Sicherheitshalber hat der Bayerische Rundfunk den Titel von Thomas Gottschalks neuer Sendung mit einem Fragezeichen versehen. "Gottschalk liest?" heißt sie - und selbst der Star-Moderator hält die Formulierung erklärtermaßen für eine ganz gute Idee. "Hieße die Sendung 'Gottschalk redet', bräuchten wir kein Fragezeichen", sagt Gottschalk in seinem Anfangs-Monolog vor den gespitzten Ohren des Augsburger Publikums, das gerade Zeuge einer Premiere wird. Ausgerechnet Gottschalk, der in der Vergangenheit wie kein Zweiter die große Show-Bühne bespielte, versucht sich jetzt an einer Literatursendung.

Natürlich ist Gottschalks anfängliche Tiefstapelei kokett, denn trotz seines unbestrittenen Hangs zu leichter Unterhaltung, ließ er auch in der Vergangenheit gerne seine Liebe zur Intellektualität aufblitzen - wenn diese denn gefragt war. Man erinnere sich nur an das legendäre Gespräch, das er mit Marcel Reich-Ranicki führte, nachdem dieser einst lautstark den Fernsehpreis ablehnte. Und doch wäre "Gottschalk redet" vermutlich der bessere Titel für seine neue Sendung im Dritten Programm gewesen, schließlich ist es genau das, was er in den meisten der zähen 45 Minuten tut. Vorwiegend über sich selbst.

"Ich bin ein großer Freund der Kaffeesahne", weiß er etwa im Gespräch mit Sarah Kuttner zu erzählen und als später die österreichische Autorin Vea Kaiser auf dem Sofa sitzt, stellt Gottschalk seine Vorliebe für Altphilologie heraus. Auch bei Ferdinand von Schirach zieht der Moderator einen Vergleich zu sich selbst: "Sie schaffen etwas", lässt er den Bestseller-Autor wissen, "was ich mein Leben lang versucht habe: Nämlich etwas kurz und präzise zu sagen, dass man es auch begreift." Er selbst wäre damit allerdings auch kein guter Moderator geworden, räumt von Schirach ein. Der kurze Dialog ist einer der besseren Momente der Premierenshow.

Tatsächlich scheint Ferdinand von Schirach recht schnell zu dämmern, worüber man mit Thomas Gottschalk am besten sprechen kann. Und so freut er sich erst darüber, dass Gottschalk ihm bescheinigt, lustig zu sein, und erzählt schließlich sogar von seiner Begehung in der Thomas-Gottschalk-Suite im Bayerischen Hof, die ihn derart abschreckte, dass er es vorzog, in einem kleineren Zimmer zu nächtigen. Besser wird es nicht. Auch als der Fotojournalist Daniel Biskup wenig später seinen Bildband vorstellt, darf ein Foto von Thomas Gottschalk nicht fehlen. Da vergisst man für einen Moment, weshalb der Gast in Wirklichkeit gekommen ist.

"Sie haben sich vermutlich auch manchmal wiederholt"

Viel Zeit für Tiefgang bleibt angesichts von vier Gästen, die in einer halben Stunde auf die Bühne gescheucht werden, nicht. Zumal Thomas Gottschalk in der verbliebenen Viertelstunde sichtlich bemüht ist, alle miteinander ins Gespräch zu bringen - was leidlich funktioniert. Ob es nicht schwer sei, sich nicht zu wiederholen, will er von der versammelten Schriftstellerschar wissen, woraufhin Ferdinand von Schirach klugerweise entgegnet: "Sie als Moderator haben sich vermutlich auch manchmal wiederholt." Da fällt auch Thomas Gottschalk nichts mehr ein.

Spannend wird es allenfalls, als der einstige Samstagabend-Zampano den mahnenden Onkel gibt und sich darüber beklagt, dass die Jugend von heute keine Bücher mehr lese. "Da geht etwas den Bach runter", resümiert er die Stirn in Falten legend und ruft mit seinem Abgesang noch einmal Vea Kaiser auf den Plan. Sie müsse die Kinder verteidigen, klagt sie und erzählt von "Mega-Wälzern", die der Nachwuchs in Wirklichkeit verschlinge. Es sei doch mit Büchern wie mit der Liebe. "Ich kann niemanden zwingen, durch Zwangsheirat glücklich zu werden. Man muss die Richtige finden, um sich zu verlieben." Applaus des Publikums, Gottschalk gibt sich geschlagen.

Eigentlich wäre das ein guter Moment gewesen, um die Diskussion auf der Bühne doch noch in eine aufregende Richtung zu lenken, doch diese Chance lässt Thomas Gottschalk leider verstreichen. Wie so viele an diesem Abend. So aber hielt die Premiere von "Gottschalk liest?" zumindest, was der Titel versprach: Es bleibt ein großes Fragezeichen.