vorher lediglich der Name des Gyms, sorgt er dafür, dass der Laden wirklich zum Kult wird.

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Die beiden besagten Episoden stehen bei YouTube kostenlos zum Streaming zur Verfügung. Danach geht es nur für diejenigen weiter, die ein Premium Abonnement abgeschlossen haben. Bekanntermaßen soll die Bezahlschranke bis 2020 aber sowieso aufgehoben werden. In den restlichen Folgen warten nicht minder hochkarätig besetzte Schauspieler-Riegen: So bekommt Auli'i Cravalho ("Vaiana") in ihrer Geschichte ein College-Stipendium, welches ihr Leben verändert, während in der vierten Folge Laverne Cox ("Orange Is the New Black") und Sara Gilbert ("Roseanne") als lesbisches Pärchen in ihr erstes Smart Home einziehen. Außerdem mit von der Partie: Gillian Jacobs ("Love"), Hannah Simone ("New Girl"), Malcolm Barrett ("Timeless"), Steven Yeun ("The Walking Dead"), Awkwafina ("Crazy Rich") und Yvette Nicole Brown ("Community"). Das Namedropping kann sich also sehen lassen, ebenso wie die Begeisterung der Stars, sich bei solch einem verrückten Projekt neu ausprobieren zu können.

Charmant ist, dass wirklich alle Geschichten innerhalb der "Weird City"-Mauern stattfinden. So spielt jede Erzählung in seinem eigenen, kleinen Rahmen, sorgt mit Detailliebe aber stets dafür, dass dem Zuschauer mit etwas Aufmerksamkeit immer wieder Sachen auffallen, die bereits in vergangenen Episoden zu sehen waren. Zum Schmunzeln regt hier vor allem "The Line" an. Die Linie wurde in der Mitte der Stadt gezogen, um wortwörtlich die Gesellschaftsschichten zu spalten.

Dabei wäre es für Peele erdenklich einfach gewesen, einen weiteren Seitenhieb gen Trump und seiner "Wall" zu schlagen. Tut er aber nicht. "Weird City" bleibt stets erfrischend unpolitisch und spricht lediglich andere gesellschaftliche Angelegenheiten an. Denn am Ende des Tages ist "Weird City" immer noch unsere Welt, nur in einer "nicht ganz so entfernten Zukunft".

Die erste Staffel von "Weird City" steht ab sofort bei YouTube Premium zum Streaming zur Verfügung. Die ersten zwei Episoden sind kostenlos abrufbar.