Es ist schon ein Weilchen her, dass die Liebe am Bildschirm dauernd im Dreieck sprang. Bettina Zimmermann unter der "Luftbrücke" oder Maria Furtwängler auf der "Flucht", Nadja Uhl bei der "Sturmflut" und Felicitas Woll in Dresdens Kriegshölle – falls ein Mehrteiler Anfang des Jahrhunderts die Vorsilben "Event" oder "History" erhielt, kam er selten ohne Frau zwischen zwei Männern aus, die vor zeitgeschichtlicher Fototapete ums Glück kämpften. Einige Weltkrisen und Fernsehrevolutionen später schien es zwar kurz, romantische Geschichtsklitterung dieser Art sei Vergangenheit. Aber wir haben ja noch das ZDF.

Ab Sonntag nämlich wird dort drei Abende lang von der schönen Prinzessin erzählt, die geigenumflort durchs Blütenmeer ihrer beengten, aber bonbonbunten Jugend früherer Zeiten tanzt, bevor sie ein weitgerittener Held aus dem Käfig der Konventionen befreit. In der Adaption von Daniel Specks Bestseller "Bella Germania" ist das die zuckersüße Giulietta, der eine Ehe mit dem vierschrötigen Enzo droht, bevor sie auf dem Motorrad des schnieken Fahrzeugingenieurs Alexander Richtung Horizont düst.

Der Auftakt des opulenten Melodrams spielt also hör- wie sichtbar im Italien der 50er und walzt damit zwei Pfade des Mainstreams noch breiter aus: Die Epoche der Capri-Fischer und Pünktchen-Röcke dort, wo angeblich Milch und Honig flossen. Beides war zwar auch in der jungen Bundesrepublik, die ihr Gedächtnis mit Schlagerfilmen vom Nationalsozialismus reinigte, ein wohlkalkuliertes Klischee. Sieben Jahrzehnte und etwa ebenso viele Emanzipationsbewegungen später hingegen wirkt die Fiktionalisierung italienischer Arbeitsmigration im Wirtschaftswunderland nur noch lächerlich. Zumindest unter Gregor Schnitzlers Regie.

Wie zuletzt in "Lotte am Bauhaus" taucht er die gesellschaftspolitisch anschlussfähige Saga italienischer Gastarbeiter im abweisenden Gastgeberland in Gefühlskleister, bis alle Relevanz verklebt ist. Als der BMW-Abgesandte Alexander (Christoph Letkowski) auf Sizilien die Lizenz des Kleinstwagens Isetta erwerben soll, trifft er schließlich nicht nur Mechaniker, denen der Deutsche erstmal das Handwerk erklären muss, sondern die schöne, aber vergebene Dolmetscherin Giulietta (Silvia Busuioc), der er im sonnigen Rosenhain ein Kind macht und ein Familiendrama mit Folgen bis ins Jahr 2013 auslöst. Da nämlich – so beginnt der Dreiteiler – sucht die Münchner Modedesignerin Julia (Natalia Belitski) ihren Erzeuger Vincenzo, was Joachim Bißmeier als Opa Alexander bei Kaffee und Kuchen in Rückblenden bebildert.

Läge diese Effekthascherei nicht in ihrem Gestaltungsbereich – Heike Hempel könnte einem glatt leidtun. Als Fernsehfilmchefin zuständig für große ZDF-Fiktionen, muss sie das gernegroße Schmierentheater beim Pressetermin in Hamburg als "Zeitgeschichte zeitgemäß" verkaufen, die zum "Plädoyer für ein starkes Europa" tauge. Auweia. Stark daran ist schließlich allenfalls die Selbstbeherrschung der Darsteller, beim Rühren der Gefühlssoße nicht ständig zu lachen. Es gibt zwar Momente, in denen das leichter gefallen sein dürfte. Aber selbst, wenn die Einwanderer im zweiten Teil mit Ressentiments der Ureinwohner ringen oder der dritte halsbrecherisch zum Thriller entgleitet, bleibt das Bemühen spürbar, wertkonservative ZDF-Zuschauer mit einem Blut-ist-dicker-als-Wasser-Schinken zu mästen, in dem 68er kiffende Freaks sind und Italiener einfach zu gut kochen, um Objekte zeitgenössischer Fremdenfeindlichkeit zu sein.

Produzent Ronald Mühlfellner mag also recht haben, dass sein Fabrikat noch vor Beginn der Flüchtlingsdebatte erdacht worden sei; es als Kommentar darauf zu feiern, ist so abwegig, wie "Bella Germania" zur Grundlage einer Geschichtsklausur zu machen. Dabei war der deutsche Film schon mal weiter. Fatih Akins Drama "Solino" zeigte noch vorm Dreiecksbeziehungsboom, wie unverblümt italienische Migration erzählt werden kann. Auch dem ZDF-Kostümfest "Ku’damm 56-59" gelang es, am Eye-Candy vorbei soziokulturelle Bedeutsamkeit zu generieren. In "Bella Germania" führen Optik und Inhalt dagegen bloß Selbstgespräche. Und dann sind sie auch noch belehrend.

Wenn Kinder etymologisch übers Gastarbeiterlos philosophieren und Eltern Sätze wie "es gibt nur eine Sünde im Leben: seine Talente zu vergeuden" ins Vorspiel streuen, raschelt Daniel Specks Drehbuch im Hintergrund so laut, dass man gelegentlich sogar die Geigenteppiche überhört. Was dieses Getöse locker durchbricht, ist allerdings ein Sprachkauderwelsch, das mitunter an Zuschauerverachtung grenzt. Während Familie Marconi bis auf die polyglotte Giulietta auch nach Jahren im Land nur körperlich mit den Tedesci kommuniziert, redet sie untereinander ein Hochdeutsch, das – Gipfel der Peinlichkeit – italienische Floskeln enthält.

Zugabe gefällig? Fürs ZDF-Publikum, das der Isetta haptisch näher ist als dem Smartphone, altert das Personal im Wellenbad der Fernsehschminke entweder gar nicht oder dank grauer Perücken, die aus Giuliettas Mama in neun Jahren Witwe Bolte macht, während ihre Tochter nebst Bruder (Denis Moschitto) nicht mal Krähenfüße kriegt. Dass selbst Zwillinge nicht den Hauch von Ähnlichkeit aufweisen und der Mittdreißiger Kostja Ullmann einen Teenager mimt, nimmt man da längst so ernüchtert hin wie einen Toast Hawaii, den Alexander zur Dekoration bundesdeutscher Nachkriegsspießigkeit vorm Fernseher isst. Was dort läuft? Schuhplattler natürlich! München halt…

Sendehinweis

  • Das ZDF zeigt den Dreiteiler "Bella Germania" am Sonntag, Montag und Mittwoch um 20:15 Uhr. Alle drei Filme stehen schon vorab in der ZDF-Mediathek